Banken bereiten sich intensiv darauf vor, wenn Anfang 2018 die neuen MiFID-II-Regulierungen zur Anwendung gelangen. Obwohl der Aufwand enorm ist, sieht Thomas Piske, CEO Private Banking der LGT Group, in der Richtlinie auch Positives.


Herr Piske, ein Brancheninsider meinte kürzlich, der Umgang der Banken mit Regulierung gleiche dem Auspressen einer Zitrone. Man könne sauren Saft, aber auch süsse Limonade daraus machen. Was macht die LGT?

Klar ist: Die Umsetzung der laufenden Regulierungswelle ist für alle Banken mit sehr hohem Aufwand verbunden. Die neuen Pflichten und Auflagen führen zu zusätzlicher Komplexität und bergen die Gefahr einer hohen administrativen Mehrbelastung.

Sich zu beklagen, nützt aber letztlich nichts: Die Regulierung kommt und jetzt hat jede Bank die Aufgabe, für sich und ihre Kunden das Beste daraus zu machen.

«Diese Limonade soll allen Beteiligten schmecken»

Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Natürlich möchten wir Limonade produzieren. Diese Limonade soll allen Beteiligten schmecken, dem Kunden, unseren Beratern und schliesslich auch unserem Eigentümer. So betrachtet, ist Regulierung eine unternehmerische Chance.

Können Sie das konkreter ausführen?

Im Private Banking werden im Wesentlichen drei Dienstleistungen angeboten: Die Vermögensverwaltung, die Anlageberatung sowie die reine Ausführung von Aufträgen ohne Beratung. Am stärksten von der Regulierung tangiert ist die Beratung.

Unter anderem wird die Kostentransparenz entscheidend erhöht, wodurch Leistungsumfang und Qualität der Beratung noch mehr Bedeutung gewinnen. Unser Ziel ist, die regulatorischen Anforderungen in der Beratung so umzusetzen, dass für alle Beteiligten ein Mehrwert resultiert.

«Wir werden die Beratung klarer nach Kundenbedürfnissen differenzieren»

Für den Kunden heisst dies, dass er eine noch individuellere Dienstleistung erhalten wird, die er bezüglich Leistungsumfang und -intensität sowie Gebühren möglichst präzise auf seine Bedürfnisse hin gestalten kann.

Werden Sie hierfür Ihr Beratungsangebot anpassen?

Ja, ab Anfang Januar 2018 werden wir den Leistungsumfang deutlich ausbauen und die Beratung insgesamt klarer nach Kundenbedürfnissen differenzieren. In der klassischen Anlageberatung werden beispielsweise neue Möglichkeiten zur Individualisierung geschaffen und die Risikoüberwachung wird wesentlich ausgebaut.

Für Kunden mit sophistizierteren Bedürfnissen werden neue Optionen zur Umsetzung spezifischer Anforderungen bezüglich Anlagezielen, Anlagevorschlägen und Risikoüberwachung eingeführt. Ausserdem kann der Kunde nebst seinem persönlichen Berater auch direkten Zugang zu einem unserer Investmentexperten haben, mit dem er seine Anlagestrategie und konkrete Anlageideen diskutieren kann.

«Die Anlageberatung wird ein transparentes Preisschild haben»

Insgesamt wird die Anlageberatung deutlich aufgewertet und auch anerkannt, dass diese eine aufwändige und wertschöpfende Dienstleistung ist, in der viel Know-how steckt. Die Anlageberatung wird ein transparentes Preisschild haben, und der Kunde wird ein auf seine Transaktionsintensität abgestimmtes optimales Preismodell wählen können. Diese neue Positionierung der Anlageberatung ist aus Kundensicht, aber auch aus Sicht des Beraters positiv.

Vielfach wird befürchtet, dass die Umsetzung von MiFID für die Kundenberater ein administrativer Albtraum sein wird.

Um genau das zu verhindern, entwickeln wir parallel zum neuen Angebot auch eine völlig neue Technologieplattform. Diese wird unsere Berater während des gesamten Beratungsprozesses unterstützen, also beispielsweise beim Onboarding, bei der Erstellung von Anlagevorschlägen, den Suitability-Prüfungen, der Portfolioüberwachung oder bei der Auslösung von Wertschriftentransaktionen.

Viele administrative Tätigkeiten werden künftig wesentlich einfacher und schlanker oder sogar überflüssig werden. Dank der Technologie-Unterstützung wird trotz MiFID II und Fidleg im Endeffekt die Belastung der Kundenberater durch Compliance-Aufgaben im Vergleich zu heute sogar sinken. Insgesamt werden wir also die Effizienz an der Front wesentlich erhöhen können.

Das heisst, dass sich die Arbeitsweise an der Front verändern wird?

Ja, die Einführung unserer neuen Technologieplattform wird einen weitreichenden Einfluss auf die Tätigkeit der Front haben. Die neuen Anforderungen werden als Regeln im System hinterlegt sein und den Arbeitsprozess so steuern, dass sie in der Beratung automatisch berücksichtigt werden.

«Unser Motto lautet: Turn Regulation into Value!»

Überdies werden auch die Arbeitsschritte unterstützt, die nicht durch die Regulierung betroffen sind. Insgesamt wird die Plattform dem Kundenberater sehr effizient dabei helfen, die für seinen Kunden geeigneten Anlagemöglichkeiten zu identifizieren. Im Endeffekt heisst das: Unsere Kundenberater gewinnen Zeit für ihre Kunden und sie können diese noch besser beraten.

Davon versprechen wir uns wiederum eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit sowie ein höheres Ertrags- und Akquisitionspotential für die Bank. Letztlich bin ich überzeugt, dass wir mit den neuen Angeboten und der neuen Technologieplattform nicht nur unseren Kundenberatern das Arbeiten erleichtern, sondern auch die Chance haben, uns als Bank einen echten Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Unser Motto lautet deshalb: Turn Regulation into Value!


Der Österreicher Thomas Piske studierte Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck und stiess 1986 zur LGT Bank in Vaduz, wo er zunächst als Finanzanalyst und Anlageberater arbeitete. In den 1990er-Jahren hatte er diverse Führungspositionen im Private Banking inne und stieg 1998 als Leiter des Geschäftsfelds Privatkunden in die Generaldirektion auf.

Seit 2009 ist er CEO LGT Private Banking und Verwaltungsratspräsident aller LGT Privatbanken weltweit. Zwischen 2002 und 2012 war Piske auch Präsident oder Vizepräsident des Liechtensteinischen Bankenverbands.