Die Verhaltensökonomin und Credit-Suisse-Verwaltungsrätin kritisiert: In Bewerbungsgesprächen werde die Sympathie zu stark gewichtet. Iris Bonet fordert darum mehr Objektivität im Rekrutierungsprozess. 

Wer für den Job wichtige Qualifikationen vermissen lässt, fliegt schon bei der ersten Rekrutierungsrunde raus – könnte man meinen. Doch dem ist offenbar nicht so. «Viele gewichten Sympathie so stark wie eine wichtige Qualifikation», stellt Iris Bonet, Verwaltungsrätin der Credit Suisse (CS) in einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» fest.

Die Professorin für Public Policy an der renommierten Harvard Kennedy School in Cambridge im amerikanischen Massachusetts und Mutter zweier Kinder fordert daher ein «analytischeres Personalwesen». «Wer ein Shampoo verkauft, betreibt zuvor auch Marktforschung. Bei unserer wichtigsten Ressource aber, dem Humankapital, verlassen wir uns auf weiche Faktoren. Das ist unverantwortlich.»

Die HSBC macht es vor

Seit rund zehn Jahren forscht die gebürtige Luzernerin zu Fragen in den Bereichen Entscheidungs- und Verhaltenstheorie. Sie kämpft zudem auch als Autorin an vorderster Front für die Gleichstellung der Geschlechter.

Auf diesem Gebiet hat die CS 2014 ein Programm lanciert, das Müttern den Wiedereinstieg in den Bankberuf erleichtern soll. Und noch in der Ära Brady Dougan hat die Schweizer Grossbank ein Sponsorship-Programm ins Leben gerufen, um den Frauenanteil auf Senior-Level zu erhöhen, wie auch finews.ch berichtete. Davon profitiert hat eigenen Angaben zufolge Lara Warner, die heute die Compliance der CS verantwortet. 

Bonet ist auch eine Verfechterin des anonymen Bewerbungsverfahrens. Die Verhaltensökonomin – Bonet promovierte an der Universität Zürich unter dem bekannten Wirtschaftsprofessor Bruno Frey – verweist dabei auf die britische Grossbank HSBC, die blinde Personalevaluationen durchführt. Name, Adresse, Alter und Foto werden aus dem Lebenslauf gestrichen, bevor sie den Personalverantwortlichen vorgelegt werden.

So achte man nur auf das Können der Bewerber, und nicht auf Geschlecht oder Aussehen, erklärt die Wissenschaftlerin. 

Gleicher Ablauf, gleiche Fragen für alle

Zwar räumt Bonet ein, dass die Anonymität nicht bis zum Schluss gewahrt werden könne. Immerhin bleibe aber eine deutlich vielseitigere Auswahl an Kandidaten zurück. «Es würde zu durchmischten Teams führen. Sie schneiden in Tests besser ab als einheitliche», so Bonet.

Gleichzeitig fordert sie strukturierte Bewerbungsgespräche, also gleicher Ablauf und gleiche Fragen für alle Kandidaten. Analog zu einer Prüfung können die Antworten dann querverglichen werden – ein Prozedere, das mehr Objektivität gewährleisten soll.

Rückenwind dank Demografie

«Oft entscheidet der erste Eindruck, wer die Stelle bekommt. Doch er ist nicht der beste Ratgeber», kritisiert Bonet.

Davon erhofft sich Bonet auch eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. Rückenwind erhalten die Frauen laut Bonet von zwei Entwicklungen: Wegen des Fachkräftemangels könne es sich die Wirtschaft schlicht nicht mehr leisten, nur die Männer abzuschöpfen. Zum andern könnten Ländern mit einer tiefen Geburtenrate wie Italien oder Japan ihre Produktivität ohne zusätzliche Arbeitskräfte nicht mehr halten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.5%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.98%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.59%
pixel