Früher gab es zwei Berufe mit schlechter Reputation: Gebrauchtwagenverkäufer und Versicherungsagent. Nun gibt es einen dritten, so Hans-Jörg Rudloff.

Rudloff2«In den letzten Jahren gab es wohl keine andere Berufsgruppe, die mit so vollmundigen Versprechen den Kunden irgendwelche (strukturierten) Produkte verkaufte, bei denen es mit viel Risiko wenig zu verdienen gab – ausser einer stattlichen Kommission für den Verkäufer.»

«Das ist inakzeptabel und insofern bedenklich, als es besonders im schweizerischen Bankgeschäft doch um einiges mehr zu gehen schien, als nur Finanzdienstleistungen wie einen Gebrauchtwagen oder eine Unfallversicherung zu verkaufen.»

Die Schweiz ist zu klein

Dies schreibt Hans-Jörg Rudloff im Buch «Neustart – 50 Ideen für einen starken Finanzplatz Schweiz», das vor kurzem im Verlag NZZ Libro erschienen ist. Der frühere Credit-Suisse-Banker ist heute Chairman von Barclays Capital sowie Vizepräsident im Verwaltungsrat des Basler Pharmakonzerns Novartis.

«Die Schweizer Finanzkultur wurde vor langer Zeit erfolgreich, weil sie einen umfassenden und treuhänderischen Umgang mit der Kundschaft und deren Geld pflegte. Dabei dominierten Werte wie Sicherheit, Vertrauenswürdigkeit und Kapitalerhalt. In der Entwicklung des Swiss Banking geriet das alles aus dem Ruder. Im Grunde ist dies auch absurd.»

«Denn das traditionelle Schweizer Bankgeschäft ist alles andere als ein Verkaufsjob: So verlockend es sein mag, mit komplexen Finanzvehikeln zu jonglieren – die Schweiz besitzt keine Kultur, keine Erfahrung dafür. Unser Land ist zu klein, um als Massenmarkt zu dienen, wo man sich gute Verkaufserfahrung aneignen könnte.»

Lösung muss von innen kommen

«Dass in den letzten Jahren so viele Schweizer Banken den Verkauf von strukturierten Produkten forciert haben, geschah aus reinem Profitdenken. Es hat aber auch mit einer gewissen Selbstgefälligkeit zu tun, die sich in der «Champagnerlaune» des unangestrengten Erfolgs im Private Banking breitgemacht hatte. Nachdem die Kundenberater zu reinen Volumenmaximierern umgepolt worden waren, schien die Rechnung zunächst ordentlich aufzugehen. Als das ganze System implodierte, änderte sich die Situation. Mit einem Schlag offenbarte sich die enorme Nachlässigkeit.»

«Will der Finanzplatz seine Strahlkraft behalten, muss sich einiges ändern. Allerdings greift die Annahme zu kurz, dass die Lösung dafür von aussen kommen müsse oder das Problem mit neuen Regeln und Kontrollen, Vorschriften und Bestimmungen gelöst werden könne – als ob es bisher zu wenig Paragrafen gegeben hätte. Immerhin nahm die Krise ihren Anfang in den USA, wo die weltweit am strengsten reglementierte Finanzindustrie zu Hause ist. Die Remedur muss von innen kommen – in der Einsicht, dass man sich auf einen Holzweg begab und dies am Ende die ganze Branche in Schwierigkeiten gebracht hat.»

Die Welt ist eine andere geworden

«Bezogen auf die Schweiz, hat die Krise etwas Positives bewirkt: Sie hat die notwendige Rückbesinnung wesentlich dringlicher gemacht, als es sonst je möglich gewesen wäre. Sie ist unaufschiebbar geworden.»

«Mit Krise meine ich nicht nur das Platzen der Spekulationsblase in den USA und die Turbulenzen an den Finanzmärkten, sondern genauso die politischen und juristischen Ereignisse, die dazu geführt haben, dass zuerst die UBS und dann der ganze Schweizer Finanzplatz in Bedrängnis gerieten – mit der Konsequenz, dass selbst das Bankgeheimnis in seiner angestammten Form nun ziemlich schwer angeschlagen ist und die Banken für alle ihre Geschäftstätigkeiten unter einem letztlich unangemessenen moralischen Generalverdacht und Rechtfertigungszwang stehen. Verbunden mit den zu erwartenden Veränderungen in Sachen Aufsicht und Eigenmittel, ist die Welt für die Banken tatsächlich eine andere geworden.»

«Für einen Neustart braucht es Bankiers, die mit gutem Beispiel vorangehen, anstatt sich einzig vom Mammon leiten zu lassen und in dreister Form eine Kundenakquisition im Ausland zu betreiben, die unserem Ruf schadet. Dem Lamento, dass es der Schweizer Finanzbranche an solchen Persönlichkeiten mangle, will ich mich nicht anschliessen. Denn je mehr wir nun den Finger auf die Probleme legen, desto eher werden sich in dieser Zeit des Aufräumens neue Persönlichkeiten profilieren.»

Philipp Hildebrand ist ein herausragender Banker

«In dieser Hinsicht ist nun die Zeit gekommen, in der sich unverbrauchte Leute bewähren können. Die Krise der UBS hat dazu geführt, dass sich das Nationalbank-Direktorium hervortun konnte und im Land die Überzeugung herrscht, dass wir mit Philipp Hildebrand einen herausragenden Bankier an der Spitze haben.»

«In der Debatte über die Zukunft des Finanzplatzes wurde oft das Investmentbanking thematisiert und gerne verteufelt. So undifferenziert darf dies jedoch nicht länger geschehen. Natürlich ist es klar, dass eine Schweizer Bank, deren Kernkompetenz naturgemäss in der Vermögensverwaltung liegt, schlecht den Anspruch stellen kann, die Nummer eins in diesem durch und durch amerikanisch dominierten Geschäft zu werden. Das ist absurd. Entsprechend muss nun redimensioniert werden.»

«Indem man entweder die Investmentbanking-Sparte verkleinert und fokussiert oder sie auf eigene, unabhängige Füsse stellt, damit die stabilen Erträge aus der Vermögensverwaltung nicht länger torpediert werden. Es darf auch nicht wieder vorkommen, dass die Derivate-Maschinerie innerhalb eines Schweizer Finanzkonzerns die Überhand gewinnt und die Bank zum Kasino verwandelt.»

Das Investmentbanking hat seine Existenzberechtigung

«Gerade am viel verteufelten Investmentbanking lässt sich sichtbar machen, dass es eine andere Geisteshaltung für die Gesundung der ganzen Branche braucht und dass das Investmentbanking dabei durchaus eine wichtige Rolle spielen kann.

Denn sofern der Begriff Investmentbanking die seriöse Beratung und Finanzierung von Firmen meint und damit auch noch die Bedürfnisse sehr vermögender Unternehmer gestillt werden können und nicht das Spekulieren im Eigenhandel, hat dieses Investmentbanking selbst für einige Schweizer Banken seine Existenzberechtigung. Denn in einem solchen Fall trägt es massgeblich dazu bei, dass die Wirtschaft mit dem notwendigen Kapital versorgt wird.»

 

 

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