Selbst wenn viele Experten dieses Jahr schon zweimal zur Vorsicht gemahnt haben und sich die Märkte wider Erwarten positiv entwickelten, ist dies kein Grund, nun sorglos zu werden, findet Stephan Heitz von Axa IM.

Von Stephan Heitz ist ‹Head of Continental Europe & Nordics› bei Axa Investment Managers. Er schreibt monatlich für finews.ch.

Die Prognostiker waren sich noch vor wenigen Wochen einig: Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen, was allgemein als unwahrscheinlich angesehen wurde, würde aufgrund der Ungewissheit über die tatsächliche Umsetzung der Wahlversprechen zumindest die Unsicherheit steigen; Unsicherheit gilt als Gift für Risikoinvestments, ergo wurde zur Vorsicht bei Aktieninvestments gewarnt!

Das Ergebnis: Trump hat die Wahl gewonnen (bei einem unserer Ansicht nach geringen Restrisiko, dass eine Neuauszählung das Wahlergebnis noch ändert), Aktien sind in der Folge weltweit zum Teil deutlich gestiegen, US-Aktien haben neue Höchststände markiert!

Falsches befürchtet

Ähnlich sieht der Realitätscheck bei der Bewertung der Kapitalmarkt-Entwicklung seit der britischen Brexit-Entscheidung aus. War ein Brexit noch vor dem Referendum als unwahrscheinlich angesehen worden, so waren sich die Ökonomen in der Wertung eines möglichen Brexits einig: Eine scharfe Rezession und ein Kurscrash bei britischen Aktien wurden befürchtet.

Die Realität: Das angeblich unwahrscheinliche Ergebnis des Brexit-Referendums ist derzeit Fakt, die Unsicherheit in der Umsetzung hätte zu noch höherer Ungewissheit und somit Risikoaversion führen müssen, britische Aktien sind dennoch gemessen am FTSE100 seit dem 23. Juni um knapp 8 Prozent gestiegen!

Nächster politischer Meilenstein

Ist die Sorge um den Ausgang des Verfassungsreferendums in Italien deshalb unbegründet? Der nächste politische Meilenstein steht bereits am 4. Dezember an, in Italien wird über eine Verfassungsänderung abgestimmt, welche die Macht der zweiten Kammer, des Senats, drastisch reduziert und somit den Weg zu dringend erforderlichen Reformen nicht nur in Bezug auf notleidende Banken ebnen soll.

An sich klingt dies angesichts der politischen Verwerfungen, die sich in diesem Jahr bereits materialisiert haben, nicht besorgniserregend. Aber: Auch wenn ein Nein als Ergebnis des Referendums mittlerweile fest angenommen wird, da auch diese Abstimmung zu einer «Anti-Establishment-Abstimmung» stilisiert wird, so ist doch Vorsicht geboten.

Zur Protestwahl instrumentalisiert

Keineswegs gehen die Gemeinsamkeiten der drei Abstimmungen Brexit-Referendum, US-Wahl, italienisches Verfassungsreferendum über den Umstand hinaus, dass alle drei zum Teil unsachgemäss als Protestwahl instrumentalisiert wurden und werden.

Der Brexit war ein Schock, das britische Pfund hat sich seitdem gegenüber dem Euro um gut 10 Prozent abgewertet und da der Franken zum Euro mehr oder weniger stabil war, auch gegenüber dem Franken.

Dies hat der Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie geholfen und wirkt über Abwertungsgewinne direkt positiv auf die britischen Unternehmensgewinne.

Langfristige Risiken

Die US-Wahl beziehungsweise deren Ergebnis birgt zwar langfristig Risiken für den freien Welthandel (die Transpazifische Partnerschaft, TPP, wird bereits in Frage gestellt), kurzfristig wirken jedoch die Unternehmenssteuer-Reformpläne deutlich schneller und positiver und treiben die US-Unternehmensgewinn-Prognosen und damit die US-Aktien.

Sollte die italienische Regierungskoalition allerdings über die Aufarbeitung eines negativen Ausgangs des Referendums insgesamt ins Wanken geraten, und sollten in Italien Neuwahlen angesetzt werden, so ist nicht ausgeschlossen, dass Cinque Stelle, die Euro-kritische Oppositionsgruppierung, erheblich an Einfluss gewinnt.

Weitere Euro-Schwäche

Wird Italien deshalb sofort aus dem Euro-System austreten und somit den Euro insgesamt in eine existenzbedrohende Krise stürzen?

Wohl kaum, allerdings muss wohl mit einer weiteren Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar gerechnet werden, und auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) würde sich einer erneuten Aufwertung des Franken gegenüber dem Euro entgegenzustemmen haben.

Zu einem Zeitpunkt, wo sich die Inflations- und Zinstendenzen weltweit zu normalisieren scheinen, birgt dies erhebliche Risiken.

Offene Liquiditätsschleusen

Die US-Zentralbank (Federal Reserve, Fed) hat bereits für ihre Sitzung am 14. Dezember mehr oder weniger eine Zinserhöhung angekündigt, und die US-Renditen sind bereits deutlich gestiegen. Die Märkte würden mit Sicherheit völlig überrascht reagieren, würde die Fed schon wieder die angekündigte Zinserhöhung verschieben müssen, da gerade in Europa die Europäische Zentralbank (EZB) und die SNB die Liquiditätsschleusen erneut öffnen müssen.

Auch wenn 2016 schon zweimal zur Vorsicht gemahnt wurde und zweimal die Märkte sich wider Erwarten positiv gezeigt haben, sollte dies kein Grund sein, jetzt sorglos zu agieren.


Stephan Heitz 192Stephan Heitz ist seit Januar 2009 bei Axa Investment Managers tätig. Er startete als Head of Axa IM Northern Europe mit Verantwortung für Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Luxemburg und die Niederlande. Im Jahr 2014 wurde die geographische Verantwortung um die Länder Italien, Spanien und die Nordics ausgeweitet und die Region in ‹Continental Europe & Nordics› umbenannt.

Zuvor war er ab 2001 für die Swiss Life Asset Management in Zürich tätig, zuerst als Director, dann als Managing Director und CEO. Von 1993 bis 2001 arbeitete er bei der ABN Amro Bank. Er startete seine Karriere 1989 beim Schweizerischen Bankverein (heute UBS).

Heitz absolvierte ein Studium an der Universität Fribourg und schloss in Volks- und Betriebswirtschaftslehre ab. Er ist Certified Fund Officer und absolvierte das Advanced Management Program (AMP) an der Harvard Business School.

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