Im Kräftemessen mit den USA stehe China gar nicht so schlecht da, sagt Investment-Experte Wolfgang Fickus vom Fondshaus Comgest. Die Volksrepublik sei weitaus mehr als bloss eine Werkbank, die von Präsident Donald Trump ins Visier genommen werde.


Herr Fickus, China begeht das Neujahrsfest. Doch gibt es angesichts des sich abzeichnenden Disputs zwischen den USA und der Volksrepublik überhaupt etwas zu feiern?

Der Schwenk hin zu mehr Protektionismus, den der US-Präsident Donald Trump wahrscheinlich vollzieht, wird sowohl in den entwickelten Ländern als auch den Schwellenländern negative Nachwirkungen mit sich bringen. Dies bremst den Aufschwung des Welthandels. Da Chinas Volkswirtschaft jedoch zunehmend vom Binnenkonsum und von Dienstleistungen getragen wird, ist das Land heute weit weniger anfällig für negative Nachfragewirkungen, die aus Protektionismus herrühren könnten.

Die USA unter Präsident Trump überschätzen ihren Einfluss in der Region?

Es ist realistisch, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb von Asien, wo heute 45 Prozent der Weltbevölkerung leben, intensiviert wird. Über die kommenden Jahrzehnte werden demografische Effekte und das Wachstum der Mittelklasse dafür sorgen, dass China und Indien die dominanten Volkswirtschaften der Welt sein werden.

Doch etwaige Handelshemmnisse könnte kurzfristig Spuren bei chinesischen Firmen hinterlassen, oder?

Wo Kernkompetenzen vorhanden sind und gleichzeitig ein wesentlicher Absatzmarkt besteht, ist ein grosses Gewicht in Handelsdiskussionen gegeben. China ist also mit anderen Worten in einer starken Verhandlungs-Position – und weit mehr als eine verlängerte Werkbank, die von Präsident Trump ins Visier genommen wird.

«Der Mobilfunk in China umfasst 1,4 Milliarden Abonnenten»

Letztes Jahr hat China seinerseits Kapitalverkehrs-Kontrollen installiert. Nachdem chinesische Firmen im vergangenen Jahr im Ausland zukauften wie noch nie – in welche Sektoren könnten sie 2017 noch aktiv werden?

Es ist wichtig für chinesische Unternehmen, sich dem globalen Wettbewerb zu stellen. Mit dem «Made in China 2025»-Plan hat die chinesische Regierung im vergangenen Jahr klargemacht, dass das Land in Schlüssel-Technologien wie Roboter, Werkzeugmaschinen, Luftfahrt, der Medizin und in der IT Sprünge nach vorn machen will. Hier kann man von weiteren Übernahmen wie dem deutschen Industrieroboter-Hersteller Kuka im vergangenen Jahr ausgehen.

Aber auch den chinesischen Binnenmarkt gilt es im Auge zu halten. Für welche Branchen gilt das besonders?

Das mobile Internet hat in China vieles revolutioniert. Heute hat der Telekom-Riese China Mobile 850 Millionen Kunden. Der gesamte Mobilfunkmarkt in China umfasst 1,4 Milliarden Abonnenten. In diesem Bereich gibt es eine Menge interessanter Geschäftsmodelle, etwa im Onlinespiele-Segment, wo Netease und Tencent die Marktführer sind. Auch im E-Commerce finden sich sehr wachstumsträchtige Unternehmen, da der chinesische Konsument generell sehr modern denkt und sich von Kaufhäusern weniger angesprochen fühlt.

Schweizer Banken wie die UBS und die Credit Suisse setzen grosse Hoffnungen in den chinesischen Binnenmarkt. Wie stehen die Chancen ausländischer Finanzdienstleister in China?

Wir halten in unseren Fonds keine Banken, jedoch einige Lebensversicherer. Während das Wachstum im chinesischen Lebensversicherungs-Markt sehr stark ist – das Prämien-Aufkommen wuchs über die letzten zwölf Jahre im Schnitt um jährlich 15 Prozent –, blieben die ausländischen Anbieter dort mit rund 5 Prozent Marktanteil eher klein.

«Chinesische Banken gewinnen in den asiatischen Anrainrestaaten an Bedeutung»

Weshalb?

Ein Grund ist die Grösse des Landes. Als Marktführer hat China Life mit mehr als einer Millionen Agenten mit Abstand die grösste Vertriebskraft. Das ist organisch für ausländische Anbieter nicht zu bewerkstelligen. Ein behutsamer Geschäftsaufbau in den reichen Küstenstädten führt zwar zu gutem Wachstum. Aber es ist nicht abzusehen, dass ausländische Lebensversicherer in absehbarer Zeit eine grössere Rolle im Gesamtmarkt spielen werden.

Umgekehrt sind chinesische Banken wie die CCB oder Zahlungslösungen wie Alipay bereits in der Schweiz aktiv. Mit welchen Finanzunternehmen aus China ist auch im Westen zu rechnen?

Wir sehen das Thema der Finanzdienstleistungen eher als ein Binnenthema. Mit der Internationalisierung der Währung Renminbi sollten chinesische Banken insbesondere in den asiatischen Anrainerstaaten an Bedeutung gewinnen.


Wolfgang Fickus ist Mitglied des Investment-Komitees bei der französischen Comgest. Das unabhängige Fondshaus verwaltete Mitte letzten Jahres 20,7 Milliarden Euro und beschäftigt an den Standorten Paris, Dublin, Hongkong, Tokio, Singapur, Düsseldorf, Amsterdam und Boston insgesamt 130 Mitarbeitende.

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