Es genügt nicht, vor Abstimmungen über Demokratie zu philosophieren. Man muss sie auch leben, meint Thomas Sutter. Nur mit einer Stärkung lösungsorientierter Kräfte bleibe die Schweiz ein Erfolgsmodell.

Der Souverän hat über die Selbstbestimmungsinitiative am Sonntag unerwartet deutlich entschieden. Die Schlacht ist geschlagen. Die Schweiz hat einmal mehr eine Sternstunde der direkten Demokratie erlebt. Doch gerade diese - von allen Seiten vor der Abstimmung in seltener Einmütigkeit hochgelobte Schweizer Demokratie – wurde in der Nachbetrachtung durch links und rechts arg strapaziert.

Oder wie ist es sonst zu erklären, dass der SVP-Präsident als Wahlverlierer zufrieden in die Kamera lächelte und stolz darauf war, dass er wenigstens seine eigenen Wähler mobilisieren konnte? Eine Volksinitiative zwecks Pflege des Wir-Gefühls? Beschränkt sich der Gestaltungswille der wählerstärksten Partei der Schweiz nur noch darauf?

Und was machten die Linken, die das Referendum über die Versicherungsdetektive ebenso hochkant verloren hatten? Der SP-Präsident zeigte am Schweizer Fernsehen dem Souverän symbolisch den Finger und drohte unverhohlen mit Gerichtsurteilen. Wahrscheinlich träumte er bereits vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg, der den eindeutigen Volksentscheid schon kassieren würde.

Wahlen gewinnen reicht nicht

Vertreter von SPS und SVP loben die Schweizer Demokratie regelmässig in Sonntagsreden. Werktags verstossen sie aber mit ihren Maximalforderungen immer wieder gegen den Geist der direkten Demokratie. Respekt vor den Institutionen (auch des Souveräns!), Moderation und Konsensfähigkeit sind dabei essentiell.

Eine linke Gesprächsverweigerung in Sachen flankierende Massnahmen ist schädlich. Eine rechte Kaskade von immer verzweifelteren Volksinitiativen, die bloss die mangelnde Fähigkeit für das Schmieden von politischen Mehrheiten kaschiert, bringt dem Wohl der Schweiz ebenso wenig.

Beide Polparteien schielen auf möglichst viele Wählerstimmen. Dabei nehmen sie in Kauf, in Sachfragen entweder zu scheitern oder Lösungen zu blockieren. Hauptsache die eigene Klientel wird befriedigt.

Schweiz stärken

Ich bin sicher, dass der Souverän langsam realisiert, dass es nicht genügt, nur im Parteinamen das Wort Schweiz zu haben. Wo Schweiz draufsteht, muss auch Schweiz drin sein. Wohin eine polarisierende Politik führt, konnte man in den letzten 20 Jahren anschaulich in den USA sehen.

Oder wie kann man sich sonst erklären, dass ein extrem Linker wie Bernie Sanders und ein allgemein Extremer wie Donald Trump die führenden Protagonisten ihrer Parteien sind. Solche Verhältnisse möchte ich nicht für unser Land. Daher zähle ich auf den Souverän, dass bei den Wahlen in einem Jahr lösungsorientierte Kräfte gestärkt und die Konsensverweigerer von links und rechts abgestraft werden.


Thomas Sutter war zuletzt Mitglied der Geschäftsleitung der Bankiervereinigung und langjähriger Kommunikationschef. Seit 2017 ist er mit seiner eigenen Firma Sutter Communications als selbstständiger Strategie-, Polit- und Kommunikationsberater aktiv.

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