Anleger sind in Alarmbereitschaft. Grund dafür ist die sich abflachende Zinsstrukturkurve, die auf dem Börsenparkett als ein treffsicheres Frühwarnsystem gilt, wie Investmentexperte Franz Wenzel schreibt.

Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei Axa Investment Managers. Er schreibt abwechselnd mit Richard Mooser eine Kolumne für finews.ch.

In der Tat hat sich die US-Zinsstruktur-Kurve, also die Differenz zwischen langfristigen Zinsen und dem Zins für kurzfristige Anleihen, von 260 Basispunkten Anfang 2014 auf aktuell um die 20 Basispunkte abgeflacht.

Die Sorge um eine inverse Zinsstruktur macht die Runde auf dem Börsenparkett umso mehr, als es quasi als gesicherte Erkenntnis gilt, dass die US-Notenbank die Geldmarktzinsen von aktuell 2,25 Prozent im Laufe des Jahres 2019 weiter Richtung 3 Prozent anheben wird und damit auch die Renditen für zweijährige Anleihen ansteigen werden.

Offener Widerspruch

Demgegenüber spiegelt das lange Zinsende die Wachstums- und vielmehr die Inflationserwartung der Marktteilnehmer wider. Die restriktivere Geldpolitik leitet sich primär aus der Sorge um überbordende Inflationserwartungen ab, die die Notenbank zum Handeln zwingen. Damit tritt aber ein Widerspruch offen zutage. Zwar wird sich im kommenden Jahr wohl die konjunkturelle Dynamik leicht beruhigen – wir erwarten eine Wachstumsabschwächung von 2,9 % im laufenden auf circa 2,25 % im kommenden Jahr.

Demgegenüber wird die Inflation aber weiter um die 2-Prozent-Marke pendeln. Eine ähnliche Hausnummer wird auch an den Börsen gehandelt. So notiert die Rendite von 10-jährigen US-Break-Even-Anleihen aktuell bei circa 2,2 Prozent. Vor diesem Hintergrund und, vorausgesetzt, der Handelsstreit zwischen Amerika und China ufert nicht weiter aus, sollte am langen Zinsende durchaus noch Luft nach oben bestehen und damit eine weitere Abflachung der Zinsstrukturkurve zumindest auf absehbare Zeit abgefedert werden können.

Steigende Ausfallraten

Zinsdifferenzen von Unternehmensanleihen sind heute ein weiteres Utensil im Werkzeugkasten der Konjunktur- und Börsenanalytiker. Steigende Ausfallraten sind ein treffsicheres Indiz für ein zunehmendes Konjunkturrisiko und bieten damit, korrigiert um die Ausfallraten, eine komplementäre Sicht aus der Perspektive der Realwirtschaft.

Die Kombination aus beiden Indikatoren ist ein sehr verlässliches Instrument und deutet heute auf eine Rezessions-Wahrscheinlichkeit von etwa 30 Prozent. In der Vergangenheit hatte eine solche Wahrscheinlichkeit jedoch keine Rezession zur Folge. Allerdings sind Investoren gut beraten, die sich mehrenden Warnsignale nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Konjunkturelle  Spätphase

Die aktuelle Börsenschwäche interpretieren wir allerdings vielmehr als Reaktion auf die zahlreichen politischen Imponderabilien, die sich rund um den Globus spannen, eine sich leicht abschwächende Konjunktur und steigende Zinsen. Es kann heute kaum ein Zweifel daran bestehen, dass wir uns in der konjunkturellen Spätphase befinden, in welcher die Konjunkturdynamik einen Gang zurückschaltet und die Inflation, unterstützt von Lohnsteigerungen oberhalb des Produktivitätswachstums, weiter ansteigt.

Dies ist insbesondere in den USA der Fall, wo die Löhne mittlerweile um die 3 Prozent zulegen. Das Produktivitätswachstum mit circa 1 Prozent hinkt deutlich hinterher. Das belastet auch zweifellos das Gewinnwachstum, für welches wir für 2019 bestenfalls einstellige Zuwächse erwarten.

Legitime Warnsignale 

Damit sind besonnene Investoren gut beraten, sich für 2019 eher die Philosophie «in Kursstärke Gewinne mitnehmen» zu eigen zu machen. Sich von einem übertriebenen Pessimismus, der auf der kurzfristigen Stimmungslage basiert, treiben zu lassen, war noch nie eine gute Anlagestrategie und ist es weiterhin nicht.

Insofern haben die mahnenden Signale der Zinsstruktur-Kurve und die daraus resultierenden Warnsignale ihre Legitimation.


wenzel franz 134 192Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.

Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.

 

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