Vermögende Briten drohen mittlerweile lautstark, ins Ausland abzuwandern, sollte Labour-Chef Jeremy Corbyn im kommenden Dezember die Wahlen gewinnen und die Steuern für die Reichen erhöhen. Was für den Schatzkanzler in Grossbritannien ein Desaster wäre, sorgt für Vorfreude in der Schweizer Bankenwelt.

Dieser Wahlkampf verspricht eine teure Angelegenheit für Grossbritannien zu werden: Die Kandidaten überbieten sich gegenseitig mit immer neuen, schwer zu finanzierenden Versprechen an die gebeutelte Wählerschaft – neue Spitäler hier, Tausende neuer Polizisten da, Verstaatlichung von Gas, Wasser, Strom und Eisenbahn sowie 60 Milliarden Pfund für die Isolation von Wohnhäusern: Die nächste Regierung kommt dem Land gehörig teuer zu stehen.

Kein Wunder also, dass nun die Reichsten der Reichen drohen, im Fall eines Labour-Erfolgs ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Als Hauptgrund dafür nennen sie die geplanten Steuererhöhungen einer Regierung unter dem Sozialisten Jeremy Corbyn an, die mehr als 30 Milliarden Pfund pro Jahr in die Kassen spülen sollen.

Doch ein Exodus der Reichen hätte auch Folgen: letztlich tiefere Einnahmen bei gleichzeitig höheren Ausgaben.

Umzug in die Schweiz: Trendumkehr

Schweizer Vermögensverwalter tun gut daran, ihre Fühler nach neuer Kundschaft schon frühzeitig auszustrecken. Gemäss einigen Vertretern der Finanzbranche in Grossbritannien liegen die Pläne der Reichen unterschriftsreif bereit – und dies seit Monaten.

Dass reiche Briten Teile ihres Vermögens in die Schweiz bewegen, bedeutet eine klare Umkehr eines bisherigen Trends, wie finews.ch schon im Februar 2019 schrieb. Vertreter von britischen Family Offices, wie Kripa Sethuraman, die Chefin von Accuro Fiduciary, erklärte damals, dass dies weniger mit Brexit als vielmehr mit Corbyn zu tun habe.

Nervosität bei den Reichen steigt

Sollte es tatsächlich soweit kommen, dass Corbyn an die Regierung gelangt und seine Wahlversprechen umsetzen kann, werden Staaten wie die Schweiz, aber auch Zypern oder Malta mit dem Zuzug von reichen Briten rechnen können. Gemäss Anwälten, welche die britische Zeitung «The Guardian» kontaktiert hat, ist der Transfer von Vermögenswerten soweit bereit, dass innert Minuten nach einem Wahlsieg Corbyns die Kapitalflucht einsetzen könnte.

Die linksliberale Zeitung berichtete weiter, dass Anwälte von Anfragen von Millionären und Milliardären überschwemmt würden, die Hilfe beim Transfer von Vermögen, beim Umzug in andere Länder und für die Übertragung von Geld auf ihre Kinder benötigten.

Klassenkampf: Vorteil Corbyn

Die Wut der Reichen auf den Sozialisten Corbyn hilft diesem allerdings wohl mehr als dass sie ihm schaden würde. Denn die fünf Personen, die er vergangene Woche als Beispiele der dominanten Elite genannt hat, und die er mit höheren Steuern belegen will, sind alles andere als populär in der Bevölkerung.

Einer, Mike Ashley, der Besitzer der Sportartikelkette Sports Direct, ist sogar richtiggehend verhasst. Er hat nämlich den vielgeliebten Fussballklub Newcastle United (die Heimat des Schweizers Fabian Schär) mit einer in diesem Business ungewohnten «Geiz-ist-geil-Strategie» fast in den Abgrund getrieben – und die Fans gegen sich aufgebracht.

Von verschiedenen Seiten unter Druck

Wenn es Corbyn gelingt, die Aufmerksamkeit vom Brexit auf soziale Ungleichheit zu lenken und Neid auf die Reichen zu schüren, könnte ihm eine ähnliche Überraschung gelingen wie vor gut zwei Jahren, als sich die konservative Premierministerin Theresa May verschätzte und mit einer Minderheitsregierung aus den Wahlen hervorging.

Im Moment liegen die Tories gemäss Umfragen etwa 10 Prozentpunkte vor der Labour Partei. Corbyn hat aber seit Bekanntgabe des Wahltermins schon etwas Terrain gutgemacht, und der amtierende Premier Boris Johnson gerät von verschiedenen Seiten unter Druck.

Den Fehde-Handschuh hingeworfen

So haben sich die pro-europäischen Grünen und die Liberaldemokraten sowie die walisischen Nationalisten zu einer lockeren Allianz gegen den Brexit verbündet und setzen auf den jeweils stärksten Kandidaten pro Wahlkreis.

Anderseits hat Nigel Farage, der Chef der sogenannten Brexit-Partei, Johnson den Fehdehandschuh hingeworfen und ihm gedroht, überall gegen die jeweiligen Tor-Kandidaten anzutreten, als Johnson den ausgehandelten Brexit-Vertrag mit der EU nicht zurückzieht.

Die Schweizer Banken dürften gebannt auf die Entwicklungen in Grossbritannien schauen.

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