Kaum hat sich die Aufregung um den Verlust des Bankgeheimnisses gelegt, manövriert sich die Schweiz im Kampf gegen die Finanzkriminalität erneut ins Abseits. Klärende Worte wünschte man sich vom Bundesrat.

Von Balz Bruppacher, Autor und ehemaliger Chefredaktor der Nachrichtenagentur Associated Press in der Schweiz

Vor zwei Jahrzehnten verglich der damalige Finanzminister Kaspar Villiger sein Departement mit einem «Tollhaus». Es ging um die Nachwehen der Vollzugskrise bei der Umsetzung des Geldwäschereigesetzes (GwG).

Das Gesetz selber, beziehungsweise die Anpassung des Erlasses an den internationalen Mindeststandard im Kampf gegen die Geldwäscherei steht jetzt im Fokus. Gestützt auf das letzte Länderexamen der internationalen Arbeitsgruppe über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (FATF) hat der Bundesrat acht Änderungen vorgeschlagen.

Reaktion auf die Panama Papers

Zentral ist die Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesetzes und seiner Sorgfaltspflichten über die reinen Finanzgeschäfte hinaus auf gewisse Beratungsdienstleistungen. Namentlich solche bei der Gründung und Verwaltung von Sitzgesellschaften und Trusts.

Die Neuerung ist auch eine Reaktion auf die Enthüllungen der sogenannten Panama Papers, bei denen die Namen von zahleichen Schweizer Anwälten auftauchten, die an der Gründung von Briefkastenfirmen und Offshore-Gesellschaften beteiligt waren.

Das Anwaltsgeheimnis als neue heilige Kuh

Die Gesetzesänderung dürfte jedoch am Widerstand der Anwaltslobby im Parlament scheitern. Sie malt das Ende des Anwaltsgeheimnisses an die Wand. Der Nationalrat weigerte sich im vergangenen Frühling sogar, die Vorlage zu diskutieren. Der Ständerat trat im September zwar auf die Revision ein, kippte aber den Beratungsteil ersatzlos.

In der Wintersession ist zum zweiten Mal der Nationalrat an der Reihe. Die vorberatende Kommission trat vergangene Woche zwar auf die Vorlage ein, sprach sich aber klar gegen den Beratungsteil aus und beschloss weitere Abschwächungen. Darunter auch die vom Ständerat eingefügte Aufweichung der Meldepflicht. In der Gesamtabstimmung lehnte die Kommission die Vorlage schliesslich ab, womit im Dezember das definitive Aus für die Vorlage droht.

Gezielt weggeschaut

Die Geldwäschereiabwehr – von Behörden und Branche lange als vorbildlich propagiert – dürfte damit weiterhin eine offene Flanke haben. Zwar hat Finanzminister Ueli Maurer bereits eine Neuauflage der Vorlage für 2023 in Aussicht gestellt. Fragt sich allerdings, ob die Geduld der FATF-Prüfer so lange währt. Hinzu kommt, dass zurzeit im Wochenrhythmus neue Geldwäschereifälle bei hiesigen Banken bekanntwerden.

Vor allem bei Transaktionen mit Venezuela scheint man auf dem Finanzplatz gezielt weggeschaut zu haben. Der Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), Mark Branson, sprach in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung» kürzlich von mehreren Dutzend Banken, die wegen erhöhter Geldwäschereirisiken auf der roten Liste der Aufsichtsbehörde stehen. Vor vier Jahren waren erst 14 Institute auf dieser Liste gewesen.

Neue Präsidentin

Die Finma, die bei Skandalen auf dem Finanzplatz ebenso als Prügelknabe herhalten muss wie bei angeblich übertriebener Regulierungswut, wird 2021 auch aus einem anderen Grund in den Blickpunkt rücken. Mit der Ökonomieprofessorin Marlene Amstad erhält die Aufsichtsbehörde über Banken, Parabanken und Versicherungen nämlich eine neue Präsidentin.

Mit Spannung wird erwartet, ob sie ihre Rolle aktiver ausüben wird als der zurücktretende Thomas Bauer. Das könnte nicht zuletzt deshalb nötig werden, weil die Finma vermehrt mit Vorstössen konfrontiert wird, die ihre Unabhängigkeit gefährden. Die Branche möchte die Aufsichtsbehörde stärker für PR-Zwecke einsetzen; im Finanzdepartement beziehungsweise im Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) gibt es Versuche, die Finma enger an die Kandare zu nehmen.

Das Schweigen der Justizministerin

Das vielleicht grösste Reputationsproblem muss die Schweiz aber im Justizwesen bewältigen. Die Affäre um den abgetretenen Bundesanwalt Michael Lauber, der überraschende Abgang von Daniel Thelesklaf bei der Geldwäscherei-Meldestelle des Bundes (MROS) nach bloss wenigen Monaten sowie die von peinlichen Fehltritten begleiteten Querelen um das Bundesstrafgericht und das Bundesgericht stellen das Funktionieren des Rechtsstaats in Frage.

Auch wenn man nicht gleich das Schimpfwort der Bananenrepublik in den Mund nehmen will, und bei allem Respekt vor der Gewaltentrennung, wäre ein klärendes Wort der Justizministerin oder des Gesamtbundesrats nützlich. Das Parlament steht vor einem heiklen Entscheid bei der Lauber-Nachfolge.

Zu wünschen wäre eine Persönlichkeit, die vor allem Ruhe in die Behörde bringt und nicht für neue Spektakel sorgt. Im Falle der MROS stehen auch das Bundesamt für Polizei (Fedpol) und seine Direktorin Nicoletta della Valle in der Pflicht.


Balz Bruppacher 515

Balz Bruppacher (Bild oben) hat 1976 sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen mit dem Lizenziat abgeschlossen. Nach einem Volontariat und einer Korrespondententätigkeit bei der Nachrichtenagentur DDP war er 1981 am Aufbau des Schweizer Dienstes der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) beteiligt. Von Ende 1983 bis Januar 2010 leitete er diesen Dienst als Chefredaktor in Bern. Danach war er im Mandatsverhältnis für verschiedene Zeitungen der NZZ-Gruppe sowie als MAZ-Dozent tätig. Im Jahr 1991 wurde er für eine Artikelserie zum Thema Geldwäscherei mit dem Schweizer Journalistenpreis der Mustermesse Basel ausgezeichnet. Sein Buch «Die Schatzkammer der Diktatoren» (Bild links) ist in diesem Frühjahr im NZZ Libro Verlag erschienen. 

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