Den Lockdown haben viele Family Offices dazu genutzt, ihre Strategien zu überdenken, wie Kendris-Präsident Adrian Escher im Interview sagt. Dabei stellte sich heraus, dass kleine und mittlere Family Offices im Aufbau einer soliden und robusten Governance noch Nachholbedarf haben.


Herr Escher, wie hat Corona die Family Offices beeinflusst?

Die Pandemie hat sich wie ein Brandbeschleuniger ausgewirkt und vermögende Familien sowie deren Family Offices vor neue und in diesem Ausmass noch nie gesehene Risiken gestellt.

Die Zeit des Lockdowns haben viele Institute dazu genutzt, ihre Strategien zu überdenken. Dabei stellten sich viele Family Offices auch Fragen für die Zeit nach der Pandemie.

Was wird anders?

Grosse und bereits über Generationen funktionierende Family Offices verfügen zumeist über entwickelte und austarierte Governance-Strukturen. Kleinere und mittlere Family Offices hingegen haben im Aufbau einer soliden und robusten Governance oft noch Nachholbedarf. Aufgrund der Risiken und Einschränkungen während der Pandemie erkannten sie viel stärker die Notwendigkeit, nun nachzurüsten.

«Dieses Know-how geht sehr weit über Universitätsprogramme hinaus»

Zudem ist mit jedem Übergang auf eine neue Generation der Diversität in den verschiedenen Organen eines Family Offices Rechnung zu tragen.

Wie stellen globale Familien die Kompetenz der nächsten Generation sicher?

Dieses Know-how geht tatsächlich weit über Universitätsprogramme hinaus, zumal es sicherstellen soll, dass die verantwortlichen Mitglieder der Familie diverse Fähigkeiten beherrschen: eine Bilanz lesen können, Nachfolgeinstrumente wie Trusts und Stiftungen verstehen oder Soft Skills entwickeln, um erfolgreich zu verhandeln und zu kommunizieren.

Die nächste Generation, Neudeutsch auch «NextGen» genannt, muss auch gezielt an Anlagethemen, Impact Investing oder Philanthropie herangeführt werden.

Welche direkten Auswirkungen hatte Corona auf die Vermögensverwaltung?

Selbstverständlich haben die Marktverwerfungen die Prioritäten durcheinandergewirbelt. Mit deutlich mehr Licht nun im Covid-19-Tunnel verändert sich der Fokus in Richtung Wahrnehmung von Opportunitäten, welche die Krise über alle Anlageklassen geschaffen hat.

Nämlich?

Im Aktienbereich gehören Titel von Technologiefirmen, Nahrungsmittel-Herstellern, Konzerne, die von riesigen Infrastruktur Projekten profitieren, dazu sowie gut geführte Unternehmen mit einem starken Geschäftsmodell, die im Moment unterbewertet sind.

Wie können Family Offices ihr Vermögen sicher und gleichzeitig rentabel investieren?

Für die langfristige Vermögenserhaltung steht unverändert die strategische Allokation im Zentrum. Innerhalb der Anlageklassen wird Private Equity zu einem bedeutenden Treiber der langfristig angepeilten Renditen.

Und es geht noch weiter: Diverse hochverschuldete Unternehmen werden sich von Perlen trennen, welche für Family Offices gute Einstiegschancen bieten. Sogenannte Distressed Assets werden ein höchst interessantes Feld für gut positionierte und vernetzte Family Offices werden.

Können Sie das noch etwas genauer erklären?

Wir sehen eine deutliche Zunahme von Co-Investments, bei denen eine Familie mit nachhaltigem Erfolgsausweis in einer spezifischen Branche den Lead im Due-Diligence-Prozess und beim Aushandeln der Transaktion übernimmt und andere Familien sich dann auch beteiligen.

«Wir bieten aus Gründen der Unabhängigkeit keine Vermögensverwaltung an»

Generell ist auch zu erwähnen, dass eine sichere und langfristig rentable Vermögensanlage immer stärker mit Nachhaltigkeitsthemen korreliert. Entsprechend sind Anlagen aufgrund von Nachhaltigkeitskriterien (ESG) sowie Impact Investing im Vormarsch. Familien wollen vermehrt wissen, wie ihre Anlagestrategie nach ESG-Kriterien abschneidet.

Wie unterstützen Sie Family Offices?

Wir bieten aus Gründen der Unabhängigkeit keine Vermögensverwaltung an, und wir vertreiben auch keine Finanzprodukte. Unser Beitrag, nachhaltige Werte zu generieren, liegt in der Unterstützung eines Family Offices, eine robuste Reporting- und Compliance-Governance aufzubauen und es in allen Belangen der Strukturierung von Vermögen zu unterstützen.

Dazu gehören die Steuer- und Rechtsberatung, Due-Diligence-Projekte, Nachfolgeplanung und eine Organisation, die höchste Vertraulichkeit und Privacy der Familienangelegenheiten sicherstellt.

Bietet der digitale Wandel auch Family Offices neue Chancen?

Absolut, er eröffnet Family Offices die gesamte operative Effizienz einschliesslich Interaktionen mit externen Beratern und Mitgliedern der Familie deutlich zu steigern. Skaleneffekte werden einfacher möglich.

Der digitale Wandel wird auch dazu führen, dass sich ein Family Office geografisch anders aufstellen kann, etwa mit Filialen in Wachstumsmärkten oder in Regionen, wo sich ein Family Office stark engagieren will.

«Wir stellen eine Technologie-Plattform zusammen, die ein Family Office hocheffizient unterstützt»

Vor diesem Hintergrund räumen wir der technologischen Ausrüstung eines Family Offices eine sehr hohe Priorität ein. Bauen wir beispielsweise ein ERP-System, stellen wir eine Technologie-Plattform zusammen, die ein Family Office und dessen Stakeholder in der täglichen Arbeit hocheffizient unterstützt.

Was umfasst eine solche Plattform?

Alle notwendigen Applikationen einer Anlage, also Wertschriften-, Lohn- und Finanzbuchhaltung mit elektronischem Zugriff auf die Hauptbücher, ein vollständig digitalisierter Zahlungsverkehr, die digitale Anlieferung der Transaktionsdaten und Belege durch die Depotbanken, ein konsolidiertes Vermögens-Reporting mit Risikoanalyse sowie eine vollständig integrierte Fatca- und CRS-Reporting-Werkbank.

Integriert wird zudem das gesamte CRM-System mit elektronischem DM-System. Zu einem sicheren Cloud-Computing gehören schliesslich ein laufendes Offsite-back-up-Protokoll sowie die Cyber Security als Teil des Business Continuity Plans, der seit Corona umso wichtiger geworden ist.


Adrian Escher ist ein Gründungsmitglied der Firma Kendris und wurde im September 2018 zum Präsidenten des Verwaltungsrates ernannt, nachdem er ab 2010 als Chief Executive Officer verantwortlich zeichnete. Vor Kendris war er Partner bei KPMG Schweiz und Mitglied des Executive Committees von KPMG private, eine auf internationale Privatkunden spezialisierte Gesellschaft der KPMG Schweiz. Er hat mehrere Schlüsselmärkte von Kendris entwickelt und berät Unternehmer, Privatpersonen, Familien und Family Offices bei der Strukturierung und Verwaltung von Vermögen sowie bei komplexen grenzüberschreitenden Investitionen und Transaktionen.

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