Die Finanzbranche sei ein wichtiges, aber letztlich nur ein Rad von vielen, die bewegt werden müssten, wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen, sagt Christel Rendu de Lint von Vontobel im Interview.


Frau Rendu de Lint, was hat Sie dazu bewegt, in der Asset-Management-Branche tätig zu werden?

Ich komme aus dem Bereich der Makroökonomie. Es war und ist immer noch meine Leidenschaft, makroökonomische Entwicklungen zu verstehen, zu analysieren und schliesslich zu versuchen, sie zu antizipieren. Aufbauend auf diesem akademischen Hintergrund und meiner ersten Berufserfahrung als Wirtschaftswissenschaftlerin bei Morgan Stanley wollte ich meine Ansichten in der Praxis an den Märkten auf den Prüfstand stellen.

Was mich darüber hinaus zur Asset-Management-Branche hingezogen hat und mich dort fest verankert, ist die ständige intellektuelle Herausforderung, die die Märkte bieten sowie die Transparenz und Objektivität der Ergebnisse. Die Performance kann in Echtzeit gemessen und quantifiziert werden. Der Vermögenszuwachs ist das objektive Resultat des Anlageerfolgs.

London oder Zürich: Welches sind die jeweiligen Vorzüge der beiden Städte als Asset-Management-Standorte?

London ist neben New York weiterhin der grösste internationale Finanzplatz der Welt. Viele Finanzdienstleister sind vor Ort tätig, inklusive Asset Managers. Beide Standorte profitieren von guten Universitäten und Schulen und sie verfügen über internationale Flugdrehkreuze mit weltweiter Anbindung.

All das trifft – bis auf die Grösse – auch auf Zürich zu. Wir haben in der Schweiz und vor allem in Zürich viele grosse institutionelle Investoren. Mit der SwissRe ist beispielsweise der zweitgrösste Rückversicherer der Welt hier ansässig. Zürich ist Hauptsitz globaler Banken wie UBS und Credit Suisse. Wir haben in Zürich und in der Schweiz weltweit angesehene Universitäten und gute Schulen. Zürich ist eine der attraktivsten Städte der Welt mit einem internationalen Mindset. Als Schweiz sind wir aufgrund unserer Grösse seit jeher global ausgerichtet und Service orientiert. Es reichte nie aus, nur das eigene Land, den eigenen Markt zu kennen.

Hinzu kommt die berühmte Stabilität der Schweiz. Wir stehen weltweilt für stabile politische Rahmenbedingungen und hohe Sicherheit. Unsere Regulatorik ist auf höchstem globalem Niveau. Wir orientieren uns immer an den besten internationalen Standards.

Und als Arbeits- respektive Lebensmittelpunkte?

Die Schweiz und Zürich sind attraktiv für Mitarbeitende aus aller Welt. Nochmals: Wir haben sehr gute Schulen. Unsere Universitäten geniessen Weltruf. Ausserdem verfügt Zürich über eine hohe Lebensqualität mit seinem breiten Kultur- und Freizeitangebot sowie dem See und den Bergen in der Nähe. Ich bin letztes Jahr selbst zugezogen und schätze die unkomplizierte Stadt mit ihrer guten Infrastruktur und den kurzen Wegen.

Was fehlt dem Schweizer Finanzplatz, um in der Asset-Management-Produktion noch wettbewerbsfähiger zu werden?

Wir müssen die Vorteile des Standortes Zürich noch mehr nach vorne stellen und allfällige Vorurteile ausräumen. Vontobel macht diesbezüglich gute Erfahrungen und stellt Investment- und andere Experten aus aller Welt am Standort Zürich ein.

Welches sind Ihre Leitsätze als Investment-Managerin?

Als Investorin war ich stark Top-Down-makroorientiert. Mein Hauptaugenmerk und mein Mehrwert lagen auf Allokationsansichten. Dementsprechend war ich immer sehr auf Liquidität bedacht, um nicht in Asset-Allocation-Entscheidungen «gefangen» zu sein und um meiner Rolle als aktive Managerin gerecht zu werden. Ausserdem legte ich grossen Wert auf die Risikoanalyse und -modellierung, insbesondere auf die Frage, wie man der Tatsache Rechnung tragen kann, dass die Segmente der festverzinslichen Wertpapiere sehr unterschiedliche Liquiditätseigenschaften aufweisen.

Natürlich legte das gesamte Team auch grossen Wert auf fundamentale Bottom-up-Analysen sowie auf die Analyse des relativen Werts, was bei festverzinslichen Wertpapieren von entscheidender Bedeutung ist.

Heute manage ich kein Portfolio mehr, sondern unterstütze unsere Portfolio-Manager als Deputy Head Investments, der Einheit, die mit ihren rund 300 weltweit tätigen Expertinnen und Experten für das Anlage Knowhow von Vontobel stehen. Für meine neue Aufgabe sind Transparenz und Kommunikation die wichtigsten Leitsätze.

Ist die Finanzbranche tatsächlich der geeignete Partner, um die SDG-Ziele der UN und die Klimaziele von Paris zu erreichen?

Die Finanzbranche ist ein wichtiges, aber letztlich nur ein Rad von vielen, die bewegt werden müssen, wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen.

Durch die Allokation der Mittel kann der Einfluss der Finanzbranche beziehungsweise der Anleger massgeblich sein. Die Anleger entscheiden, wer ihr Geld für weiteres Wachstum kriegt.
Wer wirklich einen Unterschied machen will wird nicht darum herumkommen, sich aktiv und intensiv mit seinen Investitionen auseinanderzusetzen. Passive Investments unterstützen nur den Durchschnitt. Mit aktiven Investments kann man zielgerichtet im Sinne von Paris investieren.

Wo sehen Sie das Anlagethema Sustainability in drei Jahren?

Es ist bestimmt keine Modeerscheinung. Das Thema wird zur Normalität und uns täglich begleiten. Nachhaltiges Handeln wird so normal sein, wie wir heute ganz selbstverständlich bei einer roten Ampel nicht die Strasse überqueren und so für die Kinder ein gutes Vorbild sind.

Wie leben Sie Nachhaltigkeit privat?

Indem ich meinen Kindern im Teenageralter hinterherlaufe, damit sie das Licht ausmachen. Spass beiseite, indem ich von Anfang an Abfall minimiere, wiederverwende, wiederverwerte und kompostiere. Darüber hinaus war ich in meiner Jugend aus Tierschutzgründen ein früher Veganer. Ich bin es nicht mehr, vielleicht wegen einiger zu attraktiver Weinkombinationen, aber ich habe einen minimalen Fleischkonsum, und meine Kinder und mein Mann sind mit allen Alternativen zu Fleisch vertraut, einschliesslich Insektenburgern.

Was möchten Sie in Ihrer professionellen Karriere noch erreichen?

Ich möchte weiterhin so begeistert und intellektuell herausgefordert sein, wie ich es in meiner gesamten Laufbahn sein durfte. Ich möchte dazu beitragen, den anhaltenden Erfolg unserer Anlageteams und von Vontobel fortzuführen oder gar noch weiter zu verbessern.

Was hätten Sie gerne doch getan, was Sie wegen Ihrer Karriere ausgelassen haben?

Klavierspielen und die italienische Sprache habe ich nie gelernt…

Wie schalten Sie nach einem vollgeladenen Arbeitstag ab?

Ich schalte nicht immer gleich erfolgreich ab! Aber auf jeden Fall mit Zeit für die Familie, Sport und dem Lesen von Büchern, die nichts mit dem Geschäft zu tun haben, um die Seele baumeln zu lassen.


Als Deputy Head of Investments und Mitglied des Global Executive Board bei Vontobel ist Christel Rendu de Lint verantwortlich für die Sustainable Equities Boutique und die Wealth Management Investment & Thematics Boutique. Zudem leitet die promovierte Ökonomin die Teams Investment Services & Performance. Ihre Karriere startete sie bei der US-Bank Morgan Stanley im Aktienresearch. Im Mai 2021 stiess sie von der Union Bancaire Privée kommend zu Vontobel.

Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.

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