Der Krieg in der Ukraine treibt die Entflechtung der Weltwirtschaft voran. Diese Trendumkehr hat konkrete Auswirkungen auf die Geldpolitik, stellt nun Nationalbank-Präsident Thomas Jordan fest.

Noch steht die Welt erst am Anfang der neuen Entwicklung, aber diese ist in den Grundzügen schon erkennbar. Zuerst war da die Pandemie und die damit einhergehende Problematik der Versorgungssicherheit und unterbrochener Lieferketten. Seit gut zwei Monaten ist die Weltgemeinschaft konfrontiert mit einer forcierten Fragmentierung der Wirtschaft, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine.

Die zwei sich zeitlich überlappenden Ereignisse – die Pandemie und der Krieg – stellen die Globalisierung der Wirtschaft unmittelbar in Frage und verlangen auch nach einer Neuevaluation der jüngeren Entwicklungen in der Geldpolitik, wie Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), in seiner Rede vor der SNB-Generalversammlung in Bern am (gestrigen) Donnerstag ausführte.

Deglobalisierung befeuert die Inflation

Auch der Sicht des Notenbankers ist dabei das eine definierende Element der anlaufenden Deglobalisierung die Rückkehr der Inflation. Statt, dass die Produktion sich den günstigsten Ort sucht und die Preise tief halten, verlangt die Absicherung von Lieferketten und der Ausschluss von gewissen Wirtschaftsräumen aus dem globalen Handel den Aufbau von neuen Produktionskapazitäten an Orten, die nicht wegen dem Faktor Preis ausgewählt werden:

«Mit weniger Arbeitsteilung aufgrund einer Fragmentierung der Weltwirtschaft würden die Produktionskosten für viele Güter wieder ansteigen», wie Jordan bemerkte, im Konjunktiv, da seine Ausführungen nicht in einem abschliessenden Sinn erfolgten.

Preistreibend wirken zudem der schnelle und vor allem massive Aufbau von militärischen Kapazitäten im Westen sowie die Umstellung der Energieversorgung. Der Bezug von Energieträgern wie Gas von anderen Herstellern als Russland und der Ausbau einer Infrastruktur zur Nutzung von alternativen Energiequellen wie Wind, Solar und Wasser kosten viel Geld.

Auswirkungen auf die Geldpolitik

Obwohl Jordan in seiner Einschätzung der Lage naturgemäss vorsichtig blieb, sind die Folgerungen relativ klar, die sich aus der Fragmentierung der Weltwirtschaft ergeben: «All dies bedeutet, dass sich die Geldpolitik häufiger und intensiver der Inflationsbekämpfung widmen müsste, als dies in den letzten Jahren der Fall war», so Jordan.

Die entwickelten Länder konnten sich dank den tiefen Inflationszahlen der vergangenen Jahre, welche eine direkte Folge der Integration der Weltwirtschaft waren, viel unmittelbarer auf Konjunkturfragen konzentrieren. So griffen die Zentralbanken gerade in der Anfangsphase der Pandemie mit grosszügigen Geldspritzen der Wirtschaft unter die Arme. Sie nutzten ihr neues und breiteres Instrumentarium, das sie im Zuge der Globalisierung erarbeitet hatten, um zur Stabilisierung der Wirtschaft beizutragen, wie Jordan ausführte.

Wertet sich der Franken weiter auf?

Ob diese unkonventionellen Massnahmen weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden hängt letztlich von der Frage ab, ob das sogenannt neutrale Zinsniveau nun wieder ansteigt. Das neutrale Zinsniveau ergibt sich aus dem Angebot an Spargeldern und der Nachfrage nach diesen Geldern für Investitionszwecke. Das Niveau sank im Zuge der Globalisierung und dem wachsenden Wohlstand. Sollte nun aufgrund einer sich fragmentierenden Weltwirtschaft weniger Spargeld für Investitionen zur Verfügung stehen, könnte das neutrale Zinsniveau steigen und damit das Instrumentarium der Zentralbanken beeinflussen.

Im unmittelbaren Kontext stellt sich für die Schweiz nun die Frage, wie weit sich der Franken noch aufwertet, nachdem er nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine schon mit der Parität zum Euro geflirtet hat. Wie der gestrige Quartalsausweis der SNB zeigte, bescherte der Anstieg des Franken im ersten Quartal des Jahres der Bank einen massiven Verlust von 32,8 Milliarden Franken, weil die Anlagen im Fremdwährungen in Schweizer Franken an Wert verloren.

Eine weitere Aufwertung verbunden mit einer Korrektur an den Märkten verhiesse nichts Gutes für die Bilanz der SNB.

Frankenaufwertung hilft gegen Inflation

Jordan betonte an seiner heutigen Rede, dass die SNB die Aufwertung des Frankens «ganz bewusst zugelassen» habe, weil eben die Inflation im Ausland deutlich höher als in der Schweiz sei. Und weil deshalb die Wirtschaft einen nominal stärkeren Franken verkraften könne: «Das Zulassen der Aufwertung hat uns geholfen, die Inflation in der Schweiz vergleichsweise tief zu halten», so Jordan.

Es scheint mittlerweile relativ klar, dass die Inflation international betrachtet nach oben tendiert und sich durch Zweitrundeneffekte verfestigt, zumindest in manchen Ländern. So haben unter anderem das Fed und die Bank of England erste Zinserhöhungen vorgenommen und die EZB deutet zumindest an, dass sie sich eine erste Erhöhung schon im Juli vorstellen kann.

In der Schweiz sind die Währungshüter noch nicht so weit, auch weil die mittelfristigen Inflationsprognosen nach wie vor günstig sind. Sollte aber der Inflationsdruck auch in der Schweiz stärker und breiter werden, so Jordan, wird die SNB nicht zögern, Massnahmen zur Gewährleistung der Preisstabilität zu ergreifen.

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