In einer Serie unterhalten sich Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange, und Claude Baumann von finews.ch über brisante Themen aus der Finanzwelt.

Christian_Katz_CB_4

Herr Katz, die Manipulation des Geldmarktzinses Libor hat dem britischen Finanzkonzern Barclays die oberste Führungscrew und eine happige Busse von fast einer halben Milliarde Dollar gekostet. Was haben Sie sich gedacht, als Sie davon gehört haben?

Dass sich damit einmal mehr zeigt, wie komplex so grosse Organisationen sind. CEO Bob Diamond habe bei seiner Anhörung denn auch von einem «verwerflichen Verhalten» gesprochen, über das er nicht im Bilde gewesen sei.

Ist es richtig, dass Diamond, sein Stellvertreter sowie der Verwaltungsratspräsident von Barclays gehen müssen und eine happige Busse anfällt?

Darüber lässt sich diskutieren. Der Vorfall unterstreicht einerseits, welche Bedeutung der Libor (London Interbank Offered Rate) als Referenzsatz für die Finanzwelt hat. Und andererseits muss man sich nun fragen, ob es noch der heutigen Zeit entspricht, wie dieser Massstab täglich zustande kommt.

Nämlich?

Jeden Morgen melden in London 16 Banken jenen Zinssatz, zu dem ihnen andere Banken vermutlich Geld ausleihen würden. Die vier höchsten und die vier niedrigsten Meldungen werden ausgeklammert, und aus dem Mittelwert der verbliebenen acht Angaben wird der für den Tag geltende Libor ermittelt. Vielleicht ist das nicht mehr der adäquate Weg heute, um diesen Referenzsatz zu bestimmen.

Aber nochmals, ist es richtig, dass die Top-Manager von Barclays die offenbar nichts von den Manipulationen wussten, nun gehen mussten?

Der Abgang zeigt vor allem zwei Dinge: Erstens, welche Bedeutung der Libor hat, insbesondere für das Pricing von Finanzprodukten, und zweitens, dass die Öffentlichkeit den Bankmanagern nach wie vor nichts verzeiht. Das ist sicherlich ein Ausdruck unserer Zeit respektive eine Erfahrung seit dem Ausbruch der Finanzkrise.

Ist die SIX respektive ist die Schweizer Börse vom Libor-Skandal auch betroffen?

Nein, als Börse nicht. Es ist jedoch möglich, dass es für einzelne Teilnehmer Konsequenzen haben könnte. Bekanntlich ermitteln die Behörden weltweit noch gegen mehr als ein Dutzend anderer Institute. Immerhin führt dieser Prozess dazu, dass die Finanzmärkte weiter diszipliniert werden. Das ist grundsätzlich gut.

Können Sie das genauer erklären?

Transparenz und Sicherheit sind ganz wichtige Kriterien für die Finanzplatz-Infrastruktur. Da hat es keinen Platz für Absprachen oder Preismanipulationen.

Vor wenigen Tagen publizierte die SIX Swiss Exchange die Kennzahlen zum Handel im 1. Semester. Wie läuft das Börsengeschäft?

So verhalten wie in den ersten sechs Monate des laufenden Jahres war es schon lange nicht mehr. Über alle Produkte hinweg sind die Handelsvolumen um gut 20 Prozent gefallen. Das ist allerdings nicht nur in der Schweiz so. Das ist ein europaweites Phänomen.

Und womit hat es zu tun?

Zum einen ist es ein Ausdruck dafür, wie sich die Dynamik der Weltwirtschaft verlangsamt hat. Zum andern hat es mit der Unsicherheit der Anleger zu tun, die sich noch immer in einem, wie ich sage, «red alert»-Modus befinden: Das Vertrauen ist noch nicht zurück. Hinzu kommt, dass die Kosten im täglichen Geschäft für die Marktteilnehmer signifikant gestiegen sind – auf Grund der verschärften Regulierung und den strengeren Compliance-Anforderungen.

Konkret?

Zahlreiche Banken sind heute oft unsicher, welche Abklärungen sie bei einzelnen Kunden treffen müssen, bevor sie ein Geschäft auslösen können. Die strengeren Vorschriften schränken so manche Marktakteure ein und verringern die Liquidität, was wiederum zu grösseren Spreads, mehr Risiko und höheren Kosten führt.

Wird das 2. Halbjahr besser?

Ich muss dem 1. Semester 2012 immerhin zugute halten, dass die Neuemissionen für Strukturierte Produkte an der SIX Swiss Exchange nur 3 Prozent unter dem Vorjahr lagen, und dass der Handel in Bonds 15 Prozent höher war als in der Vorjahresperiode.

Wie geht es weiter?

Eigentlich bin ich verhalten optimistisch, wenn ich mir die heutigen Bewertungsniveaus anschaue, vor allem wenn man noch bedenkt, dass der Aktienmarkt die realwirtschaftliche Entwicklung der nächsten sechs bis neun Monate reflektiert. Oder mit anderen Worten: Ich persönlich sehe einen gewissen Ansatz zur Stabilisierung, der sich aber noch verstetigen muss.

Sie machen auf Zweckoptimismus.

Nein. Ich denke, bis Ende des 3. Quartals 2012 werden wir erheblich mehr wissen. Bis dahin werden verschiedene neue Regularien, ich denke da an MiFID 2 oder an die Abgeltungssteuer, sehr wahrscheinlich beschlossen sein. Das schafft Klarheit. Zudem gehe ich davon aus, dass sich die Nachrichtenlage in den nächsten Monaten beruhigen könnte. Und der Markt könnte dies neu interpretieren, nach dem Motto«No news is good news».


Christian_Katz_Portrait_q_1Christian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie das Joint-Venture Scoach, die europaweit erste spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den europäisch führenden Indexanbieter STOXX, sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 44-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.98%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.02%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel