Prof. Peter V. Kunz kritisiert die Bank Wegelin, sie habe vor der US-Justiz den ganzen Bankenplatz Schweiz angeschwärzt und sich damit Strafmilderung erkauft.

Kunz-3Die härteste Kritik müssen die Teilhaber der Bank Wegelin vom Berner Professor für Wirtschaftsrecht, Peter V. Kunz, gestern im Schweizer Fernsehen einstecken.

In der Sendung «10 vor 10» mutmasste Kunz, die Bank habe sich damit eine mildere Strafe erkauft, dass ihr Senior-Partner Otto Bruderer mit dem Schuldeingeständnis gleich den gesamten Bankenplatz Schweiz anschwärzte.  

«Genau darauf warten die amerikanischen Behörden natürlich»

«Wenn Otto Bruderer zu Protokoll gibt, dass ein solches Verhalten auf dem Schweizer Finanzplatz üblich ist, ist dies eine schlimme Sache für die Schweiz», sagte Kunz, «und zwar unabhängig davon, ob sie stimmt oder nicht.» Darauf hätten die US-Behörden nur gewartet. 

Die amerikanischen Behörden, so Kunz, «können nun geltend machen, dass die Bank Wegelin nur eine von vielen Banken ist – und das ist sicher ein Problem für die übrigen Banken.» 

Der Globallösung einen Schritt näher?

Dazu kommt: In der Vereinbarung verpflichteten sich die Bank, ihre Partner und sämtliche Mitarbeitenden, in der Öffentlichkeit keine Aussagen zu machen, die dem Schuldeingeständnis widersprechen.

Der Schweizer Finanzprofessor an der Georgia State University, Alfred Mettler, sieht die Schweiz mit dem Schuldeingeständnis von Wegelin einen Schritt näher an einer Globallösung auch für die anderen Schweizer Banken, gegen die die US-Justiz ermittelt.

Chancen auf Amtshilfe gestiegen

Mettler betont gegenüber dem «Tages-Anzeiger» die Parallelen zum UBS-Fall: Nicht nur bewege sich die Busse, die Wegelin zu zahlen habe, tatsächlich in der gleichen Grössenordnung wie jene der UBS, ohne dass sich letztere schuldig bekennen musste. Die Bank hat sich auch verpflichtet, sämtliche Daten und Unterlagen zu US-Kunden und deren Bankkonten aufzubewahren.

Dafür entschuldigte sich Otto Bruderer, der das Schuldeingeständnis im Namen von Wegelin unterschrieb, nicht bei der US-Justiz, anders als dies Mark Branson (heute bei der Finma) damals im Namen der UBS tat. 

Auch Wegelin liefert Kundendaten aus

Anders als die UBS setzte Wegelin aber durch, dass sie Kundenunterlagen nur im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens aushändigt – nicht mit Hilfe von Notrecht. Die USA müssen also Amtshilfe beantragen. 

Die US-Justiz darf aber heute – anders als im Fall UBS – auch in Fällen von Steuerhinterziehung mit Unterstützung von den Schweizer Behörden rechnen, wie das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) gegenüber finews.chbestätigt: «Das neue DBA gilt für Steuerbetrug- und auch für Steuerhinterziehungsfälle ab 23. September 2009, dem Datum der Unterzeichnung.»

 

Mit einem blauen Auge davon gekommen?

Hummler1Bruderer1Der Kommentator der «Neuen Zürcher Zeitung» schrieb in der Freitagsausgabe, die Teilhaber der Bank Wegelin um die geschäftsführenden Partner Konrad Hummler (links im Bild) und Otto Bruderer (rechts) seien «mit einem blauen Auge davon gekommen» – in finanzieller Hinsicht zumindest. 

«Die knapp 74 Millionen Dollar, die an die USA zu zahlen sind, scheinen verkraftbar, zumal allein die Eigenmittel der Bank Wegelin beim Verkauf an die Raiffeisen-Gruppe weit über der Marke von 100 Millionen Franken lagen.»

Reputation der Teilhaber ist zerstört

Allerdings kreidet die NZZ den Teilhabern an, in ihrem unternehmerischen Kerngeschäft versagt zu haben – nämlich im Umgang mit Risiken: «Die Bank hat für einen Pappenstiel ihre Existenz verspielt.»

Im Jahr 2010 erreichten die von amerikanischen Offshore-Kunden verwalteten Vermögen mit 1,2 Milliarden Franken nicht einmal 5 Prozent der von Wegelin betreuten Kundengeldern. Jetzt stellt sich heraus: Dem US-Fiskus sind damit muttmasslich nur läppische 20 Millionen Dollar an Steuereinnahmen entgangen. Dafür schlitterte die 1741 gegründete und Privatbank in den Untergang. 

Krasse Fehleinschätzung des Managements

Die NZZ, in deren Verwaltungsrat Konrad Hummler nach wie vor sitzt, hält den Finger auf die Fehleinschätzungen der Teilhaber: «Noch vor Jahresfrist hatte die Bank nach der Einleitung eines Strafverfahrens gegen drei ihrer Mitarbeiter in einer Medienmitteilung verlauten lassen, eine allfällige Anklage gegen sie selbst stelle grundsätzlich keine Gefahr dar.»

Keine drei Wochen später, noch vor der Anklageerhebung in den USA, hätten sie sich genötigt gesehen, die unbelasteten Teile der Bank und damit ihr Lebenswerk an die Raiffeisen-Gruppe zu verkaufen. 

Die drei Wegelin-Berater im Regen

«Le Temps» bemerkt, die Wegelin-Partner hätten mit dem Schuldeingeständnis ihre Reisefreiheit wieder erlangt. Mit Verweis auf einen Insider schreibt die Westschweizer Tageszeitung, dass sie seit Beginn des Strafverfahrens gegen drei ihrer Kundenberater quasi in der Schweiz unter Arrest gestanden hätten. 

Alle Autoren machen darauf aufmerksam, dass die drei Kundenberater, die noch vor der Bank angeklagt waren, mit der Einigung der Bank Wegelin mit der US-Justiz nicht aus dem Schneider sind.

Was heisst das für die anderen Banken?

Die «NZZ Online» fragt sich nach der Bedeutung für die anderen 10 Schweizer Banken, gegen die die US-Justiz ermittelt, die aber nicht angeklagt sind. Dazu gehören etwa die Credit Suisse, Julius Bär sowie die Basler und die Zürcher Kantonalbank.»

Ist das Schuldeingeständnis der Bank Wegelin ein Dammbruch? So würdigt der deutsche «Spiegel» die Einigung: Es sei das erste Mal, dass eine ausländische Bank wegen eines derartigen Steuervergehens in den USA belangt würde. Die «Handelszeitung» bemerkt, dass der Fall Wegelin nicht einfach übertragbar sei.

Am Anfang stand die UBS

Alle Kommentatoren blicken zurück und stellen fest, dass die Aktionen gegen die Schweizer Banken 2007 mit einer Untersuchung gegen die UBS begann. Das Verfahren, in das sich dann auch der Bundesrat einschalten musste, endete damit, dass die UBS 780 Millionen Dollar Strafe zahlte und mit dem Segen des Bundes die Namen von 4'450 US-Kunden herausgab. Andere Banken, darunter Wegelin, boten den Kunden Zuflucht an.

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