Der Abzocker-Initiative folgt die 1:12- Initiative, deren Annahme weit gravierendere Folgen für den Finanzplatz Schweiz hätte, sagt Unternehmensberater Axel May.

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Axel May ist Senior Partner und Geschäftsleitungsmitglied von Hostettler, Kramarsch & Partner.

Herr May, nach wie vor liefern die Boni etliche Schlagzeilen. Wie kommen Sie in Ihrer kürzlich veröffentlichten Untersuchung über Managersaläre zum Schluss, dass die Bonusobergrenze vielerorts schon Realität sei?

Mit Blick auf die politischen Diskussionen zur Bonusobergrenze in Deutschland und Europa haben wir diesen Sachverhalt bei den Schweizer Unternehmen genauer untersucht. Fazit: Diese Praxis ist bei Schweizer Unternehmen üblich. Viele Unternehmen haben einerseits für die direkt ausbezahlten Barboni eine Obergrenze definiert und weisen diese auch aus.

Meistens wird die maximale Kompensation im Vergleich zum Basisgehalt definiert. Die Obergrenze der Barboni – ohne Aktien – liegt durchschnittlich bei 130 Prozent des Grundgehalts, bei einer Streuung von 67 bis 200 Prozent.

Andererseits bestehen auch für aufgeschobene Vergütungselemente Obergrenzen. In der Schweiz liegen sie bei den meisten Firmen für die aktiennahen variablen Vergütungsbestandteile, etwa Performance Shares, bei 200 Prozent der zugespro­chenen Stückzahl. Die aktienbasierte Beteiligung macht mit etwa einem Drittel einen bedeutenden Anteil der Gesamtdirektvergütung von Führungskräften aus.


«Das absolute Lohnniveau ist nicht entscheidend»


Vielerorts heisst es, dass die Schweizer Finanzindustrie so genannte «Talente» nur durch monetäre Anreize anheuern kann. Pflichten Sie dem bei?

Motivationsstudien zeigen, dass für einen Arbeitnehmer das absolute Lohnniveau nicht entscheidend ist. Wichtiger ist, mindestens gleichviel zu verdienen wie der aus subjektiver Wahrnehmung gleich qualifizierte Kollege. Aspekte der Fairness stehen hier im Vordergrund – und diese werden an Bedeutung weiter zunehmen, denn der Trend hin zu mehr Transparenz dürfte auf allen Lohnstufen eher zu- als abnehmen.

Aus diesem Grund spielen monetäre Anreize für die Rekrutierung von Talenten eine wichtige Rolle, auch wenn sie nicht die einzigen Entscheidungsfaktoren sind. Faktoren wie Work-Life-Balance, genügend Freiräume in der Arbeitserledigung oder die Möglichkeit, internationale Erfahrungen zu sammeln, spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.


«Striktere Regeln setzen Standortvorteile aufs Spiel»


Die klare Annahme der «Abzocker»-Initiative hat zu Befürchtungen geführt, dass nun etliche Unternehmen aus der Finanzbranche ihren Sitz ins Ausland verlegen würden, um sich die «Freiheit» in Sache Managerlöhne und -Boni zu sichern. Teilen Sie diese Ansicht?

Nein. So sehr der Regulierungswahn, wie er sich in der Annahme dieser Initiative manifestiert, zu bedauern ist: Für die Standortwahl eines Unternehmens spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle, wie politische Sicherheit, tiefes Steuerniveau, flexible Arbeitsbedingungen und gut ausgebildete Arbeitskräfte. Die Schweiz hat nach wie vor viele attraktive Standortvorteile zu bieten. Allerdings werden diese Vorteile durch striktere Regulierungen zunehmend aufs Spiel gesetzt.

Es heisst, dass die von der Abzocker-Initiative nicht betroffene Private-equity-Branche Profiteur von einem möglichen Frust unter gutbezahlten Banker sein könnte. Erwarten Sie nennenswerte «Transfers» von Bankern Richtung Private-equity-Industrie?

Solche Transfers sind nicht auszuschliessen. Wie viele es sein werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig zu beurteilen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch diese Branche zunehmend stärker reguliert wird. Ein Beispiel ist die AIFMD, die der Geschäftsleitung und den Managern im Alternative Investment Fund-Segment klare Vergütungsregeln diktiert.


«Höhere Fixlöhne sind nicht im Interesse der Aktionäre»


Und was halten Sie von den Prognosen, dass in der vielkritisierten Finanzbranche einfach eine Verlagerung von den Boni zu den Fixlöhnen eintreten wird?

Einige Banken haben schon angekündigt, die Fixgehälter künftig zu erhöhen. Insofern ist es durchaus möglich, dass sich dieser Trend materialisiert. Fraglos wird die Flexibilität in schlechten Zeiten damit eingeschränkt. Im Interesse der Aktionäre kann das natürlich nicht sein, dann wären wir ja wieder am Punkt, wo wir vor der Finanzmarktkrise waren.

Das EU-Parlament hat jüngst beschlossen, dass Boni das Grundgehalt nicht übersteigen dürfen. Wie beurteilen Sie das?

Wer meint, dass damit die Vergütungshöhen wirksam begrenzt werden können, irrt. Solcherlei sollte nicht staatlich geregelt, sondern von den Verwaltungsräten in der täglichen Corporate Governance geregelt werden. Im Übrigen gerade bei den Banken gibt es sehr viel wirksamere Hebel, um das Geschäftsgebaren zu beeinflussen, namentlich über strengere Kapitalvorschriften.


«Die Kehrseite der aufgeschobenen Vergütung»


Im Zusammenhang mit dem Wechsel von Investmentbanker Andrea Orcel zur UBS ist auch die Antrittsentschädigung zum Thema und heftig kritisiert worden. Ist das die Antwort der Finanzbranche auf das Ja zur Abzocker-Initiative?

Vergütungsthemen sind auch schon vor dem Ja zur Abzockerinitiative heiss diskutiert worden. Solche Entschädigungen zum Stellenwechsel sind heute verbreitet, nicht nur im Bankensektor. Sie sind die Kehrseite der zunehmenden aufgeschobenen Vergütung. Meistens werden ja im Risiko stehende Aktienpakete des alten Arbeitgebers auf den neuen übertragen.

So lange die Risikoparameter gleich bleiben, ist dagegen wenig einzuwenden. Dann können diese Zahlungen auch als «Investition» betrachtet werden. Schlüsselmanager können nun mal nur mit gleichwertigen Angeboten aus laufenden Verträgen herausgekauft werden. Mit der Annahme der Abzockerinitiative steht nun der Gesetzgeber in der Pflicht, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Banker mit fürstlichen Boni haben auch kräftig konsumiert. Erwarten Sie eine Rückwirkung auf die Auto-, Luxusgüter- und Tourismusindustrie, wenn die Boni künftig gedeckelt werden?

Nein, das glaube ich nicht.


«Für den Finanzplatz ein grosser Nachteil»


Dem Schweizer Stimmvolk steht noch die 1:12-Initiative der Jungsozialisten bevor. Welche Folgen hätte eine Annahme oder auch nur eine knappe Ablehnung dieser Initiative für den Finanzplatz Schweiz?

Die Annahme hätte klar schwerwiegendere Folgen als die Initiative gegen die Abzockerei. Sie wäre gerade für den Finanzplatz Schweiz ein grosser Nachteil. Womöglich werden die Fixgehälter ansteigen und eine derart unflexible Kostenstruktur würde der exportabhängigen Schweiz insbesondere in konjunkturschwachen Phasen einen Wettbewerbsnachteil bescheren.

Ausserdem ist unklar, wie eine solche absolute Regelung umgesetzt werden könnte. Zudem gehen betreffend Art der Bonusobergrenzen die Meinungen weit auseinander, wie wir aus einer Studie von Demoscope wissen, die im Auftrag von hkp jährlich durchgeführt wird.


Axel May gilt als Fachmann für Risiko- und Finanzmanagement. Nach mehr als 17 Jahren in leitenden Funktionen im Finanz- und Risikobereich, unter anderem bei der Deutschen Bank und der Allianz in Deutschland sowie Grossbritannien und zuletzt als Chief Financial und Risk Officer bei der Vontobel Holding, entschied er sich, 2010 als Partner bei Hostettler & Partner unternehmerisch tätig zu werden.

In der Finanzbranche gilt Axel May als Experte auf den Gebieten risikoadjustierter Unternehmenssteuerung und Corporate Governance.

 

 

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