Anthony DeChellis, der frühere Chef für das US-Private-Banking der Credit Suisse, hat gegenüber den amerikanischen Behörden schwere Vorwürfe gegen die Schweizer Grossbank erhoben. Es geht um Kundengelder der früheren Clariden Leu.

Alles in allem enthält dieser jüngste Fall genügend Potenzial, um der Credit Suisse (CS) erheblich zu schaden. Wie im früheren Fall der UBS und ihres früheren Mitarbeiters Bradley Birkenfeld ist es auch diesmal ein amerikanischer Mitarbeiter, der die US-Behörden über angebliche Unregelmässigkeiten innerhalb der Bank informiert hat.

Damit verfügt die US-Justiz über einen «Kronzeugen» und damit über beträchtliche Druckmöglichkeiten, die für die CS höchst unangenehm werden könnten.

Probleme mit Clariden-Leu-Konten

Der aktuelle Fall datiert aus dem Jahr 2013. Damals, am 29. Januar, hatte Anthony «Tony» DeChellis (Bild) in einem Email seinem Co-Chef Robert Shafir mitgeteilt, dass es im Zusammenhang mit Kundengeldern der früheren CS-Tochter Clariden Leu Probleme gebe, die zu lösen seien, wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel kostenpflichtig) am Donnerstag berichtet.

Offenbar ging es dabei um Transaktionen, mit denen Steuern hinterzogen und Ergebnisse geschönt wurden. Diese Verdachtsmomente waren auch Thema der jüngsten Anhörungen vor einem Ausschuss des US-Senats im vergangenen Februar (2014), wo das Top-Management der CS aufgetreten war, wie auch finews.ch berichtete.

Untersuchung «Valentina»

Rund einen Monat später, am 27. Februar (2013), doppelte DeChellis nach und erklärte Shafir, dass er ein grösseres Probleme (mit dem Fall) habe, das vor dem Risiko-Komitee des CS-Private-Banking erörtert werden müsse. Doch der Amerikaner wurde in der Folge angewiesen, dieses Problem an dem Meeting nicht aufzubringen. Als Reaktion darauf beschloss DeChellis, einen Termin mit Pierre Gentin, dem globalen Chef für Rechtsstreitigkeiten (bei der CS) zu vereinbaren, um die Untersuchung «Valentina» zu erörtern.

Einen Tag darauf, am 28. Februar, erhielt DeChellis ein Email von Ursula Lang, der Chefin des Compliance-Bereichs im Private Banking der CS. Darin schrieb sie, falls Compliance-Probleme auftauchen sollten, müssten diese über die Compliance-Abteilung behandelt werden. In das Email war zu dem Zeitpunkt auch Hans-Ulrich Meister einkopiert, seines Zeichens zusammen mit Shafir oberster Chef des Private Banking bei der CS.

Überraschend abgesetzt

Am 4. März traf sich DeChellis dann mit Pierre Gentin sowie mit Shafir und erfuhr in der Folge, dass er von seinem Posten versetzt werde. Am Tag darauf kündigte die CS dann an, DeChellis trete von seinem Posten zurück und die Bank suche eine neue Aufgabe für ihn, wie auch finews.ch berichtete.

Per 1. April trat dann DeChellis von seinem Psten offiziell zurück und traf sich anschliessend mit Vertretern des amerikanischen Justiz-Departements, wie der «Financial Times» vom Donnerstag weiter zu entnehmen ist. Auf der Lohnliste der CS stand er offenbar noch bis im September 2013; eine neue Rolle innerhalb der Bank nahm er nie auf.

Stellungnahme der Credit Suisse

Mit diesen Informationen konfrontiert erklärte die CS gegenüber der «Financial Times», DeChellis Abgang habe mit Performance-Gründen zu tun und mit einer lange geplanten Reorganisation seines Bereichs zu tun. «Auf Grund einer historischen Underperformance des Geschäfts habe die Credit Suisse lange vor März 2013 entschieden, das Management für die Division Private Banking Americas zu erneuern», lässt die CS gegenüber der britischen Zeitung verlauten.

Weiter erklärte die Credit Suisse gegenüber finews.ch: «Philip Vasan wurde im März 2013 zum neuen Leiter Private Banking ernannt. Er hat in früheren Rollen höchst erfolgreich profitable Geschäfte aufgebaut und verfügt somit über einen ausgezeichneten Leistungsausweis.»

Offenbar sollen die im Artikel erwähnten Dokumente keine neuen Konten amerikanischer Kunden enthalten, wie die Credit Suisse weiter festhält. «Die Dokumente wurden zu einem früheren Zeitpunkt überprüft. Relevante Informationen wurden bereits den amerikanischen Behörden übergeben. Eine erneute Prüfung hat bestätigt, dass die Unterlagen keine neuen Konten amerikanischer Kunden enthalten», sagte ein CS-Sprecher gegenüber finews.ch.

Friktionen zwischen New York und Zürich

Laut «Financial Times» existieren schon seit 2012 erhebliche Friktionen zwischen den Top-Verantwortlichen der CS in Zürich und New York.

So sei DeChellis einer der ersten von mehreren Top-Managern in den USA gewesen, die innerhalb der CS-Privatbank die angeblich von Hans-Ulrich Meister und Rolf Bögli angeordnete Verschiebung von Kundengeldern zwischen den USA und der Schweiz vehement kritisiert hätten.

Grosseinsatz für CS-Juristen

Die Credit Suisse ihrerseits legt Wert darauf, dass sie mit den US-Behörden umfassend kooperiert habe. Seit 2011 habe sie mehr als 700'000 Seiten an Unterlagen zur Verfügung gestellt.

«Unsere Juristen haben sich bisher mehr als 50 Mal mit Regierungsbehörden getroffen, sie in mehr als 250 Stunden mit Details zum Private-Banking-Geschäft unterrichtet und ihnen in tausenden von Stunden hunderte von spezifischen schriftlichen Fragen beantwortet», lässt die CS verlauten.

Zeugen zur Verfügung gestellt

Weiter habe sie Dutzende von Zeugen aus den Vereinigten Staaten und der Schweiz den Behörden für Interviews und Aussagen zur Verfügung gestellt.

«Die Credit Suisse hat mit den Strafverfolgungsbehörden, soweit gesetzlich erlaubt, umfassend kooperiert», betonte ein CS-Sprecher.

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