Die Bank Julius Bär steht plötzlich im Mittelpunkt eines Wirtschaftskrimis. Es geht um Millionen aus der einstigen DDR und um eine Kommunistin, die nicht mehr belangt werden kann – Julius Bär aber schon.

Damit hat Julius Bär nicht gerechnet: Über 20 Jahre lang sind deutsche Behörden mehreren hundert Millionen Euro nachgejagt, die nach dem Fall der Mauer spurlos verschwanden – vergeblich. Nun will sich Deutschland einen Teil des Geldes von der Bank Julius Bär holen.

Denn die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) fordert von Julius Bär das Geld zurück – 135 Millionen Euro insgesamt. Wie finews.ch bereits berichtet hatte, war eine gütliche Einigung im Juni 2014 vor dem Friedensrichter gescheitert.

Deutsch-Deutscher Wiedervereinigungskrimi

Nun hat die BVS am vergangenen Freitag beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen Julius Bär eingereicht, wie ein BVS-Sprecher gegenüber finews.ch bestätigte. Grund der Klage: Die Bank habe nicht verhindert, dass Unbefugte Gelder von Konten abgezogen hätten.

Was juristisch so trocken daherkommt, ist Teil eines deutsch-deutschen Wirtschafts- und Wiedervereinigungskrimis, der ganze Heerscharen von Juristen, Beamten und Fahndern jahrelang auf Trab gehalten hatte.

Die «rote Fini» hielt alle zum Narren

Zeitweise soll sich sogar Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich in die Angelegenheit eingemischt haben: Die Jagd nach den verschwundenen Millionen des DDR-Regimes, genauer der Firma Novum. Diese Firma hatte das DDR-Regime in Östereich gegründet, um Waren- und Devisengeschäfte mit dem Westen einzufädeln. Dafür kassierte Novum Provisionen – am Ende lagen auf den Konten eine halbe Milliarde D-Mark.

Zum Verschwinden brachte sie eine Dame aus der Wiener Gesellschaft namens Rudolfine Steindling (Bild oben), die Alleingesellschafterin der Novum war. Die «rote Fini» war ihr Übername, da sie Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs war.

Sie hatte nach dem Mauerfall das Novum-Vermögen auf Konten von Schweizer Privatbanken verschoben, damit es nicht an Deutschland fallen würde. Dabei legte sie so viel Raffinesse an den Tag, dass das Geld bis heute verschwunden ist.

Banken sollen Helfer gewesen sein

Wie Gerichte später festgehalten haben, liess sie sich die Novum-Millionen nach dem Transfer auf die Schweizer Konten in 51 Tranchen in bar auszahlen und lagerte es in den Safes der Banken. Dann habe sie das Geld in anonymen Sparbüchern und Wertpapierdepots angelegt und die Spuren so ein für allemal verwischt. 2012 starb Steindlinger und nahm ihre Geheimnisse mit ins Grab.

Weil Deutschland der DDR-Millionen immer noch nicht habhaft geworden war, wurde die Taktik geändert. Haftbar gemacht wurden fortan die Schweizer Banken, die der «roten Fini» einst halfen.

Problem von Julius Bär: Cantrade

Wobei Julius Bär eigentlich gar nichts dafür kann, dass das Geld weg ist. Die Klage Deutschlands richtet sich aber gegen sie, weil sie 2005 die Bank Cantrade von der UBS übernommen hatte.

Die Cantrade war eine jener Schweizer Privatbanken, bei denen Steindlinger ihre Konten hatte. Das Finanzinstitut hätte verhindern müssen, dass die Österreicherin die Konten leerte. Als Rechtsfolgerin steht nun Julius Bär in der Schusslinie.

Die Bank Cantrade war offenbar eine der bevorzugten Schweizer Banken der DDR-Mächtigen. Wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schon 1992 auf Basis von Stasi-Berichten geschrieben hatte, war sie auch in Waffendeals verwickelt. Während dieser Zeit war Bruno Gehrig Chef der Cantrade gewesen.

Müsste UBS belangt werden?

Auf die nun eingegangene Klage reagiert Julius Bär mit dem Kommentar, den sie bereits im Halbjahresbericht 2014 aufgeführt hat. Demnach bestreitet sie die Forderungen der BVS. Sie ist wohl der Meinung, dass die UBS belangt werden sollte.

Diese wurde von Julius Bär auch auf die Forderung der Rückzahlung der 135 Millionen Euro aufmerksam gemacht – «im Rahmen der mit Bezug auf die erworbenen Gesellschaften abgegebenen Zusicherungen», wie Julius Bär im Halbjahresbericht schreibt.

Bank Austria musste auch zahlen

Ganz so gelassen wird die Bank aber nicht bleiben können. Denn die neue Taktik der deutschen Behörden ist in einem Fall bereits aufgegangen: Vergangenes Jahr wurde die Bank Austria vom Schweizer Bundesgericht angewiesen, 254 Millionen Euro an Deutschland zurückzuzahlen.

Ihre Tochterbank in Zürich, die 2013 von der IHAG übernommene AKB Privatbank, war neben Cantrade die zweite Bank gewesen, bei der die «rote Fini» ihre DDR-Millionen zuerst parkiert und dann abgezogen hatte.

 

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