Der Genfer Privatbankier Frédéric Rochat warnt davor, dass die Schweiz neue internationalen Standards allzu leichtfertig umsetzt. London und Luxemburg würden sich geschickter verhalten.

In seinem ersten grossen Interview mit einem Deutschschweizer Medium sagt der 39-jährige Frédéric Rochat (Bild): «Die Schweiz hat sich richtigerweise dafür entschieden, die internationalen Standards zu übernehmen, seien das nun der Automatische Informationsaustausch oder das US-Regelwerk Fatca. Bei der Umsetzung sollte sie aber sorgfältig beobachten, wie die wichtigsten Konkurrenten unter den Finanzplätzen vorgehen.»

London und Luxemburg würden sich bei der Umsetzung dieser internationalen Standards äusserst geschickt verhalten und stets peinlich genau darauf achten, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten könnten, so Rochat weiter, der seit Anfang 2012 Teilhaber im achtköpfigen Partnergremium von Lombard Odier ist. In dieser Funktion ist er seither für die Vermögensverwaltung von Privatkunden verantwortlich.

«Man gibt nicht so  schnell nach»

«Ob in London oder Luxemburg – die Regierung steht mit voller Überzeugung hinter ihrem Finanzplatz. Das äussert sich etwa auch darin, dass neun von zehn Meinungsdifferenzen zwischen London respektive Luxemburg und der EU in Brüssel den jeweiligen Finanzplatz betreffen. Man gibt nicht so schnell nach», betont Rochat in dem Interview mit «Handelszeitung online» (Artikel kostenpflichtig) weiter.

Mit Blick auf die Schweiz zweifelt Rochat daran, dass der politische Wille vorhanden ist, hierzulande gute Rahmenbedingungen für die Finanzbranche erhalten zu wollen. «Diesem Anliegen wird meines Erachtens im Moment nicht ausreichend Rechnung getragen», sagt der Genfer, der bereits 2010 zur Bank stiess.

Vertreter einer neuen Generation

Ursprünglich wollte Rochat Arzt werden, studierte dann aber an der Universität St. Gallen (HSG) Volks- und Betriebswirtschaft. Mit der Finanzbranche kam er aufgrund seiner Affinität zu Zahlen in Kontakt, indem er in London bei der amerikanischen Grossbank Goldman Sachs anheuerte. Rochat war für die US-Bank zwölf Jahre im Investmentbanking tätig, darunter zwei Jahre in New York.

Mit seinen 39 Jahren zählt Rochat zu einer neuen Generation von Privatbankiers in der Schweiz. Er selber sieht das so: «Das ist weniger eine Frage des Alters, sondern vielmehr eine Einstellungssache. In der Bankbranche erleben wir derzeit einen epochalen Wandel. Manche Berufskollegen bedauern, dass vieles nicht mehr so ist wie früher, andere wiederum, sind bestrebt, das Geschäftsmodell auf die neuen Herausforderungen auszurichten, sodass unsere Branche auch in Zukunft erfolgreich sein kann.»

Ausbau der IT

Neben der Vermögensverwaltung im Private Banking und dem Asset Management für institutionelle Anleger legt die Bank Lombard Odier heute ein weiteres Gewicht auf den Ausbau ihrer IT-Plattform.

Zwar hätten bereits die Vorgänger im Partnergremium schon vor einem Vierteljahrhundert entschieden, diesem Bereich eine hohe Priorität zugesprochen, doch mittlerweile biete die Bank ihre IT-Services auch anderen Instituten an, zum Beispiel der Schweizer Valiant-Gruppe oder der belgischen Bank Petercam. «Das ist der dritte Pfeiler in unserem Geschäftsmodell. Er leistet nicht bloss einen Ergebnisbeitrag, sondern stärkt auch unsere eigenen Vermögensverwaltungs-Aktivitäten. So finanzieren wir die weitere Entwicklung unserer Bankplattform», sagt Rochat.

Offshore-Banking immer noch attraktiv

Viel Geschäftspotenzial sieht Rochat auch noch im Heimmarkt Schweiz, den mittlerweile aber auch zahlreiche andere Banken bearbeiten. Doch der Genfer stellt dem entgegen, dass hierzulande nun die Karten neu gemischt würden. «Daraus ergeben sich Gelegenheiten.»

Doch bleibt der Schweizer Finanzplatz auch für ausländische Kunden attraktiv? Dazu sagt Rochat: «Davon bin ich überzeugt. Gerade in den Schwellenländern erarbeiten sich immer mehr Menschen durch unternehmerische Aktivitäten privates Vermögen. Diese Leute tendieren ganz natürlich dazu, ihr Geld ausserhalb ihres Wohnsitzlandes verwalten zu lassen. Mit Steuervermeidung hat das nichts zu tun.»

Die Schweiz steht nicht allein da

Mittel- bis langfristig sieht Rochat fünf bis sechs globale Kompetenzzentren für die internationale Vermögensverwaltung. Die Schweiz habe durchaus gute Voraussetzungen, um dazugehören zu können, gerade weil sich in den Schwellenländern vermögende Leute um ihre Sicherheit und um den Erhalt des ehrlich verdienten Wohlstands sorgen würden.

«Sie werden immer das Bedürfnis nach Sicherheit, Kompetenz, Vertrauen sowie nach politischer und wirtschaftlicher Stabilität haben. Genau diese Eigenschaften kann unser Finanzplatz bieten. Diese Werte haben auch im 21. Jahrhundert ihre Anziehungskraft. Allerdings steht die Schweiz mit ihnen nicht allein da, die Konkurrenz ist hart.»

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