Seit dem Steuerstreit mit dem Ausland zweifeln viele Kunden an der Rechtsstaatlichkeit der Schweiz: Das sagt Peter Raskin, Chef der Berenberg Bank Schweiz, im Interview mit finews.ch.

Herr Raskin, wie stark ist Berenberg in der Schweiz gewachsen?

In den vergangenen fünf Jahren haben wird die verwalteten Vermögen in der Schweiz auf mehr als sechs Milliarden Franken verdoppelt. Dies gelang uns hauptsächlich über Kundenempfehlungen und über gute Mitarbeiter.

Was sind für Sie die grössten Herausforderungen hierzulande?

Drei Dinge: Erstens, die Politik muss das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen. Denn die Vorgehensweise der Schweizer Behörden etwa in der US-Steuersache hat viele – vor allem auch nicht betroffene – Anleger irritiert und sie an der Rechtsstaatlichkeit der Schweiz zweifeln lassen. Das Problem war unter anderem, dass man rückwirkend Regeln aufgestellt hat und so viele Kunden ins Messer laufen liess. Seither kommt bei Kundengesprächen oft die Frage auf, ob man der Schweiz überhaupt noch vertrauen kann.

«Schweizer Banken werden mehr Informationen nach Deutschland liefern als umgekehrt»

Auch der vorauseilende Gehorsam der Schweiz ist unnötig. Wenn die Schweiz etwas umsetzt, hat sie die Tendenz zum Überschiessen. Nehmen Sie den Automatischen Informationsaustausch. Schweizer Banken werden beispielsweise wohl mehr Informationen über einen deutschen Kunden an die deutschen Behörden liefern, als deutsche Banken an den eigenen Staat.

Und die dritte Sache?

Der freie Zugang zu den EU-Märkten. Diesen hat die Schweiz trotzt Automatischem Informationsaustausch und Doppelbesteuerungs-Abkommen (DAB) nicht wirklich bekommen.

«Die Schweiz ist zur Passivität verdammt»

Daran ist sie teils selber schuld, da sie sich den Zugang als Gegenleistung nicht garantieren liess. Dies stärkt vor allen den Londoner Finanzplatz, wo man aktiv Finanzdienstleistungen in die ganze EU vertreiben kann. Die Schweiz hingegen ist zur Passivität verdammt.

Was wäre Ihr Rezept dagegen?

Die Schweiz vollzieht immer nur nach und dies nicht autonom. Stattdessen müsste sie Mittel und Wege finden, wie sie ihre Interessen ganz oben einbringen kann. Doch das ist schwierig, da die Schweiz nicht EU-Mitglied ist.

Sie fordern also den EU-Beitritt der Schweiz?

Es muss ja nicht gleich ein EU-Beitritt sein. Eine EWR-Mitgliedschaft würde vermutlich ausreichen.

Wo sehen Sie den Schweizer Finanzplatz in zehn Jahren?

Der Schweizer Finanzplatz wird nicht viel stärker sein als aktuell, und andere werden zulegen können. Die Schweiz als Wiege des Private Banking wird aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die ganzheitliche Betreuung in der Schweiz ist immer noch das Nonplusultra. In London kennt man das (noch) nicht.

Berenberg betreibt auch eine Investmentbank. Weshalb und für wen?

Vor allem für die Kunden im Private Banking, wie Familienunternehmer, Kunden in Kaderpositionen, Unternehmer und so genannte Key Clients. Private Banking ist für uns nicht bloss Verwalten von Vermögen. Private Banking umfasst alles, was mittelbar und unmittelbar Auswirkungen auf das Vermögen des Kunden hat.

«Bei den Grossbanken besteht häufig ein Kommunikationsproblem»

Deshalb bieten wir auch Expertise in Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung, Kapitalmarkttransaktionen, Analyse und Research sowie Beratung bei Firmenübernahmen und -fusionen an. Diese Dienstleistungen beansprucht beispielsweise ein Familienunternehmer, wenn man ihn ganzheitlich betreut.

Damit ist Berenberg eine Universalbank wie die UBS oder die Deutsche Bank.

Ja, aber nicht im klassischen Sinne und mit dem Unterschied, dass Berenberg ein Investmentbanking à la Berenberg, also als Dienstleister und Berater, betreibt. Bei den Grossbanken besteht zudem häufig ein Kommunikationsproblem, da diese Institute in starren Bereichsstrukturen denken.

Könnten Sie das noch etwas genauer erklären?

Ich bezweifle, dass ein Private Banker einer Grossbank zum Beispiel in Frankfurt mal eben schnell den Experten für Fremdkapital-Finanzierung am Standort London anruft, der dem Kunden des Private-Bankers helfen könnte. Wir bei Berenberg hingegen tauschen uns ständig aus. Das ist bei gut 1'250 Mitarbeitern weltweit noch möglich. Ich sage immer: «We are small enough to care».

«So lernen wir Unternehmen besser kennen»

Hinzu kommt, unsere Rechtsstruktur mit den drei persönlich haftenden Teilhabern ist hinsichtlich Entscheide sehr agil und effizient. Wir müssen nicht wie bei den Grossbanken durch Dutzende Gremien schreiten, bis endlich ein Entscheid vorliegt.

Berenberg betreibt auch ein bedeutendes Aktienresearch. Nun behaupten manche Finanzinstitute, mit Analyse und Research liesse sich kein Geld mehr verdienen. Was entgegen Sie diesen Kritikern?

Fundierte Analyse und Research sind die Grundlage. So lernen wir Unternehmen kennen, sprechen mit ihnen darüber, was sie bewegt und können Lösungen erarbeiten. Umgekehrt können wir auch dem Anleger fundiert Auskunft zu einem Unternehmen geben.

Wenn Sie ein erstklassiges Research haben, dann rücken Sie auf den Brokerlisten der institutionellen Investoren ganz nach oben und bekommen entsprechende Aktienorders. Kurzum: Wir investieren in Know-how und bekommen das am Ende des Tages auch bezahlt.

Stichwort Digitalisierung: Wie digital ist Berenberg unterwegs?

Was unserer Kundschaft wichtig ist, ist der persönliche Kontakt zu unseren Beratern. Das steht ganz oben an. Digitale Angebote über unsere Website oder über Apps runden das Angebot ab.

«Wir kamen nicht aus steuerlichen Motiven in die Schweiz»

Mit diesen Dienstleistungen kann unsere Klientel etwa Analysen lesen oder Vermögensdaten in Realtime beziehen. Selber Wertschriften-Aufträge einzugeben, ist, wie wir feststellen, kein Bedürfnis – selbst bei unserer jüngeren Kundschaft nicht.

Ende August feiert die Bank Berenberg ihr 425-jähriges Bestehen. Inwiefern spielt die Tradition bei der Kundenakquise überhaupt noch ein Rolle?

Unsere Tradition wird von potentiellen Kunden, gerade im internationalen Bereich, sehr geschätzt. Sie schafft Vertrauen und öffnet Türen.

Einige Auslandbanken – namentlich deutsche Banken – haben sich in den vergangenen Jahren aus der Schweiz verabschiedet. Die Bank Berenberg hingegen ist seit 26 Jahren hier und hat ihren Standort sogar stetig ausgebaut.

Das liegt daran, dass wir von Anfang an nicht aus steuerlichen Motiven in die Schweiz kamen, sondern wegen der hohen Diskretionskultur hierzulande. Sehr vermögende Kunden haben aus verschiedenen Gründen ein solches Diskretionsbedürfnis.

Dies hat nichts mit dem ohnehin durchlöcherten Bankgeheimnis für ausländische Kunden in Steuersachen zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie man in der Schweiz Diskretion lebt.

Inwiefern?

Die Bankleute hierzulande sind anders getrimmt. Sie reden nicht über die Kunden. Hinzu kommt, dass der unberechtigte Zugriff auf Kundendaten in der Schweiz weit schwieriger ist als beispielsweise in Deutschland. Für die Schweiz spricht auch der grosse Pool an Fachkräften.

«Wir erhalten sehr viele Bewerbungen»

Darüber hinaus internationalisiert sich das Private Banking zunehmend. Das erfordert Mitarbeiter, die international vernetzt sind und global denken. Und solche Banker finden wir vor allem in der Schweiz. Deshalb betreiben wir auch das internationale Private Banking neben London insbesondere aus Zürich und Genf heraus.

Berenberg Schweiz beschäftigt aktuell 87 Mitarbeiter. Bestehen diesbezüglich auch noch Ausbaupläne?

Wir haben das Glück, dass wir viele Bewerbungen von Kundenberatern erhalten. Das hat mit unserer Unternehmensphilosophie zu tun. Wir sind eine Bank, die unternehmerisches Denken einfordert und Mitarbeitern grosse Freiräume bei der Umsetzung der Vorgaben bietet. Gerade dies spricht viele Leute an. Denn oft ist ihnen das Korsett der Grossbanken zu eng geworden.

Sind Akquisitionen ein Thema?

Auch hier werden wir von vielen Vermögensverwaltern und kleineren Privatbanken angegangen. Unser Ziel ist es jedoch, organisch wachsen. Damit waren wir sehr erfolgreich, zumal die eigene Unternehmenskultur so nicht verwässert wird.


Peter Raskin (Bild) kam im September 2009 als Vorsitzender der Geschäftsführung zur Berenberg Bank (Schweiz), wo er das internationale Private Banking ausbaute. Im Mai 2013 wurde er zusätzlich zum Leiter des ‹International Private Banking› der gesamten Berenberg-Gruppe ernannt; seit April 2014 ist er für die gesamten Private-Banking-Aktivitäten von Berenberg verantwortlich. Der promovierte Jurist und Bankkaufmann begann seine Karriere im Jahr 2000 bei der BHF Bank (Schweiz), wo er zuletzt Mitglied der Geschäftsführung war.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.71%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.18%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.46%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.44%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.22%
pixel