Dass Tidjane Thiam heute die Credit Suisse leitet, beruht nicht nur auf den Kontakten, die er mit der Schweizer Grossbank über viele Jahre pflegte. Sondern, dass er anderswo nicht handelseinig wurde.

Die Finanzwelt spekuliert bereits heftig, wie die neue Strategie der Credit Suisse (CS) beschaffen sein wird, die am 21. Oktober präsentiert werden soll. Zweifelsohne wird Konzernchef Tidjane Thiam (Bild) ein grosses Zeichen setzen, denn die jetzige Strahlkraft wird er später nie wieder haben.

Das lässt sich auch aus den Informationen schliessen, die bereits an die Öffentlichkeit durchgesickert sind: So soll es zu einer substanziellen Kapitalerhöhung kommen, ebenso zu einer konzernweiten Regionalisierung der Organisation sowie zu Personalkürzungen. Ausserdem könnte Thiam die Voraussetzungen für eine Grossübernahme schaffen. Vieles deutet also darauf hin, dass der CS-CEO ein neues Kapitel in der Schweizer Bankengeschichte aufschlägt.

Andere Optionen

Das ist insofern bemerkenswert, als dass Thiams Karriereschritte bis zuletzt auch einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können, wie Recherchen von finews.ch ergaben.

An der Medienorientierung der Credit Suisse im vergangenen März, als sich Thiam mit einem eindrücklichen Auftritt der Presse vorstellte, sprach er von seiner langen geschäftlichen Beziehung zur Credit Suisse; einerseits davon herrührend, dass er als einstiger McKinsey-Berater und später als CEO des britischen Versicherungskonzerns Prudential immer wieder mit Vertretern der Schweizer Grossbank zu tun gehabt hätte.

Thiam unterstrich dabei auch, dass ihn mit seinem Vorgänger bei der CS, Brady Dougan, eine lange Freundschaft verbinde.

Meinungsverschiedenheiten mit dem Präsidenten

Soweit so gut. Wie Recherchen von finews.ch in Londoner Headhunter-Kreisen ergaben, war Thiam im vergangenen Jahr schon eine ganze Weile auf dem Jobmarkt verfügbar. Offenbar wollte er, trotz seines beachtlichen Leistungsausweises, weg von Prudential, da es dort offenbar zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Verwaltungsratspräsidenten und Branchen-Schwergewicht Paul Manduca gekommen war.

Ein Sprecher der Credit Suisse bestritt am Montag jedoch ein Zerwürfnis zwischen Manduca und Thiam.

Es galt in Londoner Finanzkreisen allerdings als offenes Geheimnis, dass der ivorisch-französische Doppelbürger Thiam vorzugsweise bei einem französischen Grosskonzern angeheuert hätte. Doch das blieb ihm offensichtlich verwehrt.

Selbst beim französischen Versicherungskonzern Axa kam es nicht zu konkreten Verhandlungen, obwohl Thiam dem Axa-Gründer und früheren CEO Claude Bébéar sehr nahe steht und dieser sogar an der Verleihung des Verdienstordens der Ehrenlegion an den heutigen CS-Chef teilnahm. 

Diageo und Novartis

Thiam wäre unter gewissen Umständen auch bereit gewesen, in eine neue Branche zu wechseln. So kam es zu Gesprächen über ein allfälliges Verwaltungsratsmandat beim britischen Getränkehersteller Diageo; kontaktiert wurde Thiam dabei vom Diageo-Präsidenten Franz B. Humer, wie ein Sprecher der CS präzisierte.

Der frühere Prudential-CEO hätte durchaus auch bei einem anderen Schweizer Konzern landen können: Mit dem Basler Pharma-Unternehmen Novartis kam es ebenfalls zu Gesprächen über ein Verwaltungsratsmandat, wo es der dortige Präsident Jörg Reinhardt war, der auf Thiam zuging. Doch dem weiteren Vernehmen nach lehnte Thiam ab.

Reizfigur für viele Aktionäre

Anders bei der Credit Suisse, die dann ins Spiel kam, zumal dort der Handlungsbedarf im vergangenen Jahr immer grösser wurde, nachdem Dougan vom erfolgreichen CEO während der Finanzkrise zusehends zur Reizfigur für viele Aktionäre mutierte. Allerdings musste die CS zunächst noch den Steuerstreit mit der US-Justiz regeln, was im Sommer 2014 dann auch geschah, so dass in der Folge die Nachfolgeregelung definitiv an die Hand genommen werden konnte – und Thiam war zu dem Zeitpunkt mehr als offen für einen Stellenwechsel.

Der Rest ist Geschichte: Thiam wurde Anfang März 2015 von einem sichtlich entspannten Urs Rohner als der ideale Nachfolger von Brady Dougan präsentiert. Wie wichtig diese Personalie für die Bank war (und ist), liess sich auch daran erkennen, dass es sich CS-Ehrenpräsident Rainer E. Gut nicht nehmen liess, den neuen Mann vor versammelten Medien im Schosse der Credit Suisse willkommen zu heissen.

Bezugsperson in Singapur

Einer der ganz wichtigen Strippenzieher in der Akte Tidjane Thiam war indessen Kai S. Nargolwala. Der heute 65-jährige Singapurer stiess 2008 vom britisch-asiatischen Finanzkonzern Standard Chartered zur Credit Suisse, wo er leitende Funktionen in der Konzernleitung übernahm. Im Jahr 2008 wechselte er in den Verwaltungsrat der Schweizer Grossbank und stellte dabei seine vorzüglichen Beziehungen bis in die obersten Amtsetagen des Stadtstaates mehr als einmal unter Beweis.

Der somit höchst einflussreiche Finanzspezialist hat allerdings noch einige andere wichtige Funktionen, zu denen unter anderem ein Verwaltungsratssitz beim Versicherer Prudential gehört. Damit war eine wichtige Bezugsperson für den Wechsel Thiams zur CS gegeben.

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