Marc Faber erzählt im 1. Teil des grossen finews.ch-Interviews, wie er sein Vermögen versechsfacht hat, warum eine Flasche Rotwein am Tag gesund ist, wo die schwarzen Flecken in seiner Karriere liegen, und weshalb man nicht ständig über die Banker lästern sollte.

Herr Faber, wie und wo feiern Sie Weihnachten?

Üblicherweise sind wir in St. Moritz. Aber dieses Jahr sind wir bis Ende 2013 in meinem Haus im Nam Hai Hotel-Resort in Hoi An in Vietnam und danach ein paar Tage in Chiang Mai (Bild oben).

Als erklärter Nachtschwärmer dürfte Ihnen Silvester wohl eher liegen. Wo und womit stossen Sie zum neuen Jahr 2014 an?

Ich stosse jeden Tag auf etwas mit jemandem an. Neujahr ist für mich eher eine mühsame Angelegenheit. Ich werde mit meiner Familie in Chiang Mai anstossen und dann wahrscheinlich alleine ausgehen...


«Ich bin froh, nicht mehr arbeiten zu müssen»


Sie haben viele Etiketten: Börsenguru, Dr. Doom, Untergangsprophet. Wie sehen Sie sich selber?

Ich bin jetzt 67 Jahre alt und eigentlich froh, nicht mehr arbeiten zu müssen. Doch es wäre ungesund, den ganzen Tag nur herumzusitzen. Darum lese ich viel, sammle Informationen, reise und stelle Zusammenhänge her. So bin ich in der Lage, den Anlegern Ideen zu vermitteln, Perspektiven aufzuzeigen, selbst wenn diese nicht immer richtig sind.

Braucht es Sie noch?

Das Investieren ist viel komplizierter geworden. Als ich in den siebziger Jahren in die Finanzbranche eingestiegen bin, brauchte man nur ein Spezialist in US-Wertschriften zu sein. Das genügte.


«Ich hätte gleich die Steuerbehörden im Haus»


Erst Ende der achtziger Jahre kam die internationale Komponente ins Spiel, und heute muss ein Anleger global informiert sein, angesichts der vielen Anlageklassen, die es gibt – Aktien, Obligationen, Rohstoffe, Immobilien. Da kann ich schon meine Erfahrung einbringen.

Marc Faber 6

Marc Faber

Warum sind Sie erfolgreich?

Das würde ich nie behaupten. Ich kenne eine Menge Leute aus der Investmentwelt, die Milliardäre sind. Ich nicht.

Nicht?

Nein, definitiv nicht. Und selbst wenn ich es wäre, würde ich es sicher nicht an die grosse Glocke hängen, sonst hätte ich gleich die Steuerbehörden im Haus.

Warum sind Sie eigentlich so berühmt geworden?

Ich weiss es auch nicht genau. Ich habe den Crash von 1987 vorausgesagt und nachher die Börsenkrise in Japan, wobei ich prophezeite, die Börse in Tokio würde mindestens 50 Prozent fallen. Sie ist dann 70 Prozent eingebrochen. Ich war also zu wenig negativ.


«Barron's war mein Türöffner»


Ein US-Hedge-Fund-Manager hat meinen Bericht dann Alan Abelson vom amerikanischen Anleger-Magazin Barron's gegeben, mit dem ich mich später angefreundet habe. Ende der achtziger Jahre brachte Barron's meinen Artikel «Upturn in Latin America», in dem ich mich sehr positiv über die südamerikanischen Finanzmärkte äusserte – weil Asien damals gerade relativ hoch bewertet war. Ein paar lateinamerikanische Börsen sind dann tatsächlich ums Dreissigfache gestiegen.

So war Barron's mein Türöffner. Nachher gab es einen Schneeball-Effekt: «CNBC», «Bloomberg» – alle Fernsehstationen wollten Interviews mit mir.

Marc Faber 5

Der Eingang zu Marc Fabers Büro in Chiang Mai

Obwohl Sie einige grosse Haussen prognostiziert haben, gelten Sie als Untergangsprophet, als «Dr. Doom». Warum das?

Ende der neunziger Jahre habe ich viel Geld verloren, weil ich an der US-Technologiebörse Nasdaq à la Baisse spekuliert habe. Das war ein Fehler. Die Leute, die damals auf mich gehört haben, verloren viel Geld. Denn zwischen Oktober 1999 und März 2000 hat sich der Nasdaq verdoppelt. Das hat meinen Ruf sicherlich geprägt.

Heute ist «Marc Faber» so etwas wie ein Markenname. Haben Sie eigentlich einen PR-Berater?

Nein, ich mache alles selber, habe aber in Hongkong eine Assistentin, die mir jeden Tag, wo immer ich gerade auf der Welt bin, ein Email schickt. Darin schreibt sie mir, was ich erledigen muss. Manchmal übersehe ich etwas oder sie. Doch als Gedenkstütze ist das allemal gut – meine Sekretärin ist sehr zuverlässig.


«Zwei Flaschen Rotwein sollen gesund sein»


Sekretärin in Hongkong, Wohnsitz in Thailand und häufig unterwegs. Hängt das mit zunehmendem Alter nicht gesundheitlich an?

Manche Ärzte sagen, ein Glas Wein pro Tag sei gesund. Ich behaupte, eine Flasche Rotwein am Tag ist gesund, ein guter Freund meint sogar, ich sollte mindestens zwei Flaschen Rotwein am Tag trinken.

Bis jetzt haben Sie sich gut gehalten.

Gesundheit hat sehr viel mit der Psyche zu tun. Ich kenne so viele Leute die Probleme haben, aus Stress.

Sie sind auch ein starker Raucher. Wie bewältigen Sie lange Reisezeiten im Flugzeug, wo die Glimmstängel längst abgeschafft sind?

Ich halte es aus. Doch wenn ich gelandet bin, muss ich sofort aus dem Flugzeug. Dann kriege ich einen Drang, genauso, wie man auf die Toilette muss. Das Rauchen ist keine Sucht, sondern eher eine schlechte Angewohnheit. Ich könnte jederzeit aufhören, wenn ich wirklich wollte. Aber ich kenne mich.MF Buro 500

Das Büro von Marc Faber in Chiang Mai


«Schreiben ist ein enormer Stress»


Wenn ich ein Bier trinken gehe, will ich dazu eins rauchen. Auch beim Schreiben. Das Schreiben ist für mich ein enormer Stress. Man fängt irgendwo an und weiss zunächst gar nicht, was man sagen will. Es braucht immer viel Zeit, und da muss ich jeweils rauchen.

Wie lange brauchen Sie für eine Ausgabe ihres viel beachteten «GloomBoomDoom-Reports»?

Ich sammle jeden Tag Informationen und erhalte auch eine Menge Emails mit Anregungen – etwa 500 am Tag. Entsprechend verbringe ich sicher vier bis fünf Stunden täglich mit Emails schreiben und beantworten. An einem Report schreibe ich bequem eine Woche. Allerdings habe ich nie sieben Tage hintereinander Zeit, um daran zu schreiben. Ich bin ja oft auf Reisen oder habe sonst was ob.


«Ich brauche keine Anlagetipps»


In der Investorenwelt geniessen Sie ein hohes Ansehen. Mag das auch daran liegen, dass man den Bankern nicht mehr vertraut?

Vielleicht. Allerdings sollte man nicht ständig über die Banker lästern. Es gibt auch viele Kunden, die gierig sind. Sie steigen zur falschen Zeit an der Börse ein und bleiben zu lange dabei. Die Anleger sollten die Schuld nicht immer auf die Banker abschieben, sondern sich gelegentlich selber kritisch hinterfragen.

Sie haben selber viele Jahre bei Banken und Brokerhäusern gearbeitet. Gibt es eine Person aus diesem Umfeld, die Sie besonders beeindruckt hat?

Ich habe seit 25 Jahren den gleichen Kundenberater. Er ist absolut zuverlässig. Ich sage ihm, was er tun soll, und er führt es aus. Ich brauche ja keine Anlagetipps, aber ich schätze es, wenn er mich beispielsweise auf Neuemissionen von Obligationen aufmerksam macht.


«Ich habe eine Sympathie für Buddha»


Mittlerweile haben sowohl die UBS als auch die Credit Suisse erstklassiges Research-Material. Das war vor dreissig Jahren nicht der Fall. Als Grossinvestor oder Broker musste man sich mit den Handelschefs anfreunden und diese Leute zum Essen und Trinken einladen – in den Ausgang gehen. Nur so gelangte man an Informationen und gute Konditionen.

Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrem Leben?

Ich finde, man sollte nie allzu stolz auf sich selber sein. Man hat ja auch manchmal einfach Glück im Leben – weil Gott zu einem gnädig war.

Sind Sie gläubig?

Ich habe eine Sympathie für die Lehre von Buddha. Ob ich auf etwas besonders stolz bin? Ich war mal ein hervorragender Skirennfahrer, konnte studieren, habe sehr erfolgreich abgeschlossen. Ich bestand auch die Autoprüfung – am Ende ist alles relativ. Ich kenne eine Menge Leute, die wesentlich mehr Geld verdient haben als ich. Doch sie hatten bestimmt kein so aufregendes Leben wie ich.


«Ich hätte besser Chinesisch lernen sollen»


Nämlich?

Ich bin 1970 nach Amerika ausgewandert und ging 1973 nach Asien. Jetzt sind es genau vierzig Jahre her. Das Auf-und-Ab an den Finanzmärkten in diesem Zeitraum habe ich wie einen Film in meinem Kopf gespeichert. Als ich vor 40 Jahren nach Hongkong kam, hatte es gerade mal zwei grosse Gebäude dort. Ich konnte noch direkt vor dem Mandarin Oriental Hotel meinen Porsche hinstellen – heute muss man ins Parkhaus.

Marc Faber 4

Marc Faber und finews.ch-Mitgründer Claude Baumann

Trauern Sie den alten Zeiten nach?

Nein, alles verändert sich.

Überhaupt kein Bedauern?

Höchstens, dass ich besser hätte Chinesisch lernen sollen. Das hätte mir viel genützt. Thailändisch habe ich inzwischen etwas gelernt. Wenn ich zu Hause bin, gehe ich jeden Tag eine Stunde in einen Sprachkurs. Chinesisch hingegen kann ich nur miserabel. Japanisch konnte ich früher gut, habe es inzwischen aber verlernt.


«Mein Vermögen hat sich versechsfacht»


Das zweite, was ich bereue ist, dass ich Ende der neunziger Jahre à la Baisse mit Technologie-Aktien aus der Nasdaq spekuliert habe. Das ist der schwarze Flecken in meiner Karriere. So habe ich selber und für meine Kunden viel Geld verloren – weil ich einfach zu negativ war. Ich dachte, diese Nasdaq-Stocks sind überbewertet, sie müssen fallen. Doch am nächsten Tag notierten sie nochmals 10 Prozent höher. Irgendwann habe ich die Verluste genommen und anderswo investiert.

Wie hat sich Ihr Vermögen entwickelt?

Seit dem Jahr 2000 hat sich mein Vermögen etwa versechsfacht. Dahinter steckt nicht nur Performance, sondern ich verdiene auch Geld mit Verwaltungsrats-Mandaten, mit Kunden, die ich berate, mit meinem «GloomBoomDoom-Report» sowie mit der Verwaltung von einigen Vermögen. Ich betreue immer noch etwa 300 Millionen Franken. Zwischen 2009 und 2012 habe ich insgesamt eine Wertsteigerung von mehr als 100 Prozent erzielt.

Wie lief es 2013?

Wenn ich mein Gold bewerten würde – was ich jedoch nicht tue – hätte ich dieses Jahr verloren. Ausser im Gold bin ich aber vor allem in den asiatischen Märkten investiert. Bis Mai 2013 lief alles erfreulich, seither fallen die Kurse. Ich habe natürlich einzelne Positionen reduziert. Alles in allem dürfte ich dieses Jahr rund 5 Prozent verlieren.



Der 67-jährige Marc Faber ist der bekannteste Schweizer Börsenexperte. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und doktorierte an der Universität Zürich. Vor nunmehr 40 Jahren wanderte er nach Asien aus und zählt seither zu den besten Kennern dieses Kontinents. Faber wird oft als Untergangsprophet und «Dr. Doom» bezeichnet, was nur die halbe Wahrheit ist. Denn mit seinem profunden Investment-Know-how hat er auch zahlreiche Börsenhaussen prognostiziert und dabei gut verdient. Legendär ist seine Affinität für das Nachtleben in diversen asiatischen und europäischen Städten.