Die Schweizerische Nationalbank hat mit der Aufhebung des Mindestkurses sogar die internationale Hochfinanz überrumpelt. Unter Zentralbanken ist man sich offenbar eine andere Kommunikation gewohnt: SNB-Präsident Thomas Jordan habe sich nicht an die ungeschriebenen Konventionen gehalten, heisst es da.

Eine leicht verärgerte Christine Lagarde trat am Donnerstag am US-TV-Sender «CNBC» auf und kommentierte den überraschenden Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wie folgt: «Es ist klar, dass es Kooperation, Zusammenarbeit und Kommunikation braucht,» so die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF.

Tatsächlich wäre sie gerne von SNB-Präsident Thomas Jordan vorab über die Aufhebung des Mindestkurses informiert worden, sagte sie in klaren Worten. Der oberste Schweizer Währungshüter sah und sieht das anders. Eine solche geldpolitische Massnahme müsse plötzlich und unangekündigt geschehen. Sonst verfehle sie ihre Wirkung, liess er am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Zürich wissen.

Und gleichentags erklärte er am Abend an einer politischen Veranstaltung in Horgen am Zürichsee, die SNB habe ihre Entscheid unabhängig und ohne Rücksprache mit anderen Zentralbanken oder dem Bundesrat getroffen.

Glaubwürdigkeit hinterfragt

Es ist klar, dass sich Jordan mit seiner Konsequenz nicht nur Freunde schuf. Denn nach der SNB-Ankündigung spielten die Devisen- und Aktienmärkte verrückt, Investoren und Finanzinstitute reagierten bisweilen hysterisch, während bei exportorientierten Schweizer Unternehmen eine gewisse Besorgnis aufkam.

Trotz Jordans Credo, wonach ein solcher Entscheid abrupt oder eben überraschend zu geschehen habe, kamen in Finanzkreisen doch auch kritische Fragen zur Glaubwürdigkeit der Schweizerischen Nationalbank. «Die SNB verlor an Glaubwürdigkeit», kommentierte Bruno Gisler, Chefökonom von Aquila.

Noch deutlicher formulierte es der Chefvolkswirt der deutschen IKB Deutsche Industriebank, Klausdieter Bauknecht: «Wieder einmal hat sich das Vertrauen auf die Zusagen von Notenbanken über Währungsstabilität als eine Illusion herausgestellt.»

«Die SNB hat ein grosses Stück der Glaubwürdigkeit verloren, die sie während vieler Jahre aufgebaut hat», erklärte Arturo Bris, Professor an der Manager-Hochschule IMD in Lausanner.

Kein enger Kollege

Es ist interessant, dass der offensichtlich einsame, man könnte auch sagen unabhängige, Entscheid der SNB auf Kritik stösst. Doch wie sich zeigt, war Jordan bereit, sich inskünftig unter die Parias einzureihen. Das «Wall Street Journal» zog am Freitag aus Lagardes eingangs erwähnten «CNBC»-Auftritt zehn messerscharfe Folgerungen.

Darunter diese: Jordan sei wohl kein enger Kollege von der Französin Lagarde. Im Gegensatz dazu begegneten sich die IWF-Chefin und Yanet Yellen, die Chefin der US-Notenbank, eher auf Augenhöhe.

Im Kontrast zu Yanet Yellen

Und weiter: Im Gegensatz zum SNB-Präsidenten mache es die Fed-Chefin richtig, so Lagarde weiter. «Sie (die Fed) kommuniziert sehr klar.» Daraus lässt sich aus Sicht der Französin schliessen: Wichtige Zentralbanken müssen ihre Vorhaben dem IWF mitteilen.

Tatsächlich hat sich die Kommunikationspolitik der Zentralbanken in den vergangenen Jahren gewandelt. Völlig unerwartete Entscheidungen wurden abgelöst durch so genannte «Forward Guidance». Die Märkte werden mit verklausulierten Sätzen auf bevorstehende Schritte vorbereitet.

Die Fed exerzierte dies mit dem Ausstieg aus dem Quantitative-Easing-Programm vor und ist zurzeit im Begriff, das Terrain für die erste Zinserhöhung seit Jahren ebenso zu ebnen. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, bediente sich der «Forward Guidance» als er sagte, er werde alles unternehmen («What ever it takes»), um den Euro zu retten.

Philipp Hildebrands Ideen

Thomas Jordan und die Nationalbank taten – soweit ersichtlich – nichts dergleichen. Noch am Montag dieser Woche versicherte Vizedirektor Jean-Pierre Danthine in einem Interview mit dem Westschweizer Fernsehen «RTS», der Mindestkurs sei ein Eckpfeiler der Geldpolitik.

Jordans Kommunikationspolitik steht auch im Kontrast zu den Ideen seines Vorgängers Philipp Hildebrand. Der schrieb 2001 zusammen mit weiteren, zum Teil höchst renommierten Autoren das Buch «How do Central Banks talk». Das Fazit daraus war, die Kommunikation der Währungshüter müsse mehr «Forward Guidance» beinhalten.

Wem mit solchen «Forward Guidance»-Statements am meisten gedient ist, sei dahin gestellt. An den Finanzmärkten werden solche verklausulierten Botschaften zumeist verstanden. Kein einziger geldpolitischer Entscheid, sei es von der Fed, der EZB oder von der japanischen Notenbank (BoJ), hat in den vergangenen Jahren solche Marktturbulenzen ausgelöst wie jener der SNB. Die Währungsturbulenzen vom Donnerstag waren die grössten seit Anfang der siebziger Jahre.

Sogar Hedge-Funds werden eingeweiht

Wer mit hiesigen Finanzexperten spricht, erhält denn auch bestätigt: Zentralbanker sprechen sich immer vorher ab, wenn wichtige Entscheide anstehen. Auch die wichtigsten Hedge Funds, wie jener von George Soros oder Moore Capital von Louis Bacon (für den Philipp Hildebrand einst tätig war), werden vor geldpolitischen Einschnitten von den grossen Währungshütern kontaktiert – um zufällig ungünstige Konstellationen zu vermeiden.

Hildebrands Job bei Moore Capital war denn auch, mit den Vertretern der Zentralbanken in Kontakt zu sein. Darum figurierten die persönlichen Telefonnummern aller Notenbank-Chefs schon lange in seiner Telefonkartei bevor der SNB-Präsident wurde. 

Hildebrands Nachfolger Jordan hat am Donnerstag gegen den ungeschriebenen, aber global geltendenKommunikationskodex der staatlichen Hochfinanz verstossen. Wie sich in den ausländischen Medien zeigt, hat er sich damit einige Sympathien verspielt. Aber er hat volle Unabhängigkeit bewiesen.

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