Der Schweiz wird nachgesagt, sie hätte den Sprung auf den Fintech-Zug verpasst. Doch allen Unkenrufen zum Trotz hat sich Fintech in der Schweiz etabliert. Was es zum nachhaltigen Erfolg nun braucht, weiss Thomas Sutter von der Bankiervereinigung.

Thomas Sutter (Bild) ist Leiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Fintech ist das neue Zauberwort auf dem Finanzplatz und nicht mehr das Bankgeheimnis. Und es ist wie immer, wenn etwas Neues in der Schweiz entsteht. Die Startups malochen Tag und Nacht, schauen in den Pausen neidisch ins Ausland und erwarten, dass Level 39 über Nacht in der Schweiz entsteht und alle ihre Probleme löst.

Im Umfeld der Szene entsteht ein Biotop von Mitläufern, so genannten Experten und Dealmakern. Die Standortförderungen jeder Sprachregion möchten alles bei sich haben und verzetteln sich. Die Platzhirsche fühlen sich unterschiedlich betroffen und geben Strategien für die nächsten zehn Jahre in Auftrag. Die Politik kümmert sich um das Dringende und nicht das Wichtige.

Sie lachen sich ins Fäustchen

Dabei geht vergessen, dass hier das Wichtige auch dringend ist. Der Regulator macht auf «nicht zuständig» respektive «es steht doch alles im Gesetz». Der Verband ist über beide Ohren mit der Vergangenheit beschäftigt, analysiert und diskutiert. Für die Medien ist eh alles zu spät und alle anderen sind viel weiter. Und was machen diese anderen? Sie schauen zu und lachen sich ins Fäustchen.

Dabei sieht es anders aus. Über 100 Fintech-Unternehmen mit enthusiastischen Entrepreneurs haben sich hier niedergelassen, wachsen und organisieren sich.

Einspruch! Heureka!

Zahlreiche Banken – und nicht bloss die grossen – haben Fintech-Produkte lanciert und verorten die Steigerung des Kundennutzens als Haupt-Zzielsetzung für ihre angepassten Geschäftsmodelle. Beim Regulator steigt – darf man den Medienberichten glauben – zaghaft weisser Rauch auf.

Heureka! Das Thema scheint in den Amtsstuben angekommen zu sein. Nun fehlt nur noch ein kritischer Artikel in der «Financial Times» zum Zustand der Szene als Bestätigung, dass wir wirklich auf dem richtigen Weg sind und London unseren Atem spürt.

Die nächste Stufe zünden

Bis es aber soweit ist, müssen wir hart arbeiten. Fintech wird grosses Disruptions-Potential nachgesagt. Für mich bedeutet dies, dass auch der zeitaufwändige eingangs beschriebene typische Schweizer Mechanismus «disrupted» werden muss. Zeit ist dabei essentiell.

Oder anders gesagt: «Done is better than perfect.» Daher beschränke ich mich nachfolgend auch auf vier für mich wichtige Massnahmen – wohlwissend, dass es noch viele andere braucht.

  • Das politische System kann nicht bekämpft oder negiert, sondern muss bearbeitet werden. Pauschale Kritik aus der Fintech-Szene ist passé und der Lärm soll leiser werden. Substanz ist gefragt. Nur mit konkreten Anliegen kann man die politische Agenda beeinflussen.
  • Die Politik muss ein klares Bekenntnis zum Wachstum von Fintech in der Schweiz abgeben und die hoffentlich vorhandene digitale Affinität auch zeigen. Das hat nichts mit Industriepolitik zu tun und kostet erst noch nichts. Es ist aber das dringend erwartete Signal an die hiesigen Fintech-Unternehmen und noch mehr an potenziell neue Player, dass die Schweiz bereit ist.
  • Gesetze und Regulierungen müssen darauf geprüft werden, ob sie auch für digitale Geschäftsmodelle tauglich sind respektive bei einer neu zusammengesetzten Wertschöpfungskette funktionieren.
  • Die vielen Einzelmassnahmen müssen koordiniert und zeitnah vorangetrieben werden. Die Schweizerische Bankiervereinigung als Vertreterin der Bankenbranche ist bereit, ihren Teil dazu beizutragen.

Keine Bange

Und wenn alle Akteure die typisch schweizerische «Yes-but-Mentalität» ablegen und durch das angelsächsisch geprägte «Why-not-Verhalten» ersetzen, wird mir für den Finanzplatz Schweiz und alle seine etablierten und neuen Akteure nicht bange.