Lange Zeit als hochfliegendes Wunderkind der europäischen Finanzbranche gehandelt, fällt es Leonhard Fischer offenbar immer schwerer, einen Fuss auf den Boden zu bekommen, wie die jüngsten Ereignisse zeigen.

Rückblickend verwundert es, wie hoch die Finanzbranche den deutschen Manager Leonhard «Lenny» Fischer oftmals gehandelt hat. Im Frankfurt der 1990er-Jahre machte er sich einen Namen als Vertreter einer neuen, aufstrebenden Generation an deutschen Investmentbankern, die es sich zutrauten, der amerikanischen Konkurrenz Paroli zu bieten. Doch im Sog der Börsenkrise Anfang der Nullerjahr zerschlugen sich diese Pläne bei der Dresdner Bank auch relativ schnell wieder.

Später galt er als innovativer Tausendsassa, der die verstrickte Allfinanz-Strategie der Credit Suisse/Winterthur entwirrte und in der Folge gar eine Weile als potenzieller CEO der CS gehandelt wurde. Doch auch daraus wurde nichts, so dass er vor bald zehn Jahren ins Fach der Beteiligungsgesellschaften wechselte. Fischer heuerte beim belgischen Unternehmen RHJ International an, wo er begann, eine vielgestaltige Finanzgruppe in Europa aufzubauen.

Grosses Charisma

Der heute 53-jährige Fischer ist zweifelsohne ein brillanter Vordenker, ein ebenso begnadeter Gesprächspartner und Manager, der als Person ein grosses Charisma sowie das erforderliche Durchsetzungsvermögen für seinem Job besitzt. Mit anderen Worten: Ein Grundinstinkt, die wirklich grossen Zusammenhänge und die damit verbundenen Chancen frühzeitig zu erkennen, ist ihm tatsächlich angeboren. Dennoch ist es Fischer fatalerweise kaum je gelungen, seine stets ambitionierten Pläne zum Fliegen zu bringen.

Das zeigt sich dieser Tage wieder, da der französische Bankkonzern Société Générale einen Teil der internationalen BHF Kleinwort Benson Group übernimmt. Doch was hat das mit Fischer zu tun? Ein Blick zurück bringt Aufschluss.

Auch in der Schweiz tätig

Nachdem Fischer die CS im Jahr 2006 verlassen hatte, stieg er bei RHJ International ganz oben ein, was es ihm ermöglichte, in rascher Kadenz eine Reihe von Beteiligungen aufzugleisen, wozu etwa jene der deutschen Quirin Bank gehörte. Auch in der Schweiz blieb er nicht untätig, engagierte er sich doch bei dem auf alternative Anlagen spezialisierten Vermögensverwalter Arecon.

Im Herbst 2009 übernahm er den traditionsreichen britischen Vermögensverwalter Kleinwort Benson sowie im März 2014 die deutsche BHF Bank – um nur einige Transaktionen zu erwähnen. So wollte Fischer – mit den vermeintlich richtigen Verbündeten – seine Finanzgruppe, die er von RHJ International in BHF Kleinwort Benson Group mit Sitz in Brüssel umfirmierte, immer weiter wachsen zu sehen.

Logik des Unvollkommenens

Merkwürdigerweise durchzieht die Vita Fischers in einer seltenen Konsequenz eine Art Logik des Unvollkommenens. So bemühte sich RHJ International 2009 auch um die Übernahme des deutschen Automobilherstellers Opel, kam jedoch nicht zum Zug. Die Pläne mit Arecon scheiterten ebenfalls, wie finews.ch seinerzeit exklusiv berichten konnte. Und als RHJ International bei der deutschen BHF Bank zugriff, wähnte man sich auf der sicheren Seite, war doch auch noch die finanziell hoch potente chinesische Beteiligungsgesellschaft Fosun mit an Bord.

Allerdings verkrachte man sich mit den kulturell doch etwas anders gelagerten Asiaten, so dass die BHF Kleinwort Benson Group am Ende des Tages richtig froh war, sich in die Arme der französischen Finanzgruppe Oddo zu retten, die seit Anfang 2016 die BHF Kleinwort Benson Group besitzt.

Letzte Zweifel ausgeräumt

Allerdings war es nicht so, das die Franzosen unter der Ägide von Philippe Oddo, der zuvor schon einige andere deutsche Finanzinstitute (Seydler, Meriten) übernommen hatte, sich gar viel ins Geschäft reden liessen. Mit anderen Worten: Der Traum von Fischers europaweiter und breit diversifizierter Finanzgruppe war allmählich ausgeträumt. Spätestens seit dieser Woche sind selbst die letzten Zweifel ausgeräumt.

Die Oddo-Gruppe hat das britische Private-Banking-Geschäft von Kleinwort Benson an die französische Société Générale verkauft, wie die beiden Unternehmen am Montag mitteilten. Zudem übernimmt Philippe Oddo persönlich den Vorstandsposten (CEO) der Frankfurter Privatbank BHF, wie am Mittwoch bekannt wurde. Sein Vertrauter Christophe Tadié wird Finanzchef.

Moderner Patriarch

So muss Fischer zusehen, wie andere die Verantwortung für die Kernstücke «seiner» Gruppe übernehmen und sich seine grossen Pläne zerschlagen. Oddo setzt zudem einen Fokus auf die (institutionelle) Vermögensverwaltung in Frankreich und Deutschland, was mit ein Grund war, das britische Geschäft zu veräussern; und unter den Fittichen des modernen Patriarchen Philippe Oddo ist ein umtriebiger Manager wie Fischer nur schwer vorstellbar.

Gut möglich, dass der Deutsche bald wieder anderswo auftaucht. An Gespür für potenziell gute Geschäfte hat es ihm nie gefehlt. Bloss blieb er bis heute den Beweis schuldig, seine Vorhaben auch langfristig dem Erfolg zuzuführen, wie auch die jüngsten Ereignisse illustrieren.

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