Mit den jüngsten Entwicklungen in Europa scheine es, dass Singapur zum Auffangbecken für unversteuerte europäische Gelder werde, schreibt Geneviève Brunner.

Genevieve_Brunner_1

Von Geneviève Brunner, Director, Lexadmin Trust Services, Singapur

Singapur hat rund fünf Millionen Einwohner, ist mit seinen 712 Quadratkilometern ein Stadtstaat und flächenmässig das kleinste Land in Südostasien.

Trotz dieser Asymmetrie zu anderen Staaten, die sich durch ihre Grösse, Einwohnerzahl und Zugang zu Rohstoffen massiv unterscheiden, hat es Singapur geschafft, sich in den letzten fünf bis sieben Jahren als Finanzzentrum Asiens zu etablieren. Nicht von ungefähr liegt Singapur in einer von der Weltbank geführten Statistik für «Easiest Place to Do Business» zum 6. Mal auf Platz 1.

Gemäss dem 15. World Wealth Report von Merrill Lynch Global Wealth Management und Capgemini ist das Vermögen von High Net Worth Individuals (HNWI), also von Personen mit einem Nettovermögen von mehr als einer Million Dollar, global in den letzten zehn Jahren um 63 Prozent gestiegen.

Internationale Herausforderungen

Ende 2010 gab es elf Millionen HNWI, verglichen mit sieben Millionen vor zehn Jahren. In Asien leben 3,3 Millionen HNWI, also mehr als in Europa und fast so viele wie in den USA. Für Asien wird eine jährliche Wachstumsrate von 11,4 Prozent für Assets under Management bis 2015 vorhergesagt.

Trotz des vorteilhaften Ausblicks muss Singapur daran arbeiten, seine Bedeutung beizubehalten. Es muss sich, wie jedes andere Offshore-Finanzzentrum, den internationalen Herausforderungen stellen und darauf reagieren. Dabei geht es vor allem um das Bankgeheimnis, den Informationsaustausch gemäss Art. 26 des OECD-Musterabkommens, die Geldwäschereigesetzgebung und die Weissgeldstrategie.

Bankgeheimnis soll schützen

Das Bankgeheimnis untermauert die Integrität des Finanzplatzes Singapur. Mit dessen Regelung in Art. 47 des Banking Act soll die Privatsphäre des Investors geschützt werden.

Im Jahr 2009 hat sich das Appellationsgericht zum Schutz des Bankgeheimnisses geäussert und festgehalten, dass Art. 47 die Regelung ist, die Anwendung findet. Für Common Law Ausnahmen, das heisst (i) die Bank ist gesetzlich gezwungen, (ii) es besteht ein öffentliches Interesse, (iii) das Interesse der Bank ist überwiegend oder (iv) der Kunde hat implizit oder explizit zur Herausgabe von Daten zugestimmt, gebe es keinen Raum.

Eine Herausgabe von Daten sei eine strafbare Handlung; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Bestimmungen über eine Auskunftspflicht, die im Anhang des Bankgesetzes zu finden sind.

Diese überzeugende Haltung wurde mit Interesse aufgenommen, da dieses Urteil zu jener Zeit erschien, als die Schweiz bezüglich ihres Bankgeheimnisses unter Druck kam. Allerdings haben sich die Ansichten über das Bankgeheimnis und dessen Schutz in den letzten zwei Jahren massiv geändert. Die Monetary Authority of Singapore (MAS) hat angedeutet, dass das Bankengesetz überarbeitet und an die neuen internationalen Gegebenheiten, vor allem im Bereich der grenzüberschreitenden Kooperation, angepasst wird.

Musterabkommen Art. 26 OECD wie die Schweiz

Wie die Schweiz hat auch Singapur 2008 die Einführung von Art. 26 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung gutgeheissen. Wie in anderen Staaten basiert das Modell auf dem Informationsaustausch auf Anfrage, wobei die Anfrage klar und spezifisch sein muss. «Fishing Expeditions» sind nicht zugelassen.

Die Informationsaustauschklausel in den Doppelbesteuerungsabkommen ist relativ weitgreifend; es müssen auch Informationen beschafft werden, die ein Vertragsstaat nicht für seine eigenen steuerlichen Zwecke benötigt. Für Singapur war dies ein relativ grosser Schritt, da es hier beispielsweise keine Vermögens-, Kapitalgewinn- oder Erbschaftssteuern gibt.

Die notwendigen Gesetzesanpassungen erfolgten 2009. Seither sind schon 30 Doppelbesteuerungsabkommen in Kraft getreten.

Geldwäschereigesetzgebung: 417 Delikte

Das einschlägige Gesetz ist der Corruption, Drug Trafficking and Other Serious Crimes (Confiscation of Benefits) Act (CDSA). Darin werden zurzeit 417 Delikte aufgezählt, die unter den Geldwäschereitatbestand fallen.

Bei Verdacht der Tatbestandserfüllung ist jedermann dazu verpflichtet, Meldung zu erstatten. Damit ein vollumfänglicher Schutz vor Geldwäscherei gewährleistet werden kann, findet der CDSA auf alle Finanzinstitute Anwendung.

Zudem hat jede Kategorie von Finanzinstituten noch ihre eigenen Gesetze, Reglemente, Richtlinien, die auf Grund ihrer Lizenzierung eingehalten werden müssen. Diese Vorschriften beziehen sich vor allem auf die Customer Due Diligence, Aktenaufbewahrung, Meldungserstattung bei Verdacht von Geldwäscherei, Compliance, Revision und Schulung/Weiterbildung der Mitarbeiter im Bereich der Geldwäscherei.

Der Regulator überprüft regelmässig bei den einzelnen Finanzinstituten, ob die Gesetze implementiert und angewendet werden. Damit ist beabsichtigt, einen einheitlichen Qualitätsstandard auf dem Finanzplatz zu erreichen. Wie in anderen Bereichen, sind auch hier Verbesserungen möglich. Die MAS ist zurzeit am Überprüfen, inwiefern dies erfolgen kann.

Weissgeldstrategie: Wogen glätten

Zusammenhängend mit der Geldwäscherei sind auch die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Weissgeldstrategie. Die Vertreter der MAS betonen, dass der Finanzplatz Singapur auf Vertrauen und Integrität baut.

Oberstes Ziel der MAS ist es, dass Singapur als sauberer Finanzplatz wahrgenommen wird. Mit den jüngsten Entwicklungen in Europa in Sachen Steuerhinterziehung scheint es, dass Singapur im Moment als Auffangbecken für nicht-versteuerte europäische Gelder wahrgenommen wird.

Um die Wogen zu glätten, wird gerne auf den Boston Consulting Group Global Wealth Report 2011 verwiesen, wonach lediglich 10 Prozent der Assets under Management aus Europa stammen.

Ernst der Lage

Nichtsdestotrotz hat der Regulator den Ernst der Lage erkannt und möchte dem Ganzen Einhalt gebieten, indem er beabsichtigt, die Mithilfe zur Steuerhinterziehung als Geldwäschereidelikt unter Strafe zu stellen.

Diese Haltung wurde schon im Oktober vergangenen Jahres geäussert, da seitens der Financial Action Task Force (FATF) im Februar dieses Jahres ein Entscheid erwartet wurde. Am 16. Februar 2012 erfolgte dann eine Pressekonferenz der FATF mit der Mitteilung, dass die Empfehlungen überarbeitet wurden und unter anderem die Steuerhinterziehung als Geldwäschereidelikt ausgestaltet wird.

Es ist wichtig, dass Singapur den ersten Schritt in diese Richtung getan, also das Problem erkannt und analysiert hat, um nun die notwendigen Massnahmen zu implementieren. Damit die Penalisierung von Steuerhinterziehung auch praktisch durchgesetzt werden kann, wird die MAS mit den Marktteilnehmern Konsultationen durchführen.

Nach diesen Auswertungen erfolgt eine marktorientierte und hoffentlich auch effektive Implementierung.

Automatischer Informationsaustausch

Zum einen wird es auf dem Finanzplatz Singapur Änderungen beim Bankgeheimnis und dessen Anwendung geben. Zum anderen wird es sich zeigen, wie Singapur die neue Strategie in Bezug auf einen integren Finanzplatz implementieren wird.

Man wird sehen müssen, welche Tendenzen sich beim Informationsaustausch durchsetzen und wie wirksam Art. 26 des OECD-Musterabkommens tatsächlich sein wird. Zudem wird es viele Diskussionen betreffend der Geldwäschereigesetzgebung geben und insbesondere über den Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Wahrnehmung im Ausland

Es stehen Fragen im Raum, wie die Handhabung erfolgen soll, das heisst, ob die Herkunft der Klientel eine Rolle spielt, wie rigid die Vorschriften für die Banken sein werden, welche Unterlagen der Kunde über seine Steuersituation beibringen muss, wie der Regulator durchgreift. Diese und weitere Fragen sind bis anhin nicht beantwortet worden.

Wie Singapur damit umgehen wird, wird sowohl den Finanzplatz als auch dessen Wahrnehmung im Ausland entscheidend beeinflussen.


Dieser Beitrag ist auch in PRIVATE – Das Geld-Magazin 02/2012 erschienen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.74%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.41%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.48%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.36%
pixel