Die Rechtskommission des Nationalrats will Grossaktionäre weiterhin besser stellen als Publikumsaktionäre. Die FDP-Nationalrätin Petra Gössi nimmt Stellung.

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Petra Gössi, ist es nicht gerechtfertigt, wenn Grossaktionäre Anspruch auf einen Paketzuschlag erheben? Schliesslich tragen sie auch ein höheres finanzielles Risiko als die Minderheitsaktionäre!

Eine Gesellschaft zieht einen Börsengang vor allem in Betracht, um der Unternehmung neues Kapital zuzuführen und um eine bessere und einfachere Handelbarkeit der Aktien zu erreichen. Der Entscheid eines Börsengangs muss aber auch immer das Einverständnis der ursprünglichen Aktieninhaber beinhalten, dass alle Aktionäre gleich zu behandeln sind. Es gibt keine gleichen und ungleichen Aktionäre.

Familien- und Grossaktionäre investieren in eine Gesellschaft, weil sie von deren Potenzial überzeugt sind. Sie tragen kein höheres oder überproportionales Risiko, was sich auch darin zeigt, dass Aktionäre noch nie für einen Fehlentscheid in die Haftung genommen wurden. Vielmehr haben Grossaktionäre die Kontrollmacht. So können sie beispielsweise den Verwaltungsrat auswechseln, wenn sie mit seiner Strategie nicht einverstanden sind.


Grossaktionär beeinflusst Dividendenpolitik


Wer jahrelang aufgrund seines finanziellen Engagements ein höheres Risiko trägt und unter Umständen ganz oder teilweise auf Gewinnausschüttungen verzichtet, hat doch im Falle eines Verkaufs seines Aktienpakets auch Anrecht auf eine angemessene höhere Entschädigung. Was ist an dieser Überlegung falsch?

Wer mit einem grösseren Aktienpaket in einer Gesellschaft investiert ist, verzichtet nicht mit Blick auf eine eventuell später einmal eintreffende höhere Entschädigung auf die Auszahlung von Dividenden. Mit Blick auf die Zukunft kann kein Grossaktionär wissen, ob er je ein Angebot mit einem Paketzuschlag erhält.

Der Entscheid, ob die Gesellschaft den Aktionären eine Dividende ausbezahlt oder nicht, ist ein strategischer Entscheid des Verwaltungsrats. Mit der ihm zustehenden Gestaltungsmacht kann ein Grossaktionär jedoch auf die Dividendenpolitik der Gesellschaft Einfluss nehmen.


Kontrollprämie widerspricht Minderheitenschutz


Wäre es sinnvoll, eine Mindesthaltedauer zu definieren, die eingehalten werden müsste, um in den Genuss eines Paketzuschlages zu gelangen? Auf diese Weise könnten so genannte Trittbrettfahrer «neutralisiert», langjährige Grossaktionäre aber für ihre Treue und ihr Risiko entschädigt werden.

Bei Beibehaltung der Kontrollprämie ist die Einführung einer Mindesthaltedauer sinnvoll, weil damit Übernahmen mit rein spekulativem Charakter und Gruppenbildungen verhindert werden können. Aber auch eine Mindesthaltedauer täuscht nicht darüber hinweg, dass die Kontrollprämie dem Minderheitenschutz widerspricht. Genau hier setzt die Aktienrechtsrevision an.

Nehmen wir noch das Beispiel der Pensionskassen: Eine Pensionskasse fällt in aller Regel in die Kategorie der Minderheitsaktionäre, die im Falle einer Übernahme einer Gesellschaft, an der sie eine Beteiligung hält, die Aktien zum tiefen Preis des Publikumsanlegers verkaufen muss. Dies führt dazu, dass der Renditeerfolg der Pensionskasse sinkt. Wir haben es hier folglich mit einem Rendite-Klau zu tun.

Wer oder was könnte die Rechtskommission des Nationalrates umstimmen?

Allenfalls die Erkenntnis, dass die Kontrollprämie dem Interesse und dem Schutz der Minderheitsaktionäre entgegenläuft. Die Aktienrechtsrevision stand und sollte immer noch unter dem Titel des Minderheitenschutzes stehen. Dieser Gedanke geht bei Beibehaltung der Kontrollprämie zumindest in diesem Bereich verloren.


Pensionskassen in der Pflicht


Wie beurteilen Sie das Verhalten der Pensionskassen - eine wichtige Grösse im Aktionariat der meisten Publikumsgesellschaften - in der Frage der Gleichbehandlung der Aktionäre? Verhalten sie sich in dieser Frage zu passiv, weil der PK-Gilde eine treibende Kraft resp. eine gemeinsame Stimme fehlt?

Mit dem ASIP verfügen die Pensionskassen über einen starken Dachverband. Es wäre tatsächlich wünschenswert, dass gerade auch die Pensionskassen ihre Verantwortung wahrnehmen und bei Aktiengesellschaften ein aktiveres Auge auf die Einhaltung von Corporate Governance-Regeln werfen.

Dies ist aber nur mit einem entsprechenden Engagement und einer Auseinandersetzung mit der investierten Gesellschaft möglich, was wiederum mit grossen Herausforderungen an Pensionskassen verbunden ist. Vermutlich drückt zudem der Schuh an anderen Orten stärker. Ich denke hier an die Diskussion um die Reduktion des Umwandlungssatzes und die zu hohe Verzinsung der Kapitalien.


14. Juni – Stunde der Wahrheit


Wo verläuft der Graben in den politischen Parteien? Das Links-Rechts-Schema scheint in dieser Angelegenheit offenbar nicht zuzutreffen.

Die Diskussion und das Abstimmungsverhalten im Nationalrat vom 14. Juni 2012 wird meines Erachtens zeigen, dass die Parteien in dieser Frage nicht geschlossen sind, unabhängig davon, um welche Partei es sich handelt.

Wie geht es weiter? Wer oder was könnte dem Ansatz «Gleichbehandlung der Aktionäre» doch noch zum Durchbruch verhelfen? Wie ist der weitere Fahrplan?

Die Frage wird sich weiterhin bei der Revision des Aktienrechts stellen. Die Diskussionen hierzu sind im Gang.


Die 36-jährige Petra Gössi aus Küssnacht a. R. (Kanton Schwyz) ist FDP-Nationalrätin und Mitglied der Finanzkommission. Sie setzt sich intensiv mit der Materie Kontrollprämie und Gleichbehandlung der Aktionäre auseinander. Die Juristin arbeitet für die Zürcher Baryon AG, spezialisiert auf Vermögensverwaltung, Steuer- und Unternehmensberatung. 

 

 

 

 

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