Halten Sie auch zu hohe Bar-Bestände? Ärgert Sie das? Dann sollten Sie vielleicht Ihre Haltung überprüfen. Denn Cash bringt Gewinn und heisst keineswegs Versagen.

Wir haben ja schon mehrfach über interessante Versuche berichtet, die Weisheit von Warren Buffett zu erfassen. Auf ein kaum beachtetes und vor allem aktuelles Detail verweist nun die Analystin und Wirtschaftsjournalistin Alice Schroeder; sie hat unter anderem ein Buch über die Strategien des Super-Investors verfasst (englisch/deutsch).

Warren-Buffett-leben-wie-ein-schneeballEs geht um Buffetts Verhältnis zum Geld, oder genauer: zu Cash-Positionen. Im «Globe and Mail», Kanadas führender Zeitung, legte Schroeder dar, dass Geld für Warren Buffett etwas fundamental anderes darstellt als für die meisten Menschen. Es ist ihm nicht ein ertragsloses Vehikel, sondern Buffett versteht Cash als Call-Option. Als Option, der man sogar einen Preis zuordnen kann.

Wenn Buffett also das Gefühl hat, die Option auf spätere Aktienkäufe sei günstig, stört es ihn nicht im Geringsten, dass seine aktuellen Zinserträge tief sind.

«Das ist einer der wichtigsten Punkte, die ich von ihm gelernt habe», sagte Schroeder, die Buffett als Analystin vier Jahre lang verfolgt und ihn danach für ihr Buch nochmals monatelang begleitet hatte. «Er versteht Geld als Option ohne Ablaufdatum, eine Option auf jede denkbare Anlageklasse und ohne Strike-Preis.»

Wenn man nun aber Geld als Option empfindet – als Möglichkeit, eine Aktie zum optimalen Zeitpunkt zu erwerben –, dann stört es einen wenig, dass diese Option kurzfristig nichts oder wenig einträgt.

Normalerweise fühlt man sich vor der Wahl, entweder gar nichts zu verdienen mit den Barbeständen, oder sie in Obligationen und Aktien anzulegen, um damit ein bisschen etwas zu verdienen. Dieses Denken ist Warren Buffett fremd. Sondern er schätzt jeweils ein, wieviel ihm seine Barbestände eintragen könnten, wenn er sie in dem Augenblick zur Verfügung hat, wo gute Aktien günstig sind.

Die Prämie dieser Call-Option namens Geld entspräche in dieser Denkweise also den Opportunitätskosten.

Lasst die Fondsmanager in Ruhe!

Schroeder empfiehlt diese andere – und zwangsläufig viel langfristigere Denkweise – dringend auch für andere Investoren. Viele Anleger hätten ja das Gefühl, dass es fast schon ein Versagen sei, Barbestände zu halten. Und wenn sie sehen, dass ihre Vermögensverwalter oder Fondsmanager hohe Geldpositionen halten, entsteht bei ihnen der Eindruck, dass mit ihrem Geld zuwenig unternommen werde. Diese Haltung sei falsch.

«Wenn die Anleger verstehen würden, dass ihre Berater und Fondsmanager dafür bezahlt sind, zu wissen, wann man eine Call-Option namens Cash erwerben soll und wann man sie ausüben muss, hätten sie wohl eine grössere Wertschätzung für diese Dienstleistung», so Schroeder gegenüber dem «Globe and Mail».

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