Die Facetten der Vorsorge aus einer Gesamtperspektive standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion unter Vorsorgeexperten, die B+B Vorsorge AG Ende September 2011 in Aarau veranstaltete.

Kerstin Windhövel, Professorin am Institut für Finanzen und Vorsorge der Hochschule für Wirtschaft in Fribourg, leitet derzeit ein KTI-Projekt zur unternehmerischen Steuerung von Vorsorgeeinrichtungen. Kein Geschäft sei langfristiger, als das der Vorsorgeeinrichtungen, führte sie an, erstrecke sich doch die Planung über 60 Jahre.

Dabei gelte es nicht nur, anlageseitig eine Strategie zu haben. Vielmehr plädierte sie für eine Balanced Scorecard zur langfristigen Steuerung mit 20 Kennzahlen, welche die Personalvorsorgeeinrichtung als Unternehmen ganzheitlich abbilden. Solche Strategien fehlen heute meist noch, stellte sie fest.

Für Martin Freiburghaus, Geschäftsleiter der Veska Pensionskasse, die Arbeitnehmer aus Gesundheitsberufen vereint, ist es wichtig, nicht auf Kosten anderer zu wachsen und bestehende Kunden möglichst zu erhalten.

Überdies habe die Kommunikation einen grossen Stellenwert. So werden jeweils mit dem Versicherungsausweis an die Versicherten die wichtigen Informationen zu Änderungen im Reglement, zur Verzinsung und zum Umwandlungssatz vermittelt.

Jürg Marx, Studiengangleiter und Dozent am Institut für Personalmanagement an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, hielt Vorsorgeeinrichtungen zwar nicht für Unternehmen, er ging aber mit Professorin Kerstin Windhövel einig, dass sie unternehmerisch wirtschaften müssen.

Allerdings erachtete er es als gefährlich, auf 60 Jahre hinaus zu planen, vor allem, wenn diese Planung in die falsche Richtung laufe. Wichtig ist seiner Ansicht nach, strategische Optionen zu schaffen und dabei immer das Umfeld im Auge zu haben. Vor diesem Hintergrund müsse eine Strategie antizipatorisch wirken.

Anhaltende Debatte

Im Zusammenhang mit der Strategiefrage wies Martin Freiburghaus auf eine Asset-and-Liabilities-Studie hin, die für einen Zeitraum von 15 Jahren eine Rendite von 5 bis 5,5 Prozent ermittelte.

Davon ausgehend müssen Personalvorsorgeeinrichtungen hinsichtlich des Umwandlungssatzes einen kleinen Schritt zurück machen, nicht zuletzt, um Pensionierungsverlusten vorzubeugen. Wenn das Resultat dann entgegen den Annahmen besser ausfalle, sei dies für die Versicherten umso besser.

Professor Jürg Marx konstatierte, dass nach 20 Jahren Wachstum «die Bäuche voll» seien und die Vorsorgeeinrichtungen sich nicht mehr an die Spielregeln halten würden. Insbesondere würden sie die Realität der hohen Lebenserwartung missachten.

Kommunikationsbedarf unbestritten

Laut Professorin Kerstin Windhövel verstehen nicht mehr als 20 Prozent der Versicherten den Versicherungsausweis, obschon er oft das einzige Kommunikationsinstrument einer Vorsorgeeinrichtung sei. Sie regte an, doch die Versicherten zu fragen, wie die Kommunikation aussehen müsste, damit sie sie verstehen.

Veska erhalte viel Feedback und Verbesserungsvorschläge auf ihre Informationen, erläuterte Martin Freiburghaus. Um das Verständnis für den Versicherungsausweis zu verbessern, sei insbesondere die Transparenz hinsichtlich der Leistungen wichtig.

Sinnvolle Messgrössen gefragt

Der Deckungsgrad, der häufig als Mass aller Dinge dargestellt werde, sei eine falsche Messgrösse, gab Professorin Kerstin Windhövel zu bedenken, zumal eine unmittelbare Liquidation vergleichsweise unrealistisch sei.

Während die Aktivseite nach Marktpreisen bewertet werde, seien die Leistungen auf der Passivseite fix. Anzustreben sei daher ein risikoadjustierter, ökonomischer Deckungsgrad. Professor Jürg Marx pflichtete Professorin Kerstin Windhövel bei, dass dem Deckungsgrad zu viel Bedeutung beigemessen werde. (Denn bei Teilliquidationen und beim Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat, wo eine Vorsorgelücke entstehe.)

Auch ein mehrjähriger geglätteter Deckungsgrad löse das Problem nicht. Sobald ein Thema zu komplex werde, werde es zum Glaube und dieser zur Religion.

Komplexität mit Ratingsystem senken

Professorin Kerstin Windhövel votierte dafür, dass nicht mit Sterbetafeln hantiert werden solle, sondern besser ein Ratingsystem einzuführen sei. Ihr Institut arbeite an einer solchen Lösung.

Dazu untersuchen sie verschiedene Pensionskassen nach ihren Risiken und Leistungen. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Ratings einerseits die Orientierung verbessern und andererseits der Wettbewerb im Vorsorgebereich gefördert werde.

Um die Verständlichkeit der komplexen Materie der beruflichen Vorsorge zu verbessern, könnte sich Professorin Kerstin Windhövel konkret vorstellen, ein Instrument analog der Energieeffizienzklassen bei elektrischen Geräten einzuführen.

Die Bildung im Bereich der Vorsorge beurteilten die Podiumsteilnehmenden aber generell kritisch, da Schüler oft schon an einfacheren Aspekten wie der Erklärung des Unterschieds zwischen Brutto- und Nettolohn scheitern.

Umstrittene Wahlfreiheit

Für Martin Freiburghaus müssen überdies die Vermögensverwaltungskosten offen gelegt werden und hinsichtlich der Verzinsung besser zwischen dem obligatorischen und überobligatorischen Teil unterschieden werden.

Auf Stufe Arbeitgeber begrüsst er den Wettbewerb, erachtet es aber als kritisch, wenn die Versicherten freie Wahl hätten, da in einem solchen Fall das «Herzblut» der Arbeitgeber verloren gehen würde.

Professor Jürg Marx verglich die Wahlfreiheit in der beruflichen Vorsorge mit jener bei der Wahl der Krankenkasse, wo durch die ständige Wechslerei ein enormer administrativer Aufwand entstehe.

Zwang zum Kassenwechsel ist schlecht

Im Fall der Wahlfreiheit wäre für ihn nicht die Verständlichkeit der Informationen das ausschlaggebende Kriterium, sondern vielmehr, was der Arbeitgeber an die Reserven zahle. Nach Martin Freiburghaus würden sich die Versicherten dann allerdings für die Kasse mit dem höchsten Zins entscheiden und beispielsweise kurz vor der Pensionierung zur Sammelstiftung Profond wechseln, weil sie dort die höchste Rentenzahlung erwarten können.

Gleichwohl hielt Professorin Kerstin Windhövel den Zwang zum Kassenwechsel bei einem Stellenwechsel für schlecht und plädierte dafür, den Versicherten diesbezüglich mehr Entscheidungsfreiheit zu lassen.

Wahlmöglichkeit für Pensionskassengeld

Herbert Brändli, Verwaltungsratspräsident der B+B Vorsorge, könnte sich beispielsweise vorstellen, dass der Versicherte entscheiden kann, ob er sein Geld bei der Pensionskasse des bisherigen Arbeitgebers belassen möchte oder ob er es an diejenige des neuen Arbeitgebers übertragen möchte. Dies sei früher möglich gewesen, erläuterte Martin Freiburghaus.

Einer Wahlmöglichkeit bei den Anlagen standen die Podiumsteilnehmenden ebenfalls kritisch gegenüber. Insbesondere bei Versicherten mit tieferem Einkommen lasse sich die Verantwortung nicht übertragen, wenn sie nicht als Sozialfall enden sollen. Ansonsten müsste eine Mindestgrenze definiert werden.

Martin Freiburghaus stellte überdies in Frage, ob die Versicherten diese Wahlfreiheit überhaupt möchten. So sei es bei den Versicherten der Veska noch nie ein Thema gewesen.

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