Thomas Meier, Asien-Chef von Julius Bär, sagt im Interview mit finews.ch, warum Singapur und Hongkong für Schweizer Banken ein hartes Pflaster geworden sind.


Herr Meier, wirken sich die Demonstrationen in Hongkong auch auf das Geschäft von Julius Bär aus?

Nein, für uns haben sie keinen Einfluss.

Beeinträchtigen sie die Standortqualität von Hongkong?

Hongkong hat gute Voraussetzungen, sein Profil als Finanzplatz weiter zu schärfen, wenn der Renminbi liberalisiert wird und sich als globale Währung etablieren kann. Mit den Offshore-Zentren Singapur, New York, London, Paris und bald auch Frankfurt, wo Anliehen in der chinesischen Währung emittiert werden können, wird das Handelsvolumen des Renminbi noch massiv zunehmen.


«Darum hat Singapur eine hohe Glaubwürdigkeit»


Das wird der Region Asien zu weiterem Wohlstand verhelfen. Natürlich wäre es schön, wenn sich auch die Schweiz als Offshore-Renminbi-Zentrum etablieren würde.

Entsteht mit Schanghai ein globales Finanz- und Bankenzentrum, das dereinst vielleicht Hongkong und Singapur überholen könnte?

Das halte ich für wahrscheinlich. Schanghai wird als Finanzzentrum noch enorm an Bedeutung gewinnen. Grundsätzlich hat jedes Finanzzentrum seine ganz spezifischen Eigenschaften, um sich zu differenzieren.

Singapur beispielsweise hat sich als Standort für Private Banking und Asset Management etabliert und viel dafür investiert, sei es in die Qualität des Personals oder in den Anlegerschutz. Darum hat Singapur heute eine hohe Glaubwürdigkeit. Das zählt.

Wie beurteilen Sie die Schweiz?

Der hiesige Finanzplatz tut sich schwer, die divergierenden Interessen auf einen Nenner zu bringen. Es wäre gerade auch in Anbetracht der Stärken von Singapur und Hongkong und auch anderer aufstrebender Standorte wie Schanghai gut, schnell zu handeln. Denn die Voraussetzungen für den Schweizer Finanzplatz sind an sich positiv.


«Nach Asien zu expandieren, war wegweisend»


Die Bank Julius Bär hat vor rund zehn Jahren Asien zu seinem ihrem Heimmarkt auserkoren. Hat dies in Anbetracht der heutigen Situation auf dem Schweizer Finanzplatz eine neue Bedeutung?

Der Entscheid vor zehn Jahren, nach Asien zu expandieren, war sicherlich wegweisend. Wenn wir unsere Position heute betrachten: Es wäre für Julius Bär viel schwieriger gewesen, das internationale Vermögensverwaltunsgeschäft von Merrill Lynch zu integrieren, wenn es nicht schon die beiden Buchungsplattformen Hongkong und Singapur gegeben hätte.

Ist diese Integration in Ihrer Region abgeschlossen?

Im Prinzip ist das in Asien bereits seit vergangenem Februar der Fall. Was noch fehlt, ist Indien. Dort erwarten wir in den kommenden Monaten die Bewilligung der Behörden, um Onshore-Aktivitäten betreiben zu können.


«Kritische Grösse ist zwingend»


Das heisst, dass wir in Asien künftig in vier Regionen Präsenzen haben werden: Nordasien mit Hongkong und Schanghai, Südostasien mit Singapur und Jakarta sowie Indien mit dem Non-Resident-Geschäft plus das Geschäft in Japan.

Julius Bär ist angeblich die am schnellsten wachsende Auslandbank in Singapur, was die Kundengelder betrifft.

Wir nehmen solche Studien natürlich auch zur Kenntnis. Doch sind diese je nach Methodik auch mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen.

Singapur gilt zwar als zwingender Standort für grosse Vermögensverwalter – dennoch arbeiten die meisten Banken dort mit Verlust. Warum?

Es braucht eine kritische Grösse, um profitabel zu arbeiten. Vor zehn Jahren habe ich diese kritische Grösse noch bei 10 Milliarden Dollar an verwalteten Vermögen gesehen. Heute würde ich sie bei 20, wenn nicht gar bei 30 Milliarden Dollar ansetzen. Die regulatorischen Ansprüche in Singapur sind hoch, und Schweizer Banken haben mit der Finma einen weiteren Regulator, dem sie gerecht werden müssen.


«Diese Kundschaft hat andere Ansprüche»


Die grosse Illusion mancher Banken ist indessen wohl, dass sie glauben, sie könnten ihr in der Schweiz funktionierendes Geschäftsmodell eins zu eins auf Singapur übertragen. Das funktioniert nicht. Die Kundschaft dort hat ganz andere Ansprüche.

Welche?

Die Handelsaktivitäten sind höher, und der Risikoappetit ist grösser, was auch entsprechende Produkte bedingt, zum Beispiel im Levergage-Bereich. Eine Schweizer Bank muss auch regionale oder lokale Investmentmöglichkeiten bieten können. Man kann einem Kunden dort nicht Schweizer Standardwerte wie Sika oder Nestlé anbieten.


«Die Spielermentalität ist weit verbreitet»


Also muss man über ein Research zu asiatischen Werten verfügen. Um sich kompetitiv in Singapur aufzustellen, braucht es hohe Investitionen, und die laufenden Kosten sind entsprechend hoch.

Man hört von manchen Banken, dass asiatische Kunden gerne komplexe Finanzprodukte kaufen.

Richtig, viele asiatische Kunden finden Strukturierte Produkte höchst attraktiv. Darum ist es von Vorteil, wenn man solchen Erwartungen entsprechen kann.

Woher stammt diese Bereitschaft in Asien, höhere Risiken einzugehen?

Wir betreuen viele Kunden, die bereits hohe unternehmerische Risiken auf sich nahmen, um Erfolg zu haben. Zudem scheint mir die Spielermentalität im asiatischen Raum einfach weiter verbreitet zu sein.

Wie ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Singapur?

Es ist auf praktisch jedem Arbeitsmarkt schwierig, gutes Personal zu finden. Da unterscheidet sich Singapur kaum von der Schweiz oder anderen Zentren. Wenn man als Unternehmen aber überzeugend auftritt, öffnet dies auch den Zugang zu gutem Personal.


«Die Lohnentwicklung war ziemlich rasant»


Tatsächlich gibt es in der Bankenbranche aber auch diese «Job-Hoppers», die ihren Arbeitgeber periodisch wechseln, um ihren Lohn zu optimieren. Aber aus meiner Perspektive hat sich dies in den letzten Jahren verändert.

Inwiefern?

Berater, die einen Wechsel anstreben, sind für Banken längst nicht mehr so attraktiv wie noch vor fünf oder zehn Jahren. Das liegt am Kunden, dessen Bereitschaft zum Mitwechseln massiv abgenommen hat. Früher war es so, dass ein Kundenberater bis zu 70 Prozent seiner Kundenassets zum neuen Arbeitgeber transferieren konnte.

Heute ist die Bindung zum Berater deutlich schwächer, da der Kunde besseres Finanz-Know-how besitzt und seine Abhängigkeit vom Berater deutlich reduziert hat. Die meisten Kunden unterhalten mittlerweile auch mehrere Bankenbeziehungen, so dass sie Vergleichsmöglichkeiten haben und kritischer geworden sind.


«Kunden überlegen sich zweimal, ob sie wechseln»


Zudem hat sich der Aufwand für eine Kontoeröffnung durch die regulatorische Entwicklung massiv erhöht. Also überlegt sich ein Kunde zweimal, ob er mit seinem Berater wechseln will.

Wie ist das Lohnniveau für Kundenberater in Singapur?

Es ist durchaus vergleichbar mit den Verhältnissen in der Schweiz. Als ich 1996 das erste Mal in Singapur war, lag das Lohnniveau natürlich noch deutlich tiefer. Aber diese Entwicklung ging ziemlich rasant aufwärts.

Das heisst, Kosten- und Ertragsverhältnisse sind ähnlich wie in der Schweiz?

Genau. Und das zeigt auch, dass es im asiatischen Private Banking mittlerweile sehr schwierig geworden ist, die substanziellen Investitionen und Kosten zu decken.


Manche Banken waren in ihren Businessplänen auch allzu optimistisch. Darum darf es nicht verwundern, dass sich manche Institute aus diesem Markt wieder verabschieden.


«Manche Banken waren allzu optimistisch»


Sie haben die strengen regulatorischen Anforderungen in Singapur angesprochen. Hierzulande herrscht vielfach noch die Meinung vor, dort sei alles viel lockerer als in der Schweiz.

Dieser Eindruck ist falsch. Singapur ist heute ebenso stark reguliert, wie andere etablierte Finanzplätze. Das gilt übrigens auch für Hongkong. OECD-Standards oder auch Fatca werden dort genauso übernommen und umgesetzt wie in der Schweiz.

Als Asien-Chef verbringen Sie viel Zeit im Fugzeug sowie an den verschiedenen Standorten in Fernost. Wie oft sind Sie eigentlich noch in der Schweiz?

Die Mehrheit der Zeit verbringe ich tatsächlich in Asien: Ein Drittel in Hongkong, ein Drittel in Singapur und das verbleibende Drittel in den übrigen Regionen in Asien. Einmal im Monat bin ich für das Management-Board-Meeting in der Schweiz.


Der 52-jährige Thomas «Tom» Meier ist seit 2005 Chef für die Region Asien bei Julius Bär. Seine ersten Erfahrungen in Asien als Banker machte der promovierte Jurist bereits 1995, als er für die Credit Suisse als Chef für Südostasien, Neuseeland und Hongkong tätig war. Im Jahr 1997 wurde er Marktleiter für Singapur. Später leitete er die Geschäfte in Hongkong. Nach einem Abstecher zur Deutschen Bank stiess Meier 2005 als CEO Asien zu Julius Bär. Nach mehreren kleineren Umstrukturierungen hat Meier nun seit 2011 die Leitung für die Region Asien-Pazifik inne.

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