Aufkeimenden Hoffnungen, dass der Ausstieg der Briten aus der EU positive Auswirkungen auf den Schweizer Finanzplatz haben könnte, steht eine ganze Reihe von offenen Fragen gegenüber.

Die Grundsatzrede der britischen Premierministerin Theresa May und das kürzlich ergangene Urteil des Supreme Court in London haben den vergangenen Jahr von den Briten beschlossenen Brexit, den Austritt aus der Europäischen Union (EU),  wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Bei den Schweizer international tätigen Banken ist der Brexit ohnehin eines der vordringlichsten Themen. «Die historische Zäsur des Brexits bringt nicht nur für Grossbritannien tiefgreifende Veränderungen mit sich, sondern auch für den ganzen europäischen Kontinent – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Schweiz und unseren Finanzplatz.»

Deutliche Worte

Boris Collardi, der Chef der Julius Bär und Präsident der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV), machte an deren Jahrespressekonferenz am Donnerstag deutlich, wie wichtig er das Thema hält und machte den Brexit zum Fokus seiner Rede.

Der VAV hielt die Pressekonferenz zusammen mit der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken ab.

«Windows of Opportunity» nutzen

Collardi forderte eine aktive und flexible Haltung der Schweiz, um allfälligen Schaden für den Finanzplatz abwenden zu können. Konkret bedeute dies für die politischen Instanzen, sich für alle Eventualitäten vorzubereiten und die Entwicklungen des Brexit eng zu verfolgen, damit keine sich unerwartet ergebene Gelegenheiten verpasst würden – sogenannte «windows of opportunity» 

Der Chef der grössten Privatbank der Schweiz machte deutlich, wie komplex sich die Situation im Moment darstellt: die EU und Grossbritannien sind für die Schweiz extrem wichtige Handelspartner. In der gegenwärtigen Phase gibt es aber eine Vielzahl von offenen Fragen, welche sich erst mit der Zeit klären werden.

Grundlagen für Marktzugang schaffen

Die Lage der Schweiz ist im Brexit-Zusammenhang unangenehm: Sie ist von den Entwicklungen direkt betroffen, kann den Prozess aber nicht mitgestalten.

Trotzdem: Collardi glaubt, dass die Schweiz nicht zur Untätigkeit verdammt ist, sondern dass sie selbst die Bedingungen dafür schaffen kann, dem Schweizer Finanzplatz baldmöglichst den Zugang zum EU-Markt zu eröffnen.

«Insbesondere gilt es, die Schweizer Politik der Äquivalenz mit der EU-Finanzmarktgesetzgebung gezielt voranzutreiben, damit den Banken der Marktzugang erleichtert wird», forderte der Bär-CEO.

Mögliche Gewinner: Frankfurt und Luxemburg

Der hiesige Finanzplatz wird durch den Brexit zunächst kaum betroffen sein, auch weil die Schweizer Banken von hier aus keinen direkten Marktzugang haben. «Vielmehr könnten Frankfurt und vor allem Luxemburg als potenzielle Gewinner des Brexit im Finanzbereich hervorgehen», so Collardi.

Damit sprach er an, was schon mehrfach thematisiert worden ist: Banken, wie die UBS oder auch grosse Institute aus den USA überlegen sich sehr genau, wie sie den Marktzugang zur EU behalten können und arbeiten deshalb daran, europäische Alternativen zu ihren Standorten in London zu finden.

Das Dossier bleibt heiss

Die UBS hat beispielsweise Frankfurt als Hauptsitz für ihre Europa-Bank gewählt und zieht die Möglichkeit in Betracht, Teile ihres Investmentbankings nach Madrid zu verlegen.

Klar ist, solange die Schweiz den Marktzugang zur EU für ihre Finanzbranche nicht hat, bleibt das Dossier für Bern vordringlich. Brexit hin oder her.

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