Der Ex-UBS-Manager und derzeitige Chef der Deutschen Börse muss seine Übernahmepläne in London nun definitiv begraben. finews.ch zeigt, warum bald auch Carsten Kengeters Karriere akut in Gefahr sein könnte.

Die Traumhochzeit ist dieser Tage definitiv geplatzt. EU-Wettbewerbshüter untersagten am (gestrigen) Mittwoch den 25-Milliarden-Euro-schweren Zusammenschluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE), wie unter anderem die Agentur «Reuters» berichtete. Mit der Fusion hätte ein «de-facto-Monopol» im europäischen Anleihenhandel gedroht, begründete Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den Entscheid.

Für Carsten Kengeter, dem Chef der Deutschen Börse, ist dies wohl das ungelegenste Geburtstagsgeschenk. Denn am (morgigen) Freitag feiert der Deutsche seinen Fünfzigsten – und hätte seine Karriere bestimmt gerne mit einer europäischen Megabörse gekrönt. Doch nun kann davon keine Rede mehr sein. Mehr noch: Kengeters eigene Karriere ist in akuter Gefahr, wie Recherchen von finews.ch ergaben.

Dabei hatte der in Heilbronn geborene Schwabe erst vor zwei Jahren mit der Ernennung zum Börsenchef ein überraschendes Comeback gegeben. Als er 2013 bei der UBS als Leiter der Investmentbank ausschied, wurde es sehr still um ihn.

Er dozierte an der London School of Economics, nahm an der vom Schweizer Militär organisierten Patrouille des Glaciers teil und investierte in Fintechfirmen. Bis er plötzlich als Nachfolger des Schweizers Reto Francioni an der Spitze der Deutschen Börse wieder auftauchte.

Doch die Ära Kengeter hat sich für die Handelsplattform bisher als wenig glücklich erwiesen. finews.ch kennt vier Gründe, warum seine Zeit bei der Deutschen Börse abläuft.

1. Verdacht auf Insiderhandel

Die wohl noch grössere Sorge als die geplatzte Fusion ist für Kengeter eine gegen ihn eingeleitete Untersuchung, bei der die deutschen Behörden sogar sein Büro durchstöberten. Der Verdachtsmoment reicht ins Jahr 2015 zurück.

Damals setzte die Deutsche Börse speziell für ihn ein mit einem «Hebel» versehenes Vergütungsprogramm auf. Gemäss dem Plan könnte Kengeter innerhalb dreier Jahre fast 34 Millionen Euro zugewiesen bekommen, wenn das Unternehmen gewisse Ziele erreicht – zusätzlich zu seinem Fixsalär und Bonus, notabene.

Um dem Programm zu genügen, musste Kengeter allerdings selber für rund 4,5 Millionen Euro ein Paket Deutsche-Börse-Aktien erwerben. Nun wollen die Ermittler wissen, ob es damals schon geheime Pläne zur Übernahme der LSE gab. Denn das könnte Kengeter zu einem Insider machen.

Jene, die Kengeter aus UBS-Zeiten kennen, halten dies für ausgeschlossen. Auch wurde der Deutsche-Börse-CEO nicht formell angeklagt und konnte bisher auf den Rückhalt seines Verwaltungsrats zählen.

Das Aufsichtsorgan muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, warum es eine solche Vergütungsplan überhaupt aufsetzte. Den mit dem Insiderverdacht verbundenen Reputationsschaden kann die Deutsche Börse derzeit ganz und gar nicht gebrauchen.

2. Teure Devisen-Plattform 360T

Nur gerade zwei Monate im neuen Job, schlug CEO Kengeter Mitbieter um die Firma 360T aus dem Feld. Die Deutsche Börse kaufte die Devisenhandels-Plattform für 725 Millionen Euro. Kengeter rechtfertigte den Preis damals, dass die Deutsche Börse mit 360T im Portefeuille im Jahr 2018 zweistellige Erträge einfahren werde. Im vergangenen Februar musste das Unternehmen jedoch vermelden, dass das durchschnittliche Tagesvolumen von 360T nur um 4 Prozent gewachsen sei.

Möglich, dass dies nur dem Umfeld geschuldet war, oder dass sich 360T gut zu verkaufen wusste. Kengeters Ruf als Dealmaker ist die Übernahme aber kaum zuträglich gewesen.

3. Geplatzte Elefantenhochzeit

Dass die Megafusion mit der Londoner Börse just am selben Tag endgültig scheiterte, an welchem Grossbritannien die formellen Austrittsverhandlungen aus der EU einleitete, mag Ausdruck einer besonderen Ironie sein.

Doch in Tat und Wahrheit zerbrach der Deal am Brexit. Kengeter und LSE-Chef Xavier Rolet hatten den Zusammenschluss vor dem Votum geplant; danach kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Partnern, wie der Merger den neuen Gegebenheiten anzupassen sei. Die EU-Kommission hat mit ihrem Entscheid vom (gestrigen) Mittwoch wohl nur den letzten Nagel in den bereitliegenden Sarg geschlagen.

4. Die Krux mit der Vertragserneuerung

Kengeters Anstellungsvertrag bei der Deutschen Börse läuft im April 2018 aus. Normalerweise würden nun CEO und Verwaltungsrat die Sommermonate nutzen, um über die weitere Anstellung zu verhandeln. Doch das ist nun alles infrage gestellt.

Die Untersuchungen zum Insiderverdacht verunmöglichen nämlich jegliche Verhandlungen – die Verwaltungsräte brauchen zuerst Klarheit bezüglich der Verdächtigungen. Kommt es zu einer Anklage gegen den CEO, müsste die Deutsche Börse Kengeter gar suspendieren. Da nützt es nichts, dass dieser öffentlich beteuerte, Insiderhandel widerspreche seinen «tiefsten Überzeugungen».

Es zeigt sich: Die behördlichen Ermittlungen drohen Kengeters Amt bei der Deutschen Börse am gefährlichsten zu werden, weit mehr noch als die geplatzte Megafusion oder die teure Übernahme.

Schwere Schläge weggesteckt

Allerdings hat der Finanzmanager, der mit acht Jahren seinen Vater verlor und als Halbwaise aufwuchs, immer wieder schwere Schläge wegstecken können. So blieb Kengeter nach dem 2011 aufgeflogenen 2-Milliarden-Dollar-Betrug des Ex-UBS-Händlers Kweku Adoboli im Amt – laut Quellen, weil er die Aufräumarbeiten leiten musste. Oswald Grübel hingegen trat von seinem Chefposten bei der grössten Schweizer Bank zurück.

Unter Kengeters Ägide als Chef der UBS-Investmentbank geschahen auch die Manipulation des Libor-Zinses und von Edelmetall-Preisen. Jene Affären vermochten ihm ebenfalls nichts anzuhaben.

Ob Kengeter den nun heraufziehenden Sturm überstehen wird, ist völlig offen.

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