Georg Schubiger, Private-Banking-Chef bei Vontobel, lädt auf einen Flug nach New York ohne Piloten ein. Und er erklärt gegenüber finews.ch, warum ihm das Lamento auf dem Schweizer Finanzplatz auf den Geist geht.


Herr Schubiger, welche Rolle spielt bei der Bank Vontobel die Digitalisierung?

Sie verbessert die Beratungsqualität und gibt uns die Möglichkeit, Finanzdienstleistungen sehr günstig zu exportieren. Denn so können wir ohne kostspielige vollständige Banklizenz und dem Aufbau einer IT-Struktur in den jeweiligen Zielländern arbeiten.

Nehmen Sie zum Beispiel unsere Mobile-Private-Banking-App: Die entsprechenden Applikationen haben wir in nur zwei Monaten in 20 Ländern ausgerollt. Mittlerweile ist die App weltweit verfügbar.

«Asiatische Kunden wollen aus Diversifikationsgründen in die Schweiz»

Gebucht sind die Vermögenswerte in der Schweiz, produziert werden unsere Anlageprodukte und das Research – oder allgemein gesagt die Denkleistung durch unsere Leute in der Schweiz. Diese Denkleistung exportieren wir dann über unsere App, unter Berücksichtigung der länderspezifischen Restriktionen, in unsere Zielmärkte.

Dies ist zwar teurer als wenn wir alles in billigere Länder outsourcen würden. Aber wir sind dennoch überzeugt, dass die Schweiz für uns der richtige Produktionsstandort ist.

Sind die Kunden aber auch bereit, mehr dafür zu bezahlen?

Asiatische und auch andere Kunden wollen Vermögenswerte in der Schweiz haben, schon alleine aus Diversifikationsgründen. Denn der Schweizer Finanzplatz ist nach wie vor sehr gut aufgestellt. Er verfügt über hochqualifiziertes Personal mit einer Expertise und Erfahrung in der Vermögensverwaltung, die weltweit einzigartig ist.

«Wir sollten nicht lamentieren»

Auf diese Faktoren müssen wir uns in der Schweiz besinnen, anstatt zu lamentieren, dass alles immer schwieriger wird. Ich kann die Schwarzmalerei in Bezug auf unseren Finanzplatz beim besten Willen nicht verstehen – sie geht mir zuweilen gar auf die Nerven.

Vontobel zählt, gemessen an den verwalteten Vermögen, in Asien jedoch eher zu den kleineren Instituten.

Wir wollen ein Nischenplayer sein, der sich auf die diversifizierte Vermögensverwaltung spezialisiert – und nicht der x-te Anbieter von Trading oder anderen Retailangeboten. Unser Kundenbuch in Asien besteht mehrheitlich aus diskretionären Mandaten. Wir geben allerdings für keine Region, in der wir tätig sind, Zahlen bekannt.

Aber ist das Geschäft in Asien profitabel?

Das Geschäft mit asiatischen Kunden ist profitabel. Wir operieren mit einem sehr schlanken Setup.

Diverse Privatbanken stellen ihren Beratern einen Roboadvisor zur Seite. Vontobel auch?

Es kommt darauf an, was Sie unter einem Roboadvisor verstehen. Wir haben bereits vor acht Jahren eine Plattform gebaut, die ähnliche Services für Berater und Kunden erbringt wie UBS Advice. Bloss haben wir dies damals nicht an die grosse Glocke gehängt.

«Über die Hälfte unserer Kundschaft hat die entsprechenden Verträge unterzeichnet»

Diese Dienstleistungen kann der Kunde, wie erwähnt, auch auf seinen mobilen Geräten nutzen. Über die Hälfte unserer Kundschaft hat die entsprechenden Verträge unterzeichnet und nutzt die App regelmässig.

Wird der Roboadvisor den Berater dereinst ersetzen?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Je komplexer sich die Vermögenslage des Kunden gestaltet, desto wichtiger ist der Faktor Mensch. Je einfacher die Vermögenslage des Kunden ist, desto grösser ist der Digitalisierungsgrad. Aber auch bei hochstandardisierten Anlagelösungen wird der Mensch nie gänzlich verschwinden.

Warum?

Ich glaube nicht an eine Welt ohne menschliche Kontakte, vor allem nicht in sensiblen Bereichen wie Gesundheit oder Vermögensplanung.

«Wir wollen nach wie vor von einem Arzt, Anwalt oder Banker beraten werden»

Wir wollen nach wie vor von einem Arzt, Anwalt oder Banker, anstatt von einem Roboter beraten zu werden. Gerade in Bereichen wie diesen braucht es Empathie und ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Berater.

Vertrauen lässt sich nur schwer digitalisieren?

Allerdings. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Heute ist es technisch möglich, die Flugstrecke von Zürich nach New York ohne Piloten zu fliegen. Soll ich für sie buchen?

Ist es der Jungfernflug?

Ja.

Dann lieber nicht.

Sehen Sie, aber vielleicht würden Sie beim zehnten oder hundertsten Flug mitfliegen. Bis Menschen in eine neue Technologie Vertrauen gefasst haben, dauert es oft eine Weile. Und gerade deswegen ist es gerade für Finanzinstitute wichtig, frühzeitig Erfahrungen mit neuen Technologien zu sammeln.

Wird die Digitalisierung die Margen drücken?

Nein, aber sie wird Dienstleistungen für den Kunden verbessern. Wohin sich die Gebühren bewegen, ist eine Frage des Wettbewerbs. Hier wird der Markt entscheiden.


Georg Schubiger ist seit August 2012 Head of Private Banking bei der Zürcher Vontobel-Gruppe. Nach seinen Studien an der Universität St. Gallen und am College of Europe im belgischen Brügge stieg er 1996 bei McKinsey ein, wo er in Zürich und in Helsinki arbeitete. Danach wechselte er 2002 zur finnischen Sampo Gruppe und 2008 zur Danske Bank, wo er zuletzt als Chief Operating Officer (COO) Mitglied der Geschäftsleitung war.

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