Vontobel verfolgt in Asien mit Strukturierten Produkten ehrgeizige Pläne. Doch ist der Zeitpunkt dafür richtig, und hat die Bank auch das Stehvermögen? Antworten von Investmentbanking-Chef Roger Studer.


Herr Studer, die Börse bewegt sich weltweit am Zenit. Ist das der richtige Zeitpunkt, um in einen neuen und so grossen Markt wie Hongkong einzusteigen?

Für Vontobel ist der Zeitpunkt passend. Wir sind seit fünf Jahren in Asien und haben bisher unser Geschäft mit Derivaten von Singapur aus betrieben. Seit Anfang 2017 haben wir auch eine Präsenz in Hongkong.

Wir haben die Infrastruktur dafür von Singapur übertragen und teilweise neu aufgebaut. Nun sind wir bereit und haben die ersten Warrants an der Hongkonger Börse kotiert.

Finanzprodukte lösten die Krise von 2007/8 aus. Fürchten Sie nicht, dass sich die Geschichte bald wiederholt?

Nein. Finanzprodukte sind nicht per se schlecht. In Asien existieren solche Derivate schon seit 15 bis 20 Jahren und sind sehr verbreitet. Die Anleger in Asien sind aktiv, was einerseits am hohen Bildungsniveau der Investoren liegt.

«Als ich vor dreissig Jahren begonnen habe, war Vontobel noch klein»

Zudem müssen viele Menschen ihre Altersvorsorge selber in die Hand nehmen, weshalb sie unter anderem in entsprechende Finanzprodukte investieren. Strukturierte Produkte eignen sich gut dafür.

Welche Kunden haben Sie für Ihre Produkte in Asien im Visier?

Im Warrants-Bereich sind es sogenannte Self-Directed-Clients, also qualifizierte Anleger, die selber entscheiden, wo sie investieren wollen. Das tun sie zumeist über das E-Banking ihrer Hausbank- oder über Direktbanken à la Swissquote.

Vontobel hat mit Strukturierten Produkten in Europa Erfolg. In Asien ist der Name Vontobel wenig bekannt. Was stimmt Sie dennoch zuversichtlich bei Ihrer Expansion?

Als ich vor dreissig Jahren begonnen habe, war Vontobel noch klein. Unterdessen sind wir gewachsen und international geworden. Wir verwalten allein im Wealth- und Asset-Management mehr als 100 Milliarden Franken und sind eine führende Emittentin von Strukturierten Produkten in der Schweiz wie auch in Europa.

«In den nächsten Jahren wollen wir selber zu einem Top-Player in Asien avancieren.»

Seit fünf Jahren sind wir auch in Asien aktiv. Unser Erfolgsrezept beruht auf fünf Punkten: Produkt, Preis, Performance und die Power of Possibilities – sprich die Chancen nutzen, die sich bieten. Kommt hinzu: Strukturierte Produkte verbinden Qualität mit Digitalisierung und sind deshalb gerade im asiatischen Raum attraktiv.

Die Schweiz hat eine hohe Wertschöpfung und bietet qualitativ hohe Produkte, auch im Bereich Strukturierte Produkte. Bei Vontobel können wir genau diese Punkte bieten, weshalb ich überzeugt bin, dass unsere Strukturierten Produkte in Asien erfolgreich sein werden.

Wer sind im Produkte-Bereich Ihre grössten Konkurrenten in Asien?

Globale Firmen wie J.P. Morgan, die Société Générale, Goldman Sachs sowie die beiden Schweizer Grossbanken. In den nächsten Jahren wollen wir selber zu einem Top-Player in Asien avancieren.

Um dies zu erreichen, braucht es ein Setup, wie wir es zuerst in der Schweiz und danach in Europa erfolgreich aufgesetzt haben.

Wäre es nicht einfacher und möglicherweise auch erfolgreicher, mit Partnern in Asien zu arbeiten?

Auf jeden Fall. Deshalb machen wir das bereits seit längerer Zeit. In Europa kooperiert Vontobel im Bereich Strukturierter Produkte mit rund 50 (Online-)Banken, mit denen wir Vertriebs- und Marketing-Kooperationen unterhalten. Diese Art Kooperation hilft uns, das Geschäft weiterzuentwickeln.

«Wir planen auch Derivate auf Rohstoffe, Devisen und Edelmetalle»

Genau das machen wir nun auch in Asien, wo wir vorerst drei Kooperationen mit Online-Banken eingegangen sind. Diese Partner positionieren unsere Produkte auf ihren Plattformen.

Sie sind mit zwei Call Warrants auf die Firmen Tencent und China Construction Bank gestartet. Ist das nicht etwas wenig?

Die beiden ersten Produkte beruhen auf führenden Aktienwerten der Hongkonger Börse und waren sozusagen ein Testlauf – auch für die Hongkonger Börsenaufsicht um zu sehen, dass alles richtig läuft. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir die Produktpalette signifikant ausbauen: Hebelprodukte, Warrants und Bull-/Bear Certificates.

Unser Ziel ist es, über die Zeit rund 600 Produkte zu kotieren, was ungefähr 10 Prozent des gesamten Angebots an der Hongkonger Börse ausmachen würde. Wir planen auch Derivate auf Rohstoffe, Devisen und Edelmetalle.

«Wir haben den Anteil der Auslandserträge von unter 10 Prozent auf 60 Prozent gesteigert»

Wir überlassen nichts dem Zufall und analysieren systematisch das Börsengeschehen, um neue Trends bei den Anlegern oder Chancen zu identifizieren. Es sind unsere Händler sowie unsere Partnerbanken, die wissen, welche Produkte gefragt sind, und was in unserer Palette noch fehlt.

Was folgt nach Hongkong?

Unser Businessplan ist langfristig ausgelegt. Wir haben über die vergangenen 18 Monate dezidiert investiert und die Strukturen in Hongkong aufgebaut. Wir konnten uns dabei auf die bereits bestehende Infrastruktur in Singapur sowie in der Schweiz abstützen.

In Asien werden weitere Märkte hinzukommen, keine Frage. Taiwan, Südkorea und Japan sind interessante Märkte. Sobald wir bereit sind und alle erforderlichen Lizenzen haben, werden wir auch das kommunizieren. Doch jetzt konzentrieren wir uns erst mal auf Hongkong.

Wann wollen Sie die Gewinnschwelle erreichen?

Genaue Zahlen möchte ich jetzt nicht geben. Nur soviel: Wir haben in den vergangenen zehn Jahren den Anteil der Auslandserträge von unter 10 Prozent auf heute 60 Prozent gesteigert.

«Das ist unser Ambitionsniveau»

Mittelfristig streben wir eine vernünftige Balance an, so dass wir Ertragsanteile in der Schweiz, Europa und in Asien von je rund 30 Prozent haben. Das ist unser Ambitionsniveau.

Wie hoch waren Ihre Investitionskosten in Hongkong?

Vernachlässigbar, weil sie im Rahmen der unternehmensweiten Digitalisierungsstrategie anfielen. Die Plattform bestand bereits, und in Singapur hatten wir bereits eine funktionierende Infrastruktur, die wir nur noch skaliert mussten.

Und personell?

Das war tatsächlich ein Investment, aber für uns sehr spannend, da wir uns dafür entschieden haben, das bestehende Know-how teilweise von Singapur nach Hongkong zu verlagern. Darüber hinaus haben wir in Hongkong rund ein Dutzend Leute engagiert: Händler, Quants, Financial Engineers, Marketing-Leute und Informatiker.

«Wir haben lediglich die Händler und Risk Manager nach Hongkong transferiert»

Vontobel hat in Asien zusammen mit dem Wealth- und Asset-Management insgesamt etwa 50 Leute, davon ungefähr 30 in Hongkong.

Verliert Singapur an strategischer Bedeutung für Vontobel?

Nein. Wir behalten den Vertrieb und die Anlageprodukte in Singapur. Unsere Warrants sind an der dortigen Börse SGX kotiert. Wir haben lediglich die Händler und Risk Manager nach Hongkong transferiert. Juristen und Financial Engineers bleiben in Singapur stationiert.

«Glücklicherweise assoziiert man in Asien diese Merkmale vor allem mit der Schweiz»

An der SGX haben wir einen Marktanteil von 5 bis 10 Prozent, während Hongkong der grösste Warrants-Markt der Welt ist. Dort wird täglich 30 bis 50 Mal mehr Umsatz gemacht als an der Schweizer Börse in eineinhalb Monaten.

Wie gut kennen Sie persönlich Asien?

Ich reise jedes Jahr etwa drei- bis viermal in die Region. Wichtiger als meine Wenigkeit sind allerdings die Leute vor Ort, die täglich mit dem Kunden und Partnern in Kontakt stehen.

Spielt die Swissness – wie sie auch Vontobel vorlebt – noch eine Rolle in Asien?

In Asien sind vor allem Qualität und Verlässlichkeit wichtig. Glücklicherweise assoziiert man in Asien diese Merkmale vor allem mit der Schweiz.

Das sind ideale Voraussetzungen für einen spezialisierten Schweizer Vermögensverwalter, um in Asien zu expandieren. Der Erfolg beruht auf einer Mischung von Swissness und den erwähnten Attributen.


Roger Studer leitet seit 2008 das Investmenbanking bei Vontobel und ist zugleich Mitglied der Geschäftsleitung. Er stiess 1984 zum Unternehmen. Zwischen 1995 und 2000 war er zuerst bei der DG-Bank (Schweiz) tätig, danach bei der ABN Amro Bank (Schweiz). Etwas Versicherungsluft schnupperte er als Head Quantitative Asset Allocation bei der Swiss Life.

Im Jahr 2000 wechselte er zurück zu Vontobel, wo er als Leiter Risk Management zunächst für verbriefte Derivate verantwortlich war. Ab 2003 war er Spartenleiter Financial Markets. Als Betriebsökonom mit einem MBA der University of Rochester und als Finanzanalytiker blickt er auf nunmehr 30 Jahre Berufserfahrung in der Branche zurück.

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