Banken reden vom «Kundenfokus» seit es sie gibt. Gleichwohl sind Amazon, Google & Co. näher an der Klientel. Um mitzuhalten, braucht es nicht nur Innovationen, sondern auch eine Fehlerkultur, schreibt Simon Tribelhorn vom Liechtensteinischen Bankenverband.

Im März 1989 hat der der Forscher Tim Berners-Lee am CERN in Genf das World Wide Web erfunden. Es war nicht nur eine Innovation, sondern legte auch den Grundstein für unzählige weitere Innovationen. Es führte zu umfassenden, oft sogar revolutionären Umwälzungen in vielen Lebensbereichen und zu einem grundlegenden Wandel unseres Kommunikationsverhaltens.

Mittlerweile gibt es allein auf Google mehr als 1,2 Milliarden Einträge zum Begriff «Innovation» und für fast keinen Politiker, Wirtschaftsführer oder Wissenschaftler gehört Innovation nicht zur DNA seines Landes, Unternehmens oder seiner Person. Zumeist ist dabei Aufmerksamkeit das Ziel, erreicht wird aber Beliebigkeit. Selbst im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem Einsatz der Blockchain-Technologie wird der Begriff Innovation im Banking arg strapaziert.

Geschäftsmodelle in Frage stellen

Dem Leibnizer Zentrum für Deutsche Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge sind im Jahr 2018 zwar die Ausgaben der deutschen Banken für Innovationen im Vorjahresvergleich um gut 10 Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro gestiegen. Allerdings ist die Innovationsintensität im Finanzsektor nach wie vor so gering wie in keinem anderen. Offenbar gelang es den Banken bis anhin nur in sehr begrenztem Umfang, richtige Marktneuheiten zu entwickeln.

Der grösste Fehler ist gemäss der ZEW-Studie, dass man innovativ sein will, aber bloss das aktuelle Geschäftsmodell und die dafür erforderlichen Prozesse digitalisiert. Viel wichtiger wäre allerdings, die ganze Wertschöpfungskette neu zu denken. Innovation besteht nämlich nicht in erster Linie darin, Bestehendes zu verbessern, sondern Neues zu schaffen.

Thorsten Dirks, CEO der Telefonica Deutschland, hat dafür einmal die etwas saloppe Aussage geprägt: «Wenn Sie einen Scheissprozess digitalisieren, haben Sie einen scheiss digitalen Prozess.» Daher konnten die traditionellen Taxiunternehmen den Erfolg von Uber nicht mittels hastig entwickelter Apps verhindern. Dieser «Uber-Moment» ist auch im Banking möglich.

Spätestens seitdem die GAFA, die grossen Technologiegiganten Google, Amazon, Facebook und Apple zunehmend in den Markt für Finanzdienstleistungen eintreten, sehen sich die traditionellen Banken mit Wettbewerbern konfrontiert, die über technologisches Know-how, Kapazitäten zur schnellen Entwicklung von Innovationen sowie eine konsequente Kundenorientierung verfügen.

Ohne Scheuklappen

Gerade von diesem Kundenfokus reden Banken, seitdem es sie gibt. Gleichwohl kennen die branchenfremden IT-Unternehmen den Endkunden und seine Bedürfnisse besser als er sich selbst und schlagen daraus schnell Kapital. Um mit ihrem Tempo mitzuhalten, braucht es nicht nur das erwähnte Innovationsverständnis, sondern vor allem eine neue Fehlerkultur.

Denn nicht die gemachten Fehler sind das Problem, sondern die hemmende Angst davor. Weiter bedarf es der Bereitschaft, Veränderungen anzunehmen und die Vergangenheit kritisch und ohne Scheuklappen zu hinterfragen.

Henry Ford hat dazu mal gesagt, dass er Mitarbeiter will, die nicht wissen, was nicht möglich ist. Wir müssen also wieder neu lernen, die Komfortzone zu verlassen. Und schliesslich braucht es auch eine hohe technologische Kompetenz. Gemäss Global Financial Markets Association und PwC handelt es sich dabei allem voran um die vier Schlüsselkompetenzen Datamining und Analyse, Cloud Computing, Künstliche Intelligenz und Distributed Ledger Technology (Blockchain).

Grosse Chancen für kleine Player

Grössere Banken und Finanzplätze könnten aufgrund ihrer Strukturen Mühe haben, sich mit der nötigen Geschwindigkeit auf die bevorstehenden Veränderungen einzustellen.
Deshalb haben kleinere Private-Banking-Institute, die agil sind und über eine fokussierte Strategie mit klarem Kundenfokus verfügen, eine sehr gute Ausgangslage. Da diese Banken über ein weniger automatisierbares Geschäftsmodell verfügen, ist das Human-Kapital entscheidend.

Es ist daher von grosser Bedeutung, die vorhandenen Mitarbeitenden auf diese Reise mitzunehmen und neue mit den erwähnten Fähigkeiten anziehen zu können. Die Geschwindigkeit der Veränderungen war noch nie so hoch, wird aber in Zukunft auch nie wieder so langsam sein wie heute. In den Worten vom Komponisten John Cage: «Ich verstehe nicht, warum die Menschen Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten».


Simon Tribelhorn ist seit 2010 Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance beim Verband der Raiffeisenbanken in St. Gallen. Er ist seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig.

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