China und andere Schwellenländer haben ihre Daten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nachträglich nach oben angepasst. Wie gehen die Grossbanken in ihren volkswirtschaftlichen Abteilungen mit solchen «Ungenauigkeiten» um? 

Die Vorwürfe sind happig. US-Geheimdienstmitarbeiter haben laut einem Bericht der Nachrichtenagentur «Bloomberg» die Berichterstattung Chinas im Zusammenhang mit den Corona-Infektionen und Todesfällen als «absichtlich unvollständig» und auch als «gefälscht» bezeichnet.

Das britische Wirtschaftsmagazin «The Economist» vermutet zudem, dass auch zahlreiche Informationen aus den Philippinen, Russland, Myanmar und Indonesien nicht korrekt seien. Verwunderlich sei überdies, dass es in Nordkorea, trotz einer 1'400 Kilometer langen Grenze zu China, gemäss offiziellen Angaben noch eine Corona-Fälle geben habe.    

Diese Feststellungen sind auch für international tätige Banken von grösster Relevanz. Denn anhand der jeweiligen Daten erstellen die Institute ihre volkswirtschaftlichen Analysen, die wiederum Investoren helfen sollen, konzise Anlageentscheide zu fällen. Doch was geschieht, wenn sich diese Zahlen als falsch herausstellen?

Eigene Quellen

«Bestimmte Länder [und Regionen] verfügen natürlich über zuverlässigere Daten, wie die USA und Europa. Im Gegensatz dazu ist es bei manchen Schwellenländern schwierig, zeitnahe und zuverlässige Daten zu erhalten», sagt David Wang, Leiter China Economics bei der Credit Suisse (CS), im Gespräch mit finews.asia. «Soweit möglich, sprechen wir mit unseren Quellen vor Ort.»

In Peking verfügt die CS über ein Team namens China Quantitative Insight, das regelmässig Umfragen in Schlüsselindustrien durchführt, um ökonometrische Erkenntnisse zu gewinnen und die Ansichten und Prognosen von Wangs Teams zu untermauern. Die durchgeführten Umfragen decken dabei ein breites Spektrum an Themen ab. Dazu zählte jüngst auch die Reaktivierung der verschiedenen Wirtschaftssektoren nach dem Lockdown sowie das Verhalten der Konsumenten.

Offizielle und alternative Daten

Die Schweizer Grossbank ist nicht das einzige ausländische Institut, das in China versucht, eigene Daten zu erheben. Die amerikanische Bank Goldman Sachs beispielsweise bezieht alternative Daten wie Web-Traffic, Kreditkarten-Daten und linguistische Analysen über ihr Quantitative-Investment-Strategies-Team, das nicht nur Spezialisten vor Ort, sondern auch in den USA und Europa hat.

Aber selbst bei der ganzen Fülle an leicht verfügbaren Daten – sowohl offizieller als auch alternativer Art – ist am Ende menschliches Urteilsvermögen der Schlüssel, um zu verlässlichen Erkenntnissen zu gelangen. Das gilt vor allem für die Interpretation offizieller Regierungsdaten.

«Jedes Research-Team muss sich ein eigenes Urteil über die spezifische Reaktion der Regierungspolitik und deren Auswirkungen auf die untersuchten Volkswirtschaften bilden», erklärt Arend Kapteyn, Global Head of Economics and Strategy Research bei der UBS. «Top-Down-Modelle sind kaum nützlich, da jedes Land wieder anders ist.»

Niemand weiss es

Konkret prognostiziert die UBS beispielsweise nicht den Verlauf der Corona-Pandemie, sondern konzentriert sich stattdessen etwa auf Mobilitätseinschränkungen und leitet davon einzelne Erkenntnisse ab, die sie dann mit vergleichbaren Daten in anderen Ländern vergleicht.

Doch letztlich relativieren sich auch diese Informationen angesichts der Tatsache, dass es vorläufig kaum absehbar ist, ob und wie eine zweite Welle an Corona-Erkrankungen kommt. «Wir wissen es nicht, und die Regierungen wissen es ebenso wenig. Also passen wir unsere Prognosen laufend an», sagt Kapteyn von der UBS und illustriert damit gut, wie unzuverlässig viele Experten-Einschätzungen im schlimmsten Fall sind.

 

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