Einzelne Schweizer Finanzakteure haben Nachhaltigkeit inzwischen in ihrer Marke verinnerlicht. Doch im europaweiten Vergleich liegt das hiesige Asset Management zurück, wie eine finews.ch exklusiv vorliegende Studie zeigt.

Nachhaltigkeit ist in der hiesigen Fondsbranche in aller Munde, die Initiativen und Produkte-Lancierungen jagen sich. Dennoch gibt es noch viel zu tun. Dies zeigt der aktuelle Hirschel & Kramer Responsible Investment Brand Index (RIBI): Die Standards entwickeln sich europaweit so schnell, dass das hiesige Asset Management zurückzufallen droht.

Der RIBI-Index, der nun das dritte Jahr in Folge erhoben wurde, analysiert in seiner neuesten Ausgabe 284 Fondsfirmen in Europa und der Schweiz. Gemessen wurde einerseits, wie stark sich die Asset Manager für nachhaltige Ziele ins Zeug legen, etwa durch ihr Abstimmungsverhalten an Generalversammlungen. Anderseits erhoben die Autoren, inwieweit die Firmen dieses Engagement in ihrer Strategie und Organisation verinnerlicht und damit zu ihrem Markenzeichen (Brand) erhoben haben.

Insgesamt, hiess es, folgt das Ranking rund 300 verschiedenen Parametern.

Avantgardisten und Nachzügler

Die Westschweizer Brand-Spezialisten Hirschel & Kramer unterscheiden dabei zwischen vier Gruppen. Zum einen sind da die Avantgardisten, welche sowohl in Sachen Engagement wie auch in der Verinnerlichung im Brand punkten. Es folgen die Traditionalisten, die zwar engagiert sind, jedoch ihre Marke noch nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet haben. Aspiranten hingegen haben zwar an ihrem Brand gearbeitet, setzten sich aber effektiv zu wenig ein – während Nachzügler in keinem der beiden Gebiete grosse Stricke zerreissen.

Wie die Studienautoren schreiben, hat die Corona-Pandemie nachhaltige Anliegen nochmals mehr in den Fokus der Fondsindustrie gerückt. Die Nachhaltigkeits-Agenda, so die Erkenntnis, sei durch die Erfahrungen der letzten Monate massiv beschleunigt worden. Mehr und mehr Anbieter konzentrierten sich bei ihren Investments nicht mehr allein auf die Kapitalrendite, sondern berücksichtigen auch, was für die Gesellschaft als Ganzes dienlich ist.

Noch viel zu tun

Allerdings geht die Arbeit nicht aus, wie die Erhebung zeigt. Von den untersuchten Fondsfirmen zählen 47 Prozent ins Lager der Nachzügler und nur 19 Prozent zu den Avantgardisten (siehe Grafik unten). Jean-François Hirschel von Hirschel & Kramer erklärt dies einerseits mit der grösseren Stichprobe der jüngsten Untersuchung. Anderseits entwickelten sich die Standards rasant, was auch in der Erhebung zu insgesamt höheren Ansprüchen an die Fondsfirmen führen.

RIBI Tab1 500

Vor diesem Hintergrund schafften es keine Schweizer Akteure beim RIBI-Index in die Kränze. Axa Investment Managers, Federated Hermes International und Candriam, die sich das Siegerpodest teilen, sind allesamt keine hiesigen Anbieter, auch wenn sie teils in der Schweiz aktiv sind.

Die Krux mit dem Private Banking

Hirschel sagt zu finews.ch, die Schweizer Fondsindustrie rangiere insgesamt nahe am europäischen Durchschnitt, und es gebe eine erfreulich hohe Anzahl an Avantgarde-Firmen hierzulande. Hingegen entwickelten sich die Nachhaltigkeit-Standards so rasch, dass es fatal sein könne, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Ebenfalls benennt der Brand-Spezialist historische Gründe für den gefühlten Rückstand: Der Finanzplatz habe sich lange aufs Private Banking konzentriert, während das Asset Management eine eher untergeordnete Rolle spielte.

Mit den diversen Branchen-Initiativen von diesem Jahr dürfte sich dies aber ändern, erwartet Hirschel. Andere Staaten wie etwa Frankreich haben mit strengen Nachhaltigkeits-Vorgaben dazu beigetragen, dass heimische Fondsfirmen in Sachen Nachhaltigkeit gut abschneiden.

Aber auch hierzulande trennt sich die Spreu vom Weizen (siehe Tabelle unten). Gemäss dem Kriterien von Hirschel & Kramer schneiden gerade Westschweizer Anbieter gut ab. Auf dem Siegertreppchen finden sich die Fondsarme der Genfer Banken Pictet und Edmond de Rothschild wieder, während die brasilianisch-schweizerische Siegerin J. Safra Sarasin in Genf zumindest eine starke Präsenz unterhält. Neu in die Avantgarde vorgerückt ist auch Lombard Odier, während aus Zürich Vontobel den Sprung in die Spitzengruppe glückte.

RIBI tab2 500

Eine Grossbank fehlt

Das Asset Management der UBS, die Schweizer Marktführerin, hat es laut der Studie dank ihrem hohen Engagement für Nachhaltigkeit in die Top-Ten gebracht, dies allerdings als Traditionalistin. Die UBS-Erzrivalin Credit Suisse hingegen schaffte es nicht in die Auswahl.

Hirschel ermahnt dabei die Branche eindringlich, die Pandemie als Chance zu verstehen. «Ich bin überzeugt, dass die Krise eine fantastische Gelegenheit bietet, die Reputation des Asset Management zu verbessern. 2008 waren Finanzfirmen die Sündenböcke. Nun können sie Teil der Lösung des Problems sein.»

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