Das Ende des umstrittenen Libor-Referenzzinses sorgte am Finanzplatz einst für Alarmstimmung. In wenigen Wochen ist es nun tatsächlich soweit. finews.ch hat einem Pionier der Ablösung den Puls gefühlt.

Nur noch wenige Tage durchhalten – dann endet für Philipp Ackermann ein Grossprojekt, dass ihn und seine Arbeitgeberin vier Jahr lang auf Trab gehalten hat.

Übers Wochenende vollziehen die Raiffeisenbanken nämlich den Schritt zur Ablösung des Libors durch den neuen Saron-Referenzzins. Für Ackermann als Leiter Treasury war der Weg hierhin zuweilen eine Zitterpartie, galt es doch, Libor-Hypotheken mit einem Volumen in zweistelliger Milliardenhöhe abzulösen. «Bei Projektstart war der Ausgang völlig offen», erinnert er sich im Gespräch mit finews.ch. Aufs Jahresende hin ist der Franken-Libor definitiv Geschichte; an seine Stelle tritt der Saron (Swiss Average Rate Overnight).

Rot auf dem Risikomonitor

Als Marktführerin in Schweizer Hypothekengeschäft wollte Raiffeisen bei der Ablösung eine Pionierrolle übernehmen und preschte entsprechend vor. Noch einiges nervöser war man bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Behörde stellte Ende 2019 fest, dass sich viele Banken noch kaum mit dem Mammut-Projekt auseinandergesetzt hatten. Es gehe um «absolut substanzielle Volumen», warnten die Aufseher damals, und rief für den Libor die Alarmstufe rot in ihrem Risikomonitor aus.

Tatsächlich hingen am Libor Unsummen. Die Finma schätzte das betroffene Kontraktvolumen von ausserbörslich gehandelten Derivaten auf 6'600 Milliarden Franken; weiter richteten sich rund 85 Milliarden Franken an Krediten nach dem Franken-Libor, darunter auch die an Retailkunden verkaufte Libor-Hypotheken mit variablem Zinssatz. Dort wurde ein Pulverfass an Rechtsrisiken vermutet, wenn die Hypo-Verträge vom Libor auf den Saron umgeschrieben würden.

Monatliche Rapporte

Die Beaufsichtigten bekamen den Bammel der Finma zu spüren. «Es trifft zu, dass die Finma der Libor-Ablösung ein grosses Risikopotenzial zugemessen hat und die Finanzbranche eng beim Wechsel zum Saron begleitete», berichtet Ackermann. Raiffeisen Schweiz habe monatlich zu den Fortschritten rapportieren müssen.

So gross die Nervosität auf allen Seiten war, so scheint sie sich nun völlig verflüchtigt zu haben. Das hat Ackermann selber überrascht. «Heute lässt sich sagen, dass die Einführung der Saron-Hypotheken unsere kühnsten Erwartungen übertroffen hat», erklärt der Raiffeisen-Treasurer, «es ist sogar vorgekommen, dass unsere Kunden aktiv ‹den Saron› einforderten».

Babylonisches Referenzzins-Gewirr

Dies, obschon der neue Referenzzins eine verkopfte Angelegenheit ist. Der Saron wird nun von der Schweizer Börse SIX als unabhängige Stelle errechnet – als rückblickender Durchschnittswert tatsächlich bezahlter Zinsen. Das schafft Transparenz und verhindert Absprachen. Zur Erinnerung: Der Libor fiel weltweit in Ungnade, nachdem bekannt geworden war, dass Händler bei verschiedenen Banken diesen zu ihren Gunsten manipuliert hatten.

Gleichzeitig zerfällt das weltweite Referenzzins-Regime nun in diverse sogenannte Alternative Reference Rates (ARR). Wie die Schweiz stellen auch Grossbritannien und Japan aufs Jahresende um, auf den SONIA (Sterling Overnight Index Average) respektive die TORF (Tokyo Term Risk Free Rate). Die USA haben sich für den Wechsel zwei weitere Übergangsjahre ausbedungen, bevor die SOFR (Secured Overnight Financing Rate) Ende 2023 alle Vorgänger ablöst.

Ein babylonisches Referenzzins-Gewirr (dazu eine gelungene Aufstellung der Credit Suisse) also, in dem sich die Finanzprofis künftig zurechtfinden müssen.

Die Hypothekarkunden schert das aber offensichtlich wenig. Raiffeisen hat den bisherigen Bestand an Libor-Hypotheken beinahe komplett in Saron-Hypotheken überführen können, sagt Ackermann. Derweil seien Rechtsstreitigkeiten über auslaufende Libor-Hypotheken-Verträge ausgeblieben. «Wir hatten insgesamt nur wenige Rückfragen zum Wechsel», so der Raiffeisen-Banker.

Altbewährtes Prinzip

Auch in Bern hat sich der Puls beruhigt. Im neuesten Risikomonitor der Finma vom November wird die Libor-Ablösung nicht mehr als Hauptrisiko aufgeführt. In der Branche nimmt man an, dass zumindest die grossen Häuser den Wechsel vorbereitet und ohne grössere Zwischenfälle vollziehen werden.

Und wer noch nicht soweit ist, verlässt sich auf ein altbewährtes Prinzip: jenes der Kulanz. «Wo noch nicht umgestellt wurde, werden Banken ihren Kunden wohl Ersatzprodukte ohne Saron-Referenzzinssatz anbieten», glaubt Ackermann.

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