An der Börse gegen europäische Bankaktien zu wetten, war im März sehr profitabel. Die Leerverkäufer nahmen jedoch andere Finanzinstitute stärker ins Visier als die krisengeschüttelte Schweizer Grossbank.

Sie verdienen, wenn die Aktienkurse fallen und die meisten anderen Anleger Geld verlieren. Für Leerverkäufer erwärmt sich daher kaum jemand, und sie werden vom Publikum selten gefeiert. Im Gegenteil: Bei Börsencrashs werden Shortseller regelmässig an den Pranger gestellt und als «Bösewichte» charakterisiert. Als vermeintliche Verursacher fallender Aktienkurse ziehen die sogenannten Finanzhaie oft den Zorn vieler Anleger auf sich.

Selbst im James-Bond-Film Casino Royale spielt ein Shortseller den Hauptbösewicht. Und als während der Finanzkrise 2008 die Aktienmärkte bebten und Banken ins Wanken gerieten, wurden Leerverkäufe an einigen Börsen sogar kurzzeitig verboten, auch im Finanzmekka Wall Street. Kurzum: Der Leerverkäufer ist an der Börse eine äusserst unpopuläre Spezies.

Spitzengewinne im März

Auch in diesen Tagen stehen die Leerverkäufer wieder im Rampenlicht. Sie gehörten zu den grossen Profiteuren des Bankenbebens an den Börsen und der Turbulenzen um die Credit Suisse (CS). Mit Wetten gegen den europäischen Bankensektor haben die Shortseller im März bisher fast 1,9 Milliarden Dollar Gewinn gemacht.

Aus Schweizer Sicht vielleicht überraschend waren die CS-Aktien aber nicht die profitabelste Short-Position, wie die Zahlen des Leerverkaufsdaten-Spezialisten S3 Partners zeigen. Diese zweifelhafte Ehre gebührt der französischen Grossbank BNP Paribas, die den Leerverkäufern im März (noch nicht realisierte) Gewinne von insgesamt 357 Millionen Dollar bescherte.

Noch vor der Credit Suisse folgen auf den Plätzen zwei und drei das italienische Traditionshaus Unicredit und die britische Grossbank HSBC Holdings. Laut S3 sitzen «Shorties» auf den in der Schweiz kotierten CS-Titeln auf rund 78 Millionen Dollar an nicht realisierten Gewinnen. Weit abgeschlagen listet der Datenspezialist die UBS-Gruppe auf den Rängen 19 und 20. Inklusive der an der Wall Street kotierten ADRs brachten die UBS-Papiere den Leerverkäufern bisher rund 53,4 Millionen Dollar ein.

BNP Paribas das Hauptziel

Ein Blick in den umfangreichen Datenkranz zeigt, dass es das zweitgrösste Schweizer Kredithaus nicht einmal in die Spitzengruppe der am meisten geshorteten europäischen Bankaktien geschafft hat. Auch hier ist BNP Paribas das Hauptziel der Leerverkäufer. Die Shortpositionen belaufen sich auf rund 3,1 Milliarden Dollar. Danach haben es die Leerverkäufer vor allem auf die beiden italienischen Finanzinstitute Unicredit und Intesa Sanpaolo abgesehen.

In den letzten dreissig Tagen wurden im europäischen Bankensektor netto Leerverkäufe in Höhe von 5,42 Milliarden Dollar getätigt. Aber auch hier gehörte die Credit Suisse mit einer Zunahme von 251 Millionen Dollar nicht zu den Banktiteln mit den am meisten gestiegenen Leerverkäufen. Im Fokus der Finanzhaie standen erneut Unicredit, BNP Paribas und Intesa Sanpaolo. Bei Unicredit nahmen die Wetten auf fallende Kurse um fast 1,3 Milliarden Dollar zu.

Erst an sechster Stelle folgen die CS-Valoren, knapp vor der Partners Group, bei der die Shortpositionen um rund 211 Millionen Dollar aufgestockt wurden. Auch Julius Bär (plus 100 Millionen Dollar) rückte in diesem Zeitraum vermehrt ins Visier der «Sharks».

Kehrtwende

Unter dem Strich haben sich Leerverkäufe im europäischen Bankensektor im Jahr 2023 bisher nicht gelohnt, da die Shortseller laut S3 seit Jahresbeginn Marktwertverluste in Höhe von 1 Milliarde Dollar hinnehmen mussten. Ohne das Kursbeben im März sähe die Bilanz noch schlechter aus. Im bisherigen Jahresverlauf gehört die CS jedoch zu den profitabelsten Leerverkauf-Wetten – gleich nach ING, aber noch vor Unicredit.

So unbeliebt Leerverkäufer in weiten Kreisen sind, so oft wird übersehen, dass sie auch die Rolle von «Wachhunden» spielen. Sie spüren beispielsweise überbewertete oder gar betrügerische Unternehmen auf. Ihre Recherchen können zwar Kurseinbrüche auslösen, aber sie sind nicht verantwortlich für schlechte Fundamentaldaten oder hausgemachte Unternehmensprobleme, die letztlich ohnehin den Aktienwert belasten würden.

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