Das internationale Finanzsystem scheint den Kollaps mehrerer Banken bisher zu verkraften. Ist mit diesen Einzelereignissen die Vertrauenskrise überwunden?

«Es gibt sie, und es gibt sie nicht»: So beschreibt Andrea Orcel das Ausmass der derzeitigen Bankenkrise. Gemäss dem CEO der italienischen Grossbank Unicredit gab es zwar in den USA und der Schweiz zwei Schocks. Diese Erschütterungen blieben aber begrenzt, nicht zuletzt wegen der Kapitalstärke der europäischen Banken, sagte der einstige UBS-Manager am Donnerstag zum amerikanischen Wirtschaftsmagazin «Businessweek» (Artikel kostenpflichtig).

Orcel sieht auch keine Parallelen zur globalen Finanzkrise von 2008 oder zur US-amerikanischen Spar- und Darlehenskrise in den späten 1980er Jahren.

Vorerst bestandener Härtetest

Doch in den vergangenen Wochen war das internationale Finanzsystem zweifellos einem Härtetest ausgesetzt. Ausgehend von den USA gerieten verschiedene Banken unter den Verdacht, rigideren Finanzbedingungen nicht standhalten zu können oder wegen fehlerhaften Managements in Bedrängnis zu geraten.

Mittlerweile haben sich die Wogen etwas geglättet, wie auch die Ökonomen der Raiffeisen Gruppe in ihrer jüngsten Analyse herausstreichen. Eine vorsichtige Entwarnung ist vor allem aus den USA zu vernehmen, wo die Liquiditätsunterstützung durch die amerikanische Notenbank zurückgefahren wurde.

Deutsche Bank aus der Schusslinie

So liehen sich die Banken über das Diskontfenster und das neue «Bank Term Funding Program» insgesamt 153 Milliarden Dollar, was 11 Milliarden Dollar unter dem Wert der Vorwoche lag.

Auch in Europa entspannte sich die Situation. Besonders die Deutsche Bank, an deren Verfassung in den vergangenen Tagen Zweifel angemeldet wurden, geriet wieder aus der Schusslinie.

Robuste Eurozone

Zuversichtlich stimmt gemäss den Raiffeisen-Ökonomen daneben, dass die Regulierungsbehörden die Kapital- und Liquiditätsausstattung der Eurozone-Banken nach wie vor als durchweg robust bewerten.

Im Gegensatz zu den US-Regionalbanken unterliegen die europäischen Banken strikteren Vorschriften beim Zinsänderungsrisiko. So bestehen etwa für Marktwertverluste von Anlagen, die bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden, zusätzliche Kapitalanforderungen.

Wenig Kreditausfälle

Zudem verfügen die Eurozone-Banken meist noch über hohe Einlagenpolster bei der EZB, die von der reichlichen Liquiditätsversorgung während der Pandemie mittels Langfrist-Refinanzierungsoperationen (TLTRO) herrühren.

Darüber hinaus bleiben die Kreditausfälle, ungeachtet gewisser Corona-Nachholeffekte bei den Insolvenzen, dank der widerstandsfähigen Konjunktur bislang niedrig.

Übergreifen auf Immobilien?

Skeptiker trauen allerdings der Ruhe nicht. Sie befürchten, dass ein ganzes Jahrzehnt von Nullzinsen in zahlreichen Portfolios zu gefährlichen Umschichtungen geführt hat. So erhöhten etwa Pensionskassen gemäss Zahlen von Willis Towers Watson auf der Jagd nach Renditen die Anlagen in Gewerbeimmobilien und alternativen Anlagen von 15 Prozent im Jahr 2007 auf 23 Prozent im Jahr 2022.

Immobilien könnten vor allem in den USA zu einem neuen Krisenherd werden, weil etwa 60 Prozent der dortigen Kredite an Gewerbeimmobilien von kleineren Banken vergeben werden.

Bremsende Notenbanken

Ein weiteres Indiz für weiterhin schwierige Finanzbedingungen ist, dass die Zentralbanken zu aufgrund ihrer restriktiven Geldpolitik auch zu einer quantitativen Straffung übergehen. Während die Zentralbanker den Bilanzabbau vor allem als technischen Prozess betrachten, erlebt der Finanzsektor ihn als klassischen Schuldenabbau.

Steigende Zinsen, das rasche Wachstum von Vermögenswerten in wenig regulierten Bereichen und der Schuldenabbau könnten sich in dieser Lesart zu einer toxischen Mischung zusammenbrauen. Dann wäre die gerade abebbende Welle der vereinzelten Bankkrisen lediglich der Auftakt gewesen zu einem bevorstehenden systemischen Finanz-Tsunami.

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