Der künftige Direktor der Schweizer Finanzaufsicht ist in den USA aufgewachsen, hat an der Wall Street und in Europa Banken beaufsichtigt und ist illusionslos, was deren Krisenanfälligkeit betrifft. Das macht Stefan Walter zur idealen Besetzung für die Überwachung der «neuen» UBS.

Dass er der Europäischen Zentralbank (EZB) den Rücken kehrt, wusste Stefan Walter (Bild unten) schon, bevor in der Schweiz Urban Angehrn als Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) seinen Rücktritt eingereicht hat: Im vergangen Juni überraschte der damalige Generaldirektor über den Online-Dienst «Linkedin» mit der Durchsage, dass er seine Position zum Jahresende 2023 verlassen werde.

Bankenkenner folgt auf Versicherungsexperten

Der Eintrag ist inzwischen gelöscht. Hingegen kann der renommierte Bankenaufseher seinem Profil bald eine weitere Karrierestation hinzufügen: Wie die Finma am (gestrigen) Mittwoch mitteilte, wird der Deutsche am 1. April das Direktorium der Behörde übernehmen.

Auf den Versicherungsexperten Angehrn, der im vergangenen September aufgrund der hohen Belastung bei der Notrettung der Credit Suisse (CS) seinen Abschied nahm, folgt mit Walter ein Bankenkenner, der seit den 1990er-Jahren jede Finanzkrise an exponierter Stelle mitgemacht hat.

(Bild: EZB)

Traumstelle bei der Fed

Begonnen hat dies bei der amerikanischen Notenbank (Fed) in New York, der ersten beruflichen Station des heute 59-Jährigen. Die Karrierwahl war naheliegend: Walter, in Deutschland geboren, ist im kalifornischen San Diego aufgewachsen, wo sein Vater an der Universität lehrte. Das Abitur machte er in Deutschland, wechselte dann aber für sein Studium der Banken- und Finanzwissenschaften an die Elite-Universität Berkeley zurück in die Staaten.

Mit dieser Ausbildung dürfte die Berufung zur Bankenaufsicht bei der Fed eine Traumstelle gewesen sein. Auch die US-Notenbank konnte aber die Subprime-Krise nicht verhindern, die im Jahr 2008 das weltweite Finanzsystem beinahe in den Abgrund riss.

Verhandlungen zu Reform koordiniert

Walter war damals bereits weiter gezogen. Von 2006 bis 2011 wirkte er als Generalsekretär des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). In dieser Funktion war er während der globalen Finanzkrise beauftragt, die internationalen Verhandlungen zur Regulierungsreform Basel III zu koordinieren.

Er war also mit dabei, als die Vorschriften, aus denen sich die Schweizer «Too big to fail»-Regeln für die Grossbanken ableiten, geschrieben wurden.

«Das ist unannehmbar hoch»

Dabei machte sich der Bankenbändiger keinerlei Illusionen über die Krisenanfälligkeit der Branche, wie aus einer Rede bei der BIZ in Basel aus dem Jahr 2011 hervorgeht. «Die Kosten von Bankenkrisen sind extrem hoch, aber leider auch deren Häufigkeit», erklärte Walters seinem Publikum. Seit 1985 habe es über 30 Bankenkrisen in den Mitgliedsländern des Basler Ausschusses gegeben. Dies entspreche einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent, dass ein Mitgliedsland des Basler Ausschusses in einem Jahr beliebigen Jahr eine Krise erlebe. «Eine Chance von 1:20, das ist unannehmbar hoch», folgerte Walter.

Für das Mitgliedsland Schweiz zeigt sich seither, dass dieses etwa alle 15 Jahre eine Bankenkrise erlebt: Auf die Hypothekenkrise in den 1990er-Jahren folgte die Rettung der UBS mit Steuergeldern im Jahr 2008. Im März 2023 schliesslich kam es zum Zwangsverkauf der CS an die UBS. Abermals musste der Staat milliardenschwere Garantien geben.

Die UBS musste einspringen

Sinnigerweise lag ein Sanierung der CS bis zuletzt als Variante zum Verkauf an die UBS auf dem Tisch, wurde aber zuletzt auch von den eng involvierten ausländischen Behörde als (zu) risikoreich betrachtet.

Also musst die UBS die Krisenbank stabilisieren, was ihr unter flankierenden Massnahmen von Bund, Finma und Schweizerischer Nationalbank (SNB) gelungen ist. Der «Too big to fail»-Regulierung, zu deren Vätern Walter gezählt werden darf, haftet seither der Makel an, beim über Jahre hinweg vorbereiteten Krisenfall nicht zum Einsatz gelangt zu sein.

Es verbleibt die schmerzhafte Sanierung

Wie finews.ch unlängst analysierte, wird es aber künftig keinen «Plan B» mehr geben. Denn keine Schweizer Bank ist gross genug, um notfalls die «neue» UBS zu retten. Staatlich garantierte Liquiditätshilfen (Public Liquidity Backstop, PLB) wiederum könnten die Eidgenossenschaft rasch an ihre Grenzen bringen.

Bleibt die schmerzhafte Sanierung der Megabank – und wer könnte die Voraussetzungen hierzu besser schaffen als jemand, der wie Walter die Grundlagen erarbeitet und dann in der Regulierung der europäischen Grossbanken bei der EZB umgesetzt hat.

Logischer Fürsprecher für schärfere Instrumente

Dass der designierte Direktor der Finma sich dabei mit den wichtigen ausländischen Regulatoren nicht nur austauscht, sondern dort seine bisherige Karriere verbracht hat, dürfte dabei zu einem nicht zu unterschätzenden Vorteil für die Sicherheit des Schweizer Finanzplatzes werden.

Von der Europäischen Zentralbank, aber vor allem von der US-Fed, wird Walter dabei eine ganz andere Machtfülle im Umgang mit den beaufsichtigten Instituten gewohnt sein. Er dürfte somit zum logischen Fürsprecher schärferer Instrumente für die Finma werden. Angedacht sind hier bereits die Kompetenz zu Bussen und eine offenere Kommunikation über fehlbare Institute und Einzelpersonen.

Walter hat bereits Übung darin, Banker ins Schwitzen zu bringen: Er hat bei der EZB die «Stresstests» für die grossen europäischen Geldhäuser ausgearbeitet und durchgeführt.

(Bild: Keystone)

«Amerikatypischer Brutalo-Humor»

Damit sollte er neue Finma-Direktor auch in der Lage sein, dem UBS-Präsidenten Colm Kelleher (Bild oben) Paroli zu bieten. Das Aufeinandertreffen der beiden Finanzprofis verspricht spannend zu werden: Beide kennen die Wallstreet-Kultur bestens, hatten mit den grössten westlichen Banken zu tun und mit diesen Höhen und Tiefen durchlebt.

Während es von Kelleher heisst, er neige zu Scherzen und Streichen gegenüber Mitarbeitenden, so beherrscht Walter offenbar den «amerikatypischen Brutalo-Humor», wie ein Reporter der deutschen «WirtschaftsWoche» einst feststellte. Auf eine Frage des Journalisten hin soll der damalige EZB-Kader geantwortet haben: «Wenn ich es dir sagen würde, müsste ich dich umbringen.»

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