Tycho Sneyers, Verantwortlicher für nachhaltige Anlagen bei LGT Capital Partners, sieht bei institutionellen Anlegern einen eindeutigen Trend zu ökologisch und sozial ausgerichtetem Investieren.


Herr Sneyers, viele Privatanleger sind nachhaltigen Anlagen gegenüber immer noch höchst zurückhaltend. Gilt das auch für professionelle Anleger?

Nein, Nachhaltigkeit ist in diesem Segment ein riesiges Thema. Die UN Principles for responsible Investments (UN-PRI) existieren seit ungefähr zehn Jahren. In diesem Zeitraum hat sich das Anlagevolumen, das nach diesen Richtlinien verwaltet wird, von etwa 6 Billionen auf rund 62 Billionen US-Dollar verzehnfacht.

Dieses Volumen entspricht gut einem Drittel der Gesamtkapitalisierung der globalen Aktien- und Bondmärkte. Aktuell haben rund 1'500 Vermögensverwalter, darunter auch die LGT, die UN-PRI-Richtlinien unterschrieben. Vor zehn Jahren waren dies nur 100 Institutionen. Nachhaltigkeit wird zumindest bei institutionellen Anlegern eindeutig zum Mainstream.

Und wie sieht das bei Ihren eigenen Kunden und Zulieferern aus?

Wir haben nicht nur die UN-PRI unterzeichnet, sondern unterstützen auch weitere Nachhaltigkeitsinitiativen. Zudem ist kein von uns verwaltetes Kundenportfolio in Unternehmen investiert, die an der Herstellung, Lagerung und Lieferung kontroverser Waffen wie Atombomben, Landminen, Streumunition sowie biologischer und chemischer Waffen beteiligt sind. Ein Grossteil unserer Kunden geht aber wesentlich weiter.

Wie weit?

Heute verlangen etwa 80 Prozent der institutionellen Kunden, die von uns einen Anlagevorschlag einholen, dass wir auch das Thema Nachhaltigkeit adressieren. Ebenso spielen die ESG-Kriterien bei der Auswahl unserer externen Anlagemanager eine wichtige Rolle. Seit vier Jahren erstellen wir jährlich den LGT ESG-Report, der auf einer systematischen Befragung unserer externen Manager für alternative Anlagen zum Thema Nachhaltigkeit basiert.

«Wir können dazu beitragen, dass mehr Anlagekapital in nachhaltige Projekte fliesst»

Im Jahr 2013 haben 28 Prozent von ihnen ESG-Kriterien berücksichtigt. In der letztjährigen Umfrage waren es bereits 61 Prozent. Ich bin überzeugt, dass die LGT ein wichtiger Treiber dieser Praxisänderung ist. Als Teil der Finanzindustrie können wir also dazu beitragen, dass ein stetig wachsender Anteil des Anlagekapitals in nachhaltige Unternehmen und Projekte fliesst.

Wissen Sie, wie institutionelle Anleger die Renditeaussichten nachhaltiger Anlagen beurteilen?

Eine Studie des Beratungsunternehmens Mercer und der LGT zeigt, dass 57 Prozent der befragten Teilnehmer – das sind meist oberste Anlageverantwortliche oder Senior Portfoliomanager beispielsweise von Pensionskassen – davon ausgehen, dass die Beachtung von ESG-Kriterien zu einer höheren risikobereinigten Anlageperformance führt. 34 Prozent meinten, dass ESG keinen Einfluss auf die Rendite habe. Und nur neun Prozent erwarten einen negativen Einfluss.

Von den 57 Prozent glaubt wiederum ein Grossteil, dass der positive Einfluss stärker von einer Risikominderung als einer Performancesteigerung herrührt. Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass die Performance nachhaltiger Anlagen im Vergleich mit traditionellen Anlagen zumindest ebenbürtig ist. Dies zeigen auch die Resultate unserer hauseigenen nachhaltigen Anlagefonds.

Die LGT hat mit dem ESG-Cockpit ein eigenes System zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen und Staaten entwickelt. Was ist dessen Grundidee?

Wir sind davon überzeugt, dass wir durch die Beachtung von ESG-Kriterien im Anlageprozess die finanzielle Rendite positiv beeinflussen können. Um nachhaltige Portfolios zu konstruieren, wollten wir deshalb genau auf diejenigen Kriterien Zugriff haben, die nach Meinung des jeweiligen Kunden oder nach unserer eigenen Meinung am wichtigsten sind.

«In unseren Anlagefonds haben wir in Zusammenarbeit mit der Fürstlichen Familie Ausschlusskriterien formuliert»

Unser ESG-Cockpit gibt uns diesbezüglich sehr grosse Flexibilität, um auf unterschiedliche Anforderungen oder Zielsetzungen unserer Kunden individuell einzugehen. Wir können beispielsweise ein Portfolio mit sehr tiefem CO2-Fussabdruck konstruieren oder ein Portfolio, das gewisse Aktivitäten ausschliesst, beispielsweise die Alkoholproduktion oder Glücksspiele.

In unseren eigenen nachhaltigen Anlagefonds haben wir in Zusammenarbeit mit der Fürstlichen Familie Ausschlusskriterien formuliert und suchen unter den verbleibenden Aktien und Anleihen diejenigen aus, welche unter Nachhaltigkeits- und Renditeaspekten am attraktivsten sind.

Können nachhaltige Anleger überhaupt das Verhalten von Unternehmen und Staaten beeinflussen und damit zu einer nachhaltigeren Welt beitragen?

Ja, definitiv. Die ganze Wirtschaft bewegt sich in Richtung Nachhaltigkeit. Nicht nur die Regulatoren und die Konsumenten, sondern auch Anleger spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Sie werden nämlich Aktivitäten, die aus sozialer oder ökologischer Sicht schädlich sind, früher oder später schlicht nicht mehr finanzieren. Dies stellt die Existenz der betreffenden Unternehmen grundlegend in Frage.

«Die Beachtung von ESG-Kriterien wird zu höheren Renditen beitragen»

Ein gutes Beispiel hierfür sind Kohle-Bergwerke. Ein weiteres Beispiel für den Einfluss von Investoren sind die CO2-Emissionen. Analysten und Grossinvestoren verlangen von den Unternehmen zunehmend Transparenz über ihren ökologischen und sozialen Fussabdruck, wozu eben auch solche Emissionen gehören. Und wenn ein Unternehmen diese einmal offengelegt hat, unterliegt es dem Zwang, jährlich tiefere Werte auszuweisen.

Es gibt aber auch positive Anreize: So werden für immer mehr Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften und die Beachtung von ESG-Kriterien zu einem wichtigen Werttreiber, also zu einer Quelle von positivem Image, Wachstum und Gewinn. Aus dieser Optik wird die Beachtung von ESG-Kriterien künftig nicht nur zur Risikominderung, sondern zunehmend auch zu höheren Renditen in Anlageportfolios beitragen.