Der potenzielle Wachstumsgewinn unter der Administration von Donald Trump sei vermutlich grösser als es bei einem Wahlsieg der Demokraten der Fall gewesen wäre, sagt LGT-Stratege Mikio Kumada im Interview.


Herr Kumada, die Wahl von Donald Trump hat die Finanzmärkte positiv beeinflusst. Die US-Börse ist mittlerweile sehr stolz bewertet. Lohnt es sich noch, in amerikanische Aktien zu investieren?

Ja. Die US-Konjunktur zeigt sich schon seit geraumer Zeit von einer zunehmend robusten Seite. Die Unternehmensgewinne steigen wieder, und der deflationäre Einfluss der Energie- und Rohstoffbaisse der vergangenen Jahre ist längst abgeklungen, vielleicht sogar reversiert.

Dazu kommen jetzt sowohl fiskalpolitische (Steuersenkungen, Infrastrukturinvestitionen) als auch angebotsseitige Massnahmen (Deregulierung des Finanzsektors) wahrscheinlich stärker zum Einsatz. Der potenzielle Wachstumsgewinn ist damit wohl grösser, als es bei einem Wahlsieg der Demokraten der Fall gewesen wäre.

«Unsere positive Einschätzung der US-Konjunktur zeichnete sich schon vor dem Wahlergebnis ab»

Besonders interessant dabei ist, dass sich die Straffungsabsichten der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) trotzdem nur sehr moderat verschärft haben, was de facto einer Lockerung der geldpolitischen Grundhaltung gleichkommt. Das ist wichtig, weil es den reflationären Effekt der oben erwähnten Faktoren untermauert.

All das dürfte sich natürlich entsprechend in den Finanz- und Industriegewinnen der Unternehmen, insbesondere in den zyklischen Branchen, niederschlagen. Das relativiert die etwas gestiegenen Börsenbewertungen, die nach unserer Einschätzung für die USA in etwa fair und anderswo sogar teilweise immer noch günstig sind.

Unsere grundsätzlich tendenziell positive Einschätzung der US-Konjunktur zeichnete sich übrigens schon vor dem US-Wahlergebnis ab und hing nicht unbedingt primär davon ab. Sollte es der Trump-Administration nun gelingen, zusätzliche Wachstumspotenziale zu entfesseln, kann uns das natürlich nur Recht sein.

Entscheidend für die weitere Entwicklung an der Börse werden die Zinserhöhungen sein. Wie sieht Ihr Szenario aus?

Die Fed wird wohl bei ihrer sehr zögerlichen Zinserhöhungs-Politik bleiben. Dabei dürfte sie tendenziell signalisieren, dass sie im Zweifelsfall lieber etwas zu viel als zu wenig Inflation zulassen würde.

«Das bedeutet wohl zwei bis drei Zinserhöhungen in diesem Jahr»

Im Kontext der aktuellen konjunkturellen Dynamik und Marktstimmung bedeutet das wohl zwei bis drei Zinserhöhungen in diesem Jahr. Sollte Trump tatsächlich sehr grosse Steuersenkungen und umfangreiche Infrastrukturprogramme durchsetzen, könnten es auch mehr werden.

Sinn der Sache ist jedenfalls, dass die Fed den erwarteten fiskalischen Wachstumsschub nicht gänzlich durch schnellere und/oder grössere Zinserhöhungen neutralisiert, ohne dabei ihre Glaubwürdigkeit zu riskieren. Das ist natürlich eine Gradwanderung – bisher hat die Fed diese allerdings ganz gut gemeistert. Wir sehen das in der Tatsache, dass der Dollar und die US-Inflationserwartungen gleichzeitig steigen.

Technologie-Titel, US-Aktien sowie Dividendenpapiere aus Europa waren in den vergangenen Monaten unter Anlegern gefragt. Der asiatische Markt stand stattdessen etwas im Hintergrund. Ist es nun Zeit, in asiatische Aktien zu investieren?

In Japan grundsätzlich ja, weil die Aussicht auf ein höheres US-Wirtschaftswachstum die zuvor etwas unfairerweise ignorierte Reflationsmassnahmen der japanischen Notenbank und Regierung plötzlich stärker ins Bewusstsein der Anleger gerückt hat.

Hier dürften Aktien auf breiter Basis profitieren – Exportsektoren ebenso wie binnenwirtschaftlich orientierte Brachen, wie die Banken oder der Immobilienbereich.

«Indien könnte nach der jüngsten Korrektur wieder interessant werden»

Im restlichen Asien-Pazifik würden wir vorerst eher selektiv vorgehen – im Rahmen einer insgesamt neutralen Allokation. Aus mittel- bis längerfristiger Sicht findet man allerdings in sehr vielen Sektoren attraktive Werte, sowohl in defensiven Bereichen wie der Gesundheitsvorsorge und dem zyklischen Konsum als auch unter Exporteuren, Technologie- respektive Halbleiter-Werten.

Relativ stabil dürften sich die rohstoffexportierenden Länder erweisen, womit auch der Energie- und Rohstoffsektor nicht vernachlässigt werden sollte, während Indien nach der jüngsten Korrektur wieder interessant werden könnte.

«Da spielen die zyklischen Makrotrends eine geringere Rolle»

Wer sich übrigens wirklich langfristig und signifikant in Asien engagieren will und Wert auf qualitative Selektion legt, sollte unbedingt Private Equity als Vehikel in Betracht ziehen. Da spielen die zyklischen Makrotrends eine geringere Rolle.

Wäre jetzt auch ein Einstieg in chinesische Aktien sinnvoll?

Im Kontext einer vernünftigen Vermögensallokation bleibt ein relativ hohes Engagement in China aus unserer Sicht längerfristig weiterhin wichtig und sinnvoll. Ob der aktuelle Zeitpunkt generell für Aktienzukäufe in China der günstigste ist – daran zweifeln wir vorerst noch.

«Das Yuan-Währungsrisiko lässt sich weniger einfach und günstig absichern»

Dabei spielt auch das Risiko einer weiteren Abschwächung des chinesischen Yuan eine Rolle. Denn anders als im Fall von liquiden Nullzins-Währungen von Ländern in hochentwickelten, offenen Finanzsystemen lässt sich das Yuan-Währungsrisiko weniger einfach und günstig absichern.

Der Bereich Unterhaltung/Reisen/Bildung ist in Ländern wie China immer interessant. Letzteres gilt auch für Glückspiel-Segment – zumindest für jene Anleger, die keine ethisch begründeten Restriktionen diesbezüglich haben.


Mikio Kumada ist Global Strategist der LGT. Er betrachtet ökonomische Zusammenhänge aus einer internationalen Perspektive. Als Sohn japanisch-griechischer Eltern wuchs er in Russland, Deutschland und Japan auf, studierte in Wien und arbeitete unter anderem in London und Athen.

Im Jahr 2002 stiess er zur LGT und zog 2008 nach Asien. Wenn er nicht gerade die Finanzmärkte analysiert oder kommentiert, erkundet er die zahlreichen subtropischen Wanderwege in und um Hongkong. Man kann ihm auch auf Twitter folgen unter @Mikio_Kumada.