In den USA hat der Zyklus der Zinserhöhungen begonnen. Was bedeutet das für die Anleger? Franz Wenzel von Axa Investment Managers liefert eine Einschätzung.

Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers. Er schreibt monatlich abwechselnd mit Stephan Heitz eine Kolumne für finews.ch.

«Desperate times call for desperate measures.» Wir wissen nicht, ob dies der Leitgedanke der amerikanischen Zentralbank war, als sie sich im Dezember 2008 dazu entschied, einen für die USA völlig neuen Weg in Sachen Geldpolitik zu beschreiten und mit massiven Liquiditätsspritzen in der Höhe von 3’500 Milliarden Dollar (Englisch: Quantitative Easing, QE) die US-Konjunktur wieder auf Kurs zu bringen.

Allerdings mehren sich die warnenden Stimmen, und eine Kehrtwende steht wohl bevor. Das Kürzel hierfür ist bereits geprägt: QT (Quantitative Tightening) oder einfacher formuliert: Zinserhöhungen durch die Hintertür, da die Notenbank als potenzielle Käuferin ausfällt.

Auswirkungen unzureichend erfasst

Damit stellt sich die Frage, worauf sich die Finanzmärkte einstellen müssen. Dabei muss sich die amerikanische Zentralbank wieder auf ihre Intuition verlassen. Eine Blaupause für das QT gibt es nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass bis heute die Auswirkungen des ursprünglichen QE nicht hinreichend erfasst sind.

Am einfachsten lässt sich diese Unsicherheit an der immensen Schätzbandbreite ablesen. Man vermutet, dass die Summe aller QE-Massnahmen Zinssenkungen zwischen 250 und 650 Basispunkten entsprechen.

Feinmechanisches Geschick

Vor diesem Hintergrund gilt es, die richtige Dosierung für das QT zu finden. War im Zuge der Finanzkrise ein schnelles, aggressives Handeln zur Schadensbegrenzung gefordert («Desperate Measures»), wird der Notenbank nunmehr feinmechanisches Geschick und eine wohldosierte Kommunikation abverlangt werden.

Wir meinen, dass die Notenbank ihre Bilanz um 300 bis 350 Milliarden Dollar pro Jahr reduzieren wird, was einer Zinserhöhung von 25 bis 50 Basispunkten entspricht. Dafür wird sie wohl weniger an der klassischen Zinsschraube drehen.

Andere Spielregeln

Ungeachtet der Methodik (klassische Zinserhöhung oder QT) ist festzuhalten, dass in den kommenden eineinhalb Jahren eine weitere geldpolitische Straffung unausweichlich erscheint. Höhere Zinsen am langen Ende sind die Folge, insbesondere da das QT das Angebot an US-Staatsobligationen ceteris paribus erhöht und damit die Zinsen am langen Ende direkt betrifft. In der Summe erwarten wir die Rendite für US-Staatsobligationen bei etwa 3,5 Prozent per Ende 2018. Kursverluste von rund 6,5 Prozent wären die Folge.

Was bedeutet das nun für die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB)? Zwar ist der konjunkturelle Zeitversatz zwischen den USA und Europa mit ungefähr vier Quartalen relativ stabil. Bei der Geldpolitik gelten allerdings andere Spielregeln. Offiziell wurde die US-Rezession im Juni 2009 für beendet erklärt. Ende 2013 begann die US-Notenbank, ihr QE sukzessive zu reduzieren. Die erste Zinserhöhung folgte im Dezember 2015.

Monatliches «Shopping» reduziert

So lange wird die EZB nicht stillhalten. Der erste Schritt ist bereits getan: Im April hat die EZB ihr monatliches «Shopping» von 80 Milliarden Euro auf 60 Milliarden Euro reduziert. Für 2018 kann mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die EZB ihr Ankaufprogramm weiter reduziert.

Angesichts der niedrigen Inflationsrate, die deutlich unter der von der EZB geforderten 2 Prozent-Marke bleibt, sind Zinserhöhungen noch in weiter Ferne. Analog zu den USA implizieren die Normalisierung der Zeitprämie und die Korrelation mit den USA einen Renditeanstieg in der Höhe von etwa 80 Basispunkten auf Sicht bis Ende 2018. Dies kommt einem Kursrückgang von etwa 7 Prozent gleich.

Willkommene Verschnaufpause

Angesichts des strukturellen Aufwärtstrends des Franken und einer Nullinflation wird die SNB die kurzfristigen Zinsen unverändert auf dem aktuellen Niveau von etwa -75 Basispunkten belassen. Die aktuelle Eurostärke ist zwar eine willkommene Verschnaufpause, mehr aber auch nicht.

Deviseninterventionen sind unumgänglich. Am langen Zinsende wird die Korrelation zwischen deutschen und eidgenössischen Obligationen weiter das Tagesgeschehen bestimmen.

Weltweites Echo

Investoren sind gut beraten, die Portfolios auf steigende Zinsen auszurichten, unabhängig von der Region. Eine straffere Geldpolitik in den USA hat ein weltweites Echo.


wenzel franz 134 192Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.

Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.

 

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