Die Banken funktionieren nach dem Herdentrieb. Entweder seien alle super-euphorisch oder alle bliesen Trübsal. Nun überwiege letzteres, sagt finews.ch-CEO Claude Baumann gegenüber fundplat.com.


Herr Baumann, wird 2019 wirklich alles viel schlimmer?

Das könnte man im Moment meinen – «bad news» grassieren geradezu inflationär. Doch die Bankbranche funktionierte schon immer nach dem Herdentrieb. Entweder sind alle super-euphorisch oder alle blasen Trübsal. Nun überwiegt letzteres.

Dabei ist die aktuelle Situation die beste Gelegenheit, um über die Bücher zu gehen, die eigene Anlagestrategie an den neuen Zyklus anzupassen und nach alternativen Investmentmöglichkeiten Ausschau zu halten, etwa im Bereich Privatmarkt-Anlagen (Private Equity).

Sind Sie nicht etwas überoptimistisch?

Nein. Letztlich hängt es davon ab, welchen Anlagehorizont Sie vor Augen haben. In Asien beispielsweise ist Volatilität an den Märkten gang und gäbe. Damit «spielt» man, ohne bei jedem Kurseinbruch gleich in Panik zu verfallen. Parallel dazu plant man immer auch langfristig.

«In Schwellenländern eröffnet die Digitalisierung der Bevölkerung ungeahnte Möglichkeiten»

Nehmen Sie nur einmal Vietnam (96 Millionen Einwohner), die Philippinen (105 Millionen) und Indonesien (264 Millionen). Das sind riesige Volkswirtschaften mit zusammengerechnet fast einer halben Milliarde an mehrheitlich jungen Menschen. In diesen Ländern besteht ein enormer Bedarf, der sich in verschiedenen Branchen manifestiert.

Konkret?

Gerade in Schwellenländern eröffnet die Digitalisierung weiten Kreisen der Bevölkerung bisher ungeahnte Möglichkeiten. Übers Handy können die Menschen x-beliebige Konsumgüter vergleichen und kaufen, Dienstleistungen beanspruchen sowie Finanzgeschäfte aller Art tätigen. Firmen, die in diesen Bereichen aktiv sind und untereinander erst noch digital kooperieren, haben eine grosse Zukunft. Da bietet sich viel Potenzial.

Apropos Banken: Die Schweiz assoziiert man im Ausland oft mit ihren Banken. Wo stehen die Geldhäuser nach rund fünf Jahren Digitalisierung?

Die Aufbruchsstimmung ist sicherlich nicht mehr dieselbe. Die Digitalisierung ist heute «mainstream». Alle Banken geben inzwischen vor, digital zu sein. Doch in den meisten Fällen gehen sie nicht die «letzte Meile».

Warum?

Weil sie sich sonst zu grossen Teilen überflüssig machen würden. Für zahlreiche Finanzgeschäfte braucht es immer seltener eine Bank. Denken Sie nur an den Zahlungsverkehr, an bestimmte Kredite, an Devisengeschäfte oder an gewisse Anlagestrategien.

«Alles andere ist Augenwischerei»

Dafür braucht es keine Banken mehr. Mit dem Vormarsch der Blockchain, die sogenannte Smart Contracts ermöglicht, wird sich diese Entwicklung noch beschleunigen und weitere Geschäftsbereiche der Banken erfassen. So befinden sich die Banken in einem Dilemma, wie weit sie die Digitalisierung vorantreiben wollen.

Was bedeutet das für deren Zukunft?

Spezialisierung. Banken, die morgen Erfolg haben wollen, müssen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und nicht von allem etwas anbieten. Retailbanken sollen sich aufs Firmen- und Kleinkundengeschäft fokussieren, und nicht auch noch Privatbank spielen. Umgekehrt gilt auch: Privatbanken sollten sich auf die wirklich Vermögenden ausrichten. Denn nur in diesem Segment lassen sich die entsprechenden Gebühren erheben.

Alles andere ist Augenwischerei, genauso wie das Investmentbanking der beiden Schweizer Grossbanken: Es ist zu klein, um damit international in der ersten Liga zu spielen, und gleichzeitig ein riesiger Kostenfaktor, der aufgrund der diffusen Gesamtstrategie der beiden Grossbanken den Aktienkurs seit Jahren belastet.

Was geschieht unter diesen Prämissen mit dem Finanzplatz Schweiz?

In internationaler Hinsicht sollte sich unser Land noch mehr auf die Vermögensverwaltung für sehr wohlhabende Personen konzentrieren. Dafür bietet die Schweiz, sofern sie ihre Rahmenbedingungen pflegt, die allerbesten Bedingungen.

«Zudem freue ich mich 2019 auf das zehnjährige Bestehen von finews.ch»

Allerdings sind zwei Anpassungen nötig: Erstens müssen die Banken in ihrer Anlage-Performance so gut wie ausländische Anbieter oder gar noch besser werden. Und zweitens sollten sie die Digitalisierung dazu nutzen, kosteneffizienter zu werden, um auch da mit der Konkurrenz im Ausland mithalten zu können.

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr am meisten?

Sicherlich auf den weiteren Ausbau der finews-Websites in der Schweiz und in Asien – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Wachstumsdynamik in einzelnen Ländern, wo die Finanzbranche auf Jahre hinaus noch «boomen» wird.

Zudem freue ich mich 2019 natürlich auf das zehnjährige Bestehen von finews.ch. Insofern hat die Digitalisierung bei uns schon vor zehn Jahren begonnen.


Das Interview führte Thomas J. Caduff. Er ist Unternehmer und Publizist. Er betreibt die B2B-Medien- und Event-Plattform fundplat.com, die auf Fonds und Exchange Traded Funds (ETF) in der Schweiz und in Deutschland sowie neuerdings auch in Luxemburg, Grossbritannien und Österreich fokussiert ist. Bevor er sich selbständig machte, arbeitete Caduff bei Vontobel, beim Börsenkommissariat des Kantons Zürich sowie bei der Credit Suisse und der UBS.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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