Nur durch Koordination zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft können die Klima- und Entwicklungsziele der UN erreicht werden. In Anbetracht der Dringlichkeit braucht es einen regulatorischen Rahmen, schreibt Simon Tribelhorn vom Liechtensteinischen Bankenverband.

Der Hitzesommer von 2018 hat vieles bewirkt. Nicht nur ist nun Greta einer der weltweit beliebtesten weiblichen Vornamen oder grün die neue Lieblingsfarbe vieler Wähler.

Auch Politiker, die sich vor Jahresfrist noch vehement gegen Massnahmen zum Klimaschutz gewehrt hatten, sind nun schon immer für das Klima gewesen. Vielleicht erleben wir wirklich einen Paradigmenwechsel. Vielleicht ist aber auch alles dem Wahljahr in der EU oder der Schweiz geschuldet.

«Walk the talk»

Für den Klimawandel ist entscheidend, dass den Worten Taten folgen. Oder wie die Angelsachsen so treffend sagen: «Walk the talk». Nur so kann das Pariser-Klimaziel von 2015 mit seiner Erwärmung der Erde auf maximal 2 Grad erreicht werden.

Nur so können die im gleichen Jahr verabschiedeten breiter gefassten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) verwirklicht werden. Es ist also höchste Zeit noch mehr zu tun, damit die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit erfolgreich sein wird.

Entscheidende Rolle für Finanzsektor und Regulator

Um «Paris» zu erreichen, braucht es allein in der EU ein Investitionsvolumen von zusätzlich 180 Milliarden Euro. Ein substanzieller Teil davon muss von der Privatwirtschaft kommen. Der Bankensektor ist gefordert und spielt eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Kanalisierung dieser finanziellen Mittel.

Doch sind wir bereit? Die Angebotsseite wächst laufend. Nachhaltige Anlagen haben sich seit 2015 weit verbreitet und zu Recht den vermeintlichen Makel einer schlechteren Performance verloren. Und auch auf der Nachfrageseite bewegt sich einiges. Allein in der Schweiz wird die aktuelle Nachfrage nach nachhaltigen Produkten auf rund 700 Milliarden Franken geschätzt und übersteigt damit gar das Angebot.

Blinde Marktgläubigkeit reicht nicht

Alles gut also? Wir sind ja auf dem richtigen Weg. Wieso lassen wir nicht einfach den Markt entscheiden? Nachhaltigkeit kann nicht verordnet werden. Ich höre solche Stimmen hinter vorgehaltenen Händen nur all zu oft. Lassen wir sie nicht lauter werden. Denn blinde Marktgläubigkeit reicht genauso wenig wie Stillstand aus Angst, Fehler zu machen.

Es braucht einen realistischen Ansatz, der rasch zu Ergebnissen führt. Die Ziele müssen ambitiös und das Tempo des Wandels muss hoch sein. All dies kann nur gemeinsam erreicht werden. Der Staat als Gesetzgeber und Regulator spielt dabei eine wichtige Rolle. Wie damals mit den Pariser Klimazielen braucht es auch heute wieder politische Initiativen. Nur eine multinationale Regulierung bietet den sinnvollen Orientierungsrahmen und die nötige Rechtssicherheit.

EU ist wichtiger Taktgeber

Die EU hat dies glücklicherweise verstanden. Sie ist im Bereich «nachhaltige Geldanlagen» derzeit ganz klar Taktgeberin und geht mit grossem Tempo voran. Der Zug hat den Bahnhof also längst verlassen!

Im Mai vor einem Jahr wurde ein Regulierungspaket in Auftrag gegeben, das den Klimazielen von Paris und den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen Nachdruck verleihen soll. Eine 35 Mitglieder starke Expertengruppe hat sich dieser Herkulesarbeit angenommen. Am 18. Juni hat die Expertengruppe nun einen über 400 Seiten umfassenden Bericht zur Nachhaltigkeits-Taxonomie und einen weiteren Bericht zu den sogenannten «Green Bond»- Standards sowie einen weiteren Zwischenbericht zu «climate benchmarks» and «ESG benchmark disclosures»publiziert.

Endlich Glaubwürdigkeit und Transparenz

Zusätzlich hat die EU-Kommission am selben Tag eine neue Leitlinie für die klimabezogene Berichterstattung veröffentlicht. Die vier Publikationen bilden damit Teil eines ganzheitlich angelegten Pakets hin zu einer nachhaltigeren Ausrichtung der gesamten Finanzwirtschaft.

Insbesondere der sehr detaillierte Bericht zur Nachhaltigkeits-Taxonomie dürfte seine Wirkung nicht verfehlen. Es wird endlich Glaubwürdigkeit und Transparenz für Investoren, Emittenten und Regulatoren geschaffen. Sie alle brauchen einen Orientierungsrahmen, dass wo «Nachhaltigkeit» draufsteht, auch «Nachhaltigkeit» drin ist. Reputationsrisiken können damit vermindert werden.

Nichtstun die schlechteste aller Optionen

Leider stehen nicht alle Marktteilnehmer oder Finanzplätze einer Regulierung offen gegenüber. Die EU hat dies erkannt. Sie weiss, wie wichtig es ist, alle an Bord zu haben. Aus diesem Grund wurde am 24. Juni in Brüssel ein gross angelegter Stakeholder-Dialog durchgeführt. Das Niveau der Diskussion, die Ernsthaftigkeit der Teilnehmer und die konstruktiven Diskussionen stimmen optimistisch.

Immer mehr Entscheidungsträger und Organisationen verstehen sich als Teil der Lösung und nicht des Problems. Jeder, der Bilder von der vergangenen Grösse und Schönheit unserer Gletscher sieht, weiss, dass Nichtstun bei weitem die schlechteste aller Optionen ist.


Simon Tribelhorn ist seit 2010 Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig. Er ist seit Februar 2006 für den LBV tätig.

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