Die Schweizerische Nationalbank stand dieses Jahr im Kreuzfeuer der Kritik. Das wird auch 2020 der Fall sein und zu einer weiteren Polarisierung in der Politik führen – vor allem wenn es ans Verteilen der Gewinne geht.

Eigentlich ist bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 2019 alles beim Alten geblieben: Der Leitzins steht wo er seit fast fünf Jahren steht, bei minus 0,75 Prozent. Der Franken hat sich mit einem Plus von knapp 4 Prozent gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn zwar aufgewertet, aber nicht dramatisch. Und die Inflation bleibt mit einem Wert knapp über Null gut unter Kontrolle, jedenfalls weit vom 2 Prozent Maximum entfernt.

Und trotzdem, so viel Aufregung wie 2019 gab es schon lange nicht mehr. Die Debatte um den Negativzins hat mittlerweile eine Dynamik angenommen, die für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich heftig ist – mit der SNB als Feindbild.

Nicht zu rechtfertigen

Wir erinnern uns: Im Januar 2015 hob die SNB den Mindestkurs des Franken zum Euro auf und senkte gleichzeitig den Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf minus 0,75 Prozent. Der Negativzins und die Interventionen am Devisenmarkt hatten und haben den alleinigen Zweck, den Franken vor einer weiteren Aufwertung zu bewahren.

Mittlerweile sind die Positionen bezogen. Auf der einen Seite stehen die Vertreter von Banken (mit der Bankiervereinigung an vorderster Front) und Pensionskassen. Sie monieren, dass der Negativzins nichts gebracht hat und die Kosten, die ihnen durch den Negativzins entstanden, durch den Nutzen nicht zu rechtfertigen sind.

Dorn im Auge

Dieser Auffassung widerspricht die SNB und verweist darauf, dass der Franken markant an Wert zulegen würde, wenn sie den Negativzins aufheben, respektive den Leitzins über denjenigen der EZB heben würde. Sie weiss einzelne Banken, Gewerkschaften und vor allem die Exportindustrie hinter sich.

Da eine solche Auseinandersetzung nur einen Sieger kennen kann, hat sich der Streit seit geraumer Zeit verlagert: Die Strafzinsen auf Bargeldbestände der SNB – bislang etwa 2 Milliarden pro Jahr – sind den Gegnern des Negativzinses ein Dorn im Auge. So hat sich eine unheilige Allianz zwischen Vertretern der Gewerkschaften und der rechtsbürgerlichen SVP gebildet, welche die Überweisung dieser Mitteln an die Altersvorsorge verlangen.

Massive Interventionen – massive Gewinne

Das neue Parlament wird das Thema voraussichtlich im kommenden Jahr aufnehmen. Obwohl die SNB in Bern über eine gesicherte Hausmacht verfügt, wäre eine Zweckbindung wohl durchaus populär, da damit vergleichsweise wenig Schaden angerichtet würde.

Eine verwandte Thematik ist die Verwendung der Überschüsse der SNB. Seit sie aufgrund der massiven Deviseninterventionen der vergangenen Jahre zu einem der weltgrössten Investoren geworden ist, hat die SNB ein neues Problem. In Zeiten steigender Börsenbewertungen generiert die SNB massive Buchgewinne.

Bedürfnisse geweckt

Obwohl diese nicht realisierbar sind, ohne die Geldpolitik zu torpedieren (Verkauf von ausländischen Papieren und Kauf von Franken, was diesen stärken würde), sind auch hier Bedürfnisse geweckt worden. Vor allem der Gewerkschaftsbund unter dem neuen Leiter, Pierre-Yves Maillard, hat sich zum Ziel gesetzt, einen möglichst grossen Teil der sogenannten Ausschüttungsreserve, respektive des Gewinns der SNB in die AHV umzuleiten.

Der Gewinn aus dem ablaufenden Geschäftsjahr wird aller Wahrscheinlichkeit nach überaus massiv ausfallen. Als Indiz: Allein in den ersten neun Monaten 2019 hat die SNB 51,5 Milliarden Franken Gewinn geschrieben und seit September sind die Aktienpreise weiter gestiegen.

Redlich bemüht

In beiden Fragen ist die SNB gut beraten, nicht einfach auf eine Parlamentsmehrheit zu hoffen. Seit geraumer Zeit ist denn auch die Spitze der SNB – Thomas Jordan, Andréa Mächler und Fritz Zurbrügg – bemüht, aktiv ihre Sichtweise zu den Themen Negativzins, Gewinnausschüttung und Frankenstärke einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen.

Gerade die Gewinnausschüttung wird bald zum Thema werden, weil die Vereinbarung zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement und der SNB nur noch für das kommende Geschäftsjahr ihre Gültigkeit hat.

Kopfschmerzen wegen Klimapolitik

Der dritte Knackpunkt, welcher der SNB im kommenden Jahr Kopfschmerzen bereiten wird, ist die Anlagepolitik. Die SNB wehrt sich dagegen, Klimapolitik betreiben zu müssen und Aktien und Anleihen von Firmen abzustossen, die massgeblich zum Kohlendioxidausstoss der Menschheit beitragen – Stichwort Kohle und Erdöl. Ihr Hauptargument ist die Liquidität der Aktiven und das Verbot, Strukturpolitik zu betreiben.

Das Problem für die SNB ist einerseits natürlich die Begrünung des Parlaments, was ökologischen Anliegen mehr Gewicht verleihen wird, aber vor allem die mangelnde Stringenz in der Argumentation. Investitionen in Firmen, welche geächtete Waffen herstellen oder systematisch gravierende Umweltschäden bewirken, sind verboten. Damit unterstehen die SNB-Portfoliomanager also schon heute einer normativen Einschränkung in ihrer Anlagepolitik. Wie weit diese Einschränkung gehen, kann selbstverständlich weiter oder enger gefasst werden.

So steht den Vorstehern der SNB nicht nur das fünfjährige Jubiläum des jetzigen Negativzinses ins Haus, sondern es bahnen sich auch heikle Gespräche über die Anlagepolitik, Gewinnausschüttung und Verwendung der Strafzinsen auf Sichteinlagen an.

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