Mit jedem Kanton, der die Bevölkerung in einen Lockdown schickt, steigt das Risiko von Firmenkonkursen. Erste Banken haben ihre Prognosen fürs Wachstum in der Schweiz schon revidiert. Was ist zu befürchten?

Grosse Teile Europas sind mit einer zweiten Welle von Covid-19-Ansteckungen konfrontiert, und viele Regierungen haben mittlerweile mit der Schliessung von Teilen des öffentlichen Lebens reagiert. Dies mit dem Ziel, die Anzahl von persönlichen Kontakten zu reduzieren.

Diese Woche wird beispielsweise Premierminister Boris Johnson England einen Lockdown verpassen, der zwar auf einen knappen Monat bemessen wurde, in Realität aber viel länger dauern dürfte, wie «The Times» berichtet.

Am extremen Ende des Spektrums findet sich einmal mehr Spanien, das den Notstand gleich bis im Mai 2021 ausgerufen hat. Aber auch Frankreich und Deutschland als grösste Länder der EU haben rigide Regeln erlassen.

Letzte Konjunkturschätzungen sind Makulatur

In der Schweiz hat mittlerweile eine Handvoll Westschweizer Kantone einen weitgehenden Lockdown beschlossen, aber auch die landesweit geltenden Massnahmen werden ihre Wirkung auf die Volkswirtschaft nicht verfehlen.

Noch vor wenigen Wochen hatten die Konjunkturforscher des Bundes ihre Prognosen nach oben korrigiert. Statt noch eine Rezession von 6,2 Prozent, erwartete das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zwischenzeitlich ein Minus von 3,8 Prozent.

Mittlerweile dürften diese Prognosen aber längst Makulatur geworden sein. Denn auch die Prognostiker des Bundes anerkannten in ihrem Bericht, dass eine zweite Welle die schnelle Erholung unterbrechen werde: «Die Wahrscheinlichkeit von ökonomischen Zweitrundeneffekten wie Stellenabbau und Unternehmensinsolvenzen in grossem Umfang würde deutlich ansteigen. Auch die Risiken im Zusammenhang mit der weiter angestiegenen Verschuldung von Staaten und Unternehmen würden sich verschärfen.»

Neuerlicher Einbruch unausweichlich

Auch die Ökonomen der Credit Suisse (CS), die als erste im Sommer mit einer optimistischeren Einschätzung der Lage aufwarteten, haben inzwischen reagiert. Gemäss der CS wird die Schweizer Volkswirtschaft im vierten Quartal 2020 erneut schrumpfen, und zwar um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Wegen der trüben Aussichten bezüglich der Chancen, die Fallzahlen schnell und umfassend zu senken, glauben die Ökonomen zudem, dass sich die Erholung erst im Frühjahr fortsetzen wird.

Hotels, Veranstalter, Kulturunternehmer, Gastronomen

Aus den vielen einzelnen Meldungen und Einschätzungen zur laufend sich ändernden Situation lässt sich als zentrale Befürchtung die Angst vor einer breiten Konkurswelle und Kreditausfällen destillieren. So wappnen sich verschiedene Kantone, darunter die grossen Deutschschweizer Kantone Zürich, Basel-Stadt und Bern, indem sie die Ressourcen ihrer Konkursämter massiv hochfahren, wie die «Sonntagszeitung» berichtete (zahlpflichtig).

Zu den möglichen «Kunden» der Konkursämter zählen insbesondere Hotels und Event-Veranstalter, aber auch Gastronomie- und andere Kleinbetriebe. Die meisten von diesen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) konnten sich zwar mit Hilfe des Bundes über den Frühling retten. Ob dies aber auch ein zweites Mal gelingt, bleibt abzuwarten.

Die «Kleinen» sind richtig gross

Die Bedeutung der KMU, also der Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen, kann nicht stark genug betont werden. Im Jahr 2018 waren gemäss Bundesamt für Statistik gut 3 Millionen Personen bei KMU beschäftigt, etwas mehr als doppelt so viele wie bei grossen Firmen.

Dass die Kredite der fast 600'000 KMU fürs Schweizer Retailbanking extrem wichtig sind, muss nicht weiter ausgeführt werden. Die Schweiz kann es sich jedenfalls nicht leisten, dass diese wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig beschädigt werden. Die vom Bund im vergangenen Frühjahr bewilligten Überbrückungskredite sind am 31. Juli 2020 ausgelaufen.

Njet aus Bern

Bislang sieht es nicht danach aus, als würden Ueli Maurer als Finanz-, und Guy Parmelin als Wirtschaftsminister die Schatullen in grossem Stil (wieder) öffnen. Denn wie Finanzminister Maurer vergangene Woche klarmachte, können die Firmen nicht mit einer Neuauflage der Corona-Hilfskredite von letztem März rechnen: «Flächendeckende Programme können und müssen wir uns auch nicht mehr leisten», fand der Bundesrat.

Thorsten Pauli, Kapitalmarkt-Chef der Bank of America in der Schweiz, warnte in einem kürzlichen Interview mit finews.ch, dass es keinen Grund für Sorglosigkeit gäbe. Denn während die grossen Multis die zweite Welle abwettern, könnte diese viele kleinere Wirtschaftsteilnehmer überrollen. «Es ist leider zu erwarten», so Pauli, «dass KMU, Gewerbe und old-world-Geschäftsmodelle nochmals hart getroffen werden».

In der Summe seien diese Akteure absolut systemrelevant. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der zweiten Corona-Welle sollten deshalb nicht verharmlost werden, mahnt er.

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