Setzt die Nationalbank die Prinzipien einer guten Unternehmensführung und -kontrolle in der Praxis auch tatsächlich um? Eine Analyse von Marc E. Raggenbass.

Marc-Raggenbass_1Von Marc E. Raggenbass, Leiter Regulatory, Legal & Compliance bei Deloitte; der Autor dieses Artikels ist nicht mit dem gleichnamigen Präsident des Bankrats verwandt.

Erst vor gut zehn Jahren wurden die Ziele des, im angelsächsischen Rechtsraum bereits etablierten Instrumentariums der Corporate Governance einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die darin enthaltenen Grundsätze einer guten Unternehmensführung und -kontrolle lösten damals eine intensive politische Debatte aus und führten im Juli 2002 zur Inkraftsetzung des Swiss Code of Best Practice.

Das Selbstregulierungswerk der economiesuisse richtet sich an börsenkotierte Aktiengesellschaften, sieht sich aber auch als Leitlinie für andere Gesellschaften und Organisationen.

Bei Aktiengesellschaften ein Muss

Die kritischen Fragen rund um Unternehmensführung und -kontrolle waren anfänglich vor allem auf Publikumsgesellschaften beschränkt. Hier manifestierten sich Interessenkonflikte zwischen Unternehmensleitung und Aktionär am stärksten.

Die Ausweitung des Schutzumfangs der Corporate-Governance-Standards auf andere Anspruchsgruppen als Aktionäre wurde anfangs abgelehnt, setzte sich aber in den letzten Jahren zusehends durch.

Sogar NGOs halten sich daran

Der ursprüngliche Zweck der Absicherung der Aktionärsinteressen gegenüber der Unternehmensführung trat zusehends in den Hintergrund, die Interessen anderer Anspruchsgruppen wie der Aufsichtsbehörden, der Politik, der Gesellschaft und Umwelt wurden wichtiger.

Fragen der guten Geschäftsführung erfassten zudem auch wirtschaftlich tätige Organisationen mit anderer Rechtsform. Heute richten sich auch Kantonalbanken und sogar Non-Profit Organisationen am Swiss Code of Best Practice aus.

Und die Nationalbank?

Somit gibt es eigentlich keinen Grund, den Swiss Code of Best Practice nicht auch auf die börsenkotierte Nationalbank anzuwenden. Dies gilt im Besonderen für die Organisation des Bankrats als Aufsichtsorgan. Andererseits gelten die Standards selbstverständlich dort nicht, wo sie den Interessenausgleich zwischen Aktionär und Unternehmensführung absichern.

Denn der SNB-Aktionär verfügt weder über die Chancen (z.B. steigende Dividenden und Aktienkurse) und Rechte (z.B. Beschränkung der Stimm- und Wahlrechte) eines ordentlichen Aktionärs, noch trägt er dessen Risiken (z.B. sinkende Dividenden und Aktienkurse, Konkurs des Unternehmens). Zudem bleiben Dividende und Aktienkurs des Noteninstituts über die Jahre weitgehend stabil.

Neue Ausgangslage

Die Tätigkeit der Notenbank wurde bis vor kurzem von der Bevölkerung kaum wahrgenommen. Mit der aktiveren Geld- und Währungspolitik im Nachgang zur Finanz- und Bankenkrise und der Erstarkung des Schweizer Frankens änderte sich dies schlagartig.

Die Notenbankpolitik produzierte auf einmal unmittelbare Gewinner und Verlierer, Gegner und Befürworter der neuen Politik. Es war damit nur noch eine Frage der Zeit, bis die Auseinandersetzung zwischen den Anspruchsgruppen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft rund um die richtige Unternehmensführung und -kontrolle auch die SNB erreichte.

Bankrat trägt die Compliance-Verantwortung

Zuständigkeit und Verantwortung für die Unternehmensführung und -kontrolle sind im Währungsartikel der Bundesverfassung und im Nationalbankgesetz (NBG) definiert und auf Bund, Bankrat und Direktorium verteilt. Das im Jahre 2004 revidierte NBG setzte auf eine Verstärkung der Aufsichtsrechte und -pflichten des Bankrates.

Er ist das wichtigste Organ für die Aufsicht und Kontrolle der Geschäftstätigkeit der SNB, da er die Einhaltung der Rechtsvorschriften (Compliance) durch das Direktorium sicherstellt und die Verantwortung für die unternehmensinterne Organisation trägt.

Unentziehbare Rechte

Diese Aufgaben und deren Konkretisierung sowie die Verantwortlichkeiten der SNB-Organe und weiterer Funktionen (z.B. Compliance-Funktion, interne Revision) legt er im Organisationsreglement und teilweise auch in den Reglementen der Ausschüsse fest.

Schliesslich obliegt dem Bankrat die Oberleitung der SNB, soweit diese nicht, wie in der Geld- und Währungspolitik, abschliessend an das Direktorium delegiert ist. Damit verfügt der Bankrat über ähnliche unübertragbare und unentziehbare Rechte wie eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft.

Die Botschaft zum revidierten NBG hält ausdrücklich fest, dass dem Bankrat in betriebswirtschaftlichen und unternehmerischen Angelegenheiten die Kernkompetenzen des Verwaltungsrates gemäss Obligationenrecht belassen werden sollen und rät auch vor der Aushöhlung seiner Kompetenzen ab.

Transparenter Compliance-Prozess muss her

Um diese Aufgabe effizient und effektiv erfüllen zu können kann, muss das Auf¬sichtsorgan eine ausgewogene Zusammensetzung sicherstellen. Der Bankrat verfügt zwar formell über solche Kompetenzzentren in der Form von Ausschüssen (z.B. Prüfausschuss).

Im Interesse der Transparenz wäre es aber begrüssenswert, wenn die Nationalbank die Mitglieder der Ausschüsse, zusammen mit ihrer besonderen Befähigungen, auf der Webseite und im Geschäftsbericht offenlegen würde. Zudem wäre es angemessen, wenn die Aufgaben des Prüfausschuss, und allem voran jene des Präsidenten, im Hinblick auf die Compliance-Funktion detaillierter definiert würden.

Allenfalls könnte dies auch in einem speziellen Compliance-Reglement erfolgen. Darin wären auch die Eskalationsprozesse des Compliance-Verantwortlichen der Bank zu definieren, insbesondere in jenen Fällen, die die Mitglieder des Direktoriums betreffen. So können auch Interessenkonflikte vermieden werden die dadurch entstehen, dass der Compliance-Verantwortliche dem Präsidenten der Nationalbank unterstellt ist und gleichzeitig über dessen Compliance urteilen muss.

Unabhängigkeit nicht in Frage gestellt

Auf Grund seiner Organisationsverantwortung und Generalkompetenz für sämtliche Aufgaben, die nicht einem anderen Organ zugeordnet sind, ist der Bankrat für die Einhaltung einer guten Unternehmensführung und -kontrolle verantwortlich.

Dies schliesst nicht aus, dass der Bundesrat, zusammen mit dem Bankrat, die für die Reputation des Finanzplatzes Schweiz im Allgemeinen und die Notenbank im Besondern wichtigsten Corporate Governance-Grundsätze festlegt. So wurden ja im März 2011 auch die Prinzipien für die personelle Zusammensetzung des Bankrates vereinbart.

Die Unabhängigkeit der Notenbank in geld- und währungspolitischen Belangen wäre mit einer solchen Vereinbarung nicht in Frage gestellt.

Steigende Erwartungen

Die aktive Notenbankpolitik stellt die SNB ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Damit steigen auch die Erwartungen einer breiten Palette von Anspruchsgruppen an eine transparente Corporate Governance.

Die Nationalbank wird diesen Erwartungen gerecht, indem sie die Grundsätze der Unternehmensführung und -kontrolle, wie die Unternehmenskultur (das «Tone at the top»), der Umgang mit den, divergierende Interessen verfolgenden Anspruchsgruppen in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit transparent und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar und transparenter gestaltet.

Gelebte Governance

Der Swiss Code of Best Practice verlangt denn auch, dass die Gesellschaft in ihrem Geschäftsbericht Angaben zur Corporate Governance publiziert. Im Interesse der Transparenz wäre ein besonderer Teil des Geschäftsberichts diesem Thema zu widmen, der konkrete Angaben zur gelebten Governance der Notenbank kommuniziert.

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