Es heisst, dass der Super Bowl durch die Defensive, die Abwehrspieler einer Mannschaft, gewonnen wird. Dennoch gelang es Koryphäen der US-amerikanischen Football-Geschichte, wie Manning, Brady und Montana, das Gegenteil unter Beweis zu stellen.

Indem sie mit ihren Touchdowns zahlreiche Punkte auf die Anzeigetafel zauberten, insbesondere während der letzten zwei Minuten des Spiels, wurden mehr Spiele gewonnen, als jemals durch das Abwehren der gegnerischen Mannschaft vor der eigenen Torlinie. Trotz der zahlreichen Siege, die durch so genannte Field Goals herbeigeführt wurden – hierbei wird der Ball mit dem Fuss über die Torlatte durch die Torstangen geschossen, was mit der halben Punktzahl eines Touchdowns belohnt wird – wurden die Namen der jeweiligen Schützen hingegen schon längst in die Papierkörbe der Football-Geschichte verbannt, statt in der «Hall of Fame» des American Football in Canton, Ohio, Erwähnung zu finden.

Dort sind jedoch annähernd so viele Spieler der Abwehr wie der Offensive vertreten, was darauf schliessen lässt, dass es eine universell anerkannte Rolle für beide Teile der Mannschaft gibt. Welcher Fan des American Football könnte schliesslich Abwehr-Helden wie «Mean» Joe Greene, Deion Sanders oder Mike Ditka vergessen?

Zwar beklagte der inzwischen politisch inkorrekte Fangesang einst: «Man muss eine Football-Legende sein, um die Herzen der schönen Frauen für sich zu gewinnen», doch es scheint, als könnten Football-Ikonen, ebenso wie jeder andere Held dieser Welt, auf beiden Seiten der Linie spielen.

Meine Ausführungen zu Abwehr und Angriff des American Football stellen eine wunderbare Metapher für die Welt der Investitionen dar. Denn die offensiven und risikofreudigen Investoren an den Märkten waren in der Vergangenheit stets diejenigen, die die Schlagzeilen dominierten und die Herzen der schönen Frauen (oder Männer) für sich gewannen.

Weg zum schnellen Geld

Abgesehen von seltenen Ausnahmen, wie im Falle von Steve Jobs oder Bill Gates, bestand das Geheimnis zum Reichtum seit den frühen achtziger Jahren allerdings darin, das Geld eines anderen zu leihen, auf gut Glück ein paar Pässe zu werfen und schliesslich einen Touchdown zu erzielen, als verfüge man über besondere Fähigkeiten, die eine Entlohnung in Höhe des 210 -fachen Gehalts eines Arztes, Anwalts oder Indianerhäuptlings rechtfertigen. Nein, das mit dem Indianerhäuptling nehme ich zurück. Sie waren mit ihren Kasinos in den letzten Jahrzehnten ganz erfolgreich.

Dennoch bestand der Weg zum schnellen Geld während der letzten 30 Jahre grösstenteils darin, sich des Geldes zu bedienen, um daraus mehr Geld zu erschaffen. Obwohl sich der Preis des Geldes 1981 mit Renditen langfristiger US-Staatsanleihen von 15 Prozent, Prämien von 20 Prozent und Realzinsen von schier unglaublichen 7-8 Prozent anfangs noch auf übertrieben hohem Niveau befand, liess das allmähliche Sinken der Renditen während der letzten drei Jahrzehnte zu, dass Kurs-Gewinn-Verhältnisse, Immobilienpreise und Nettoinventarwerte von Anleihefonds sich auf einer endlos erscheinenden, positiven Zeitachse ausdehnen konnten.

Mit Geld angefüllte Shampoo-Flasche

Bücher wie «Stocks for the Long Run» oder «Dow 36'000», die den Weg zum schnellen Reichtum über die Börse beschrieben, vermochten es, die Vorstellungskraft der Bevölkerung gleichermassen anzuregen, wie es ein Pass des Offensivspielers Joe Montana auf Jerry Rice tat, was stets in einem Sieg der San Francisco 49ers zu enden schien. Dennoch würde eine Wiederholung dieser letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Vermögenspreise sich nicht aufgrund der besonderen Weisheit der akademischen Welt oder der Anlegergemeinde beschleunigten, sondern vielmehr aufgrund der offensiven Politik der US-Federal Reserve und ihrer globalen Pendants, die Geld druckten, Renditen senkten und ein irreführendes Gefühl des monetären Reichtums hervorriefen, das auf die ständige Bewegung an den Märkten angewiesen war.

«Einschäumen, klarspülen und wiederholen – einschäumen, klarspülen und wiederholen», schien seit der Amtsniederlegung des ehemaligen Fed-Chefs Paul Volcker das alleinige Mantra der Zentralbanker zu sein; wobei man sich anscheinend nicht dessen bewusst war, dass die mit Geld angefüllte Shampoo-Flasche einmal leer werden könnte. Nun, sie ist leer geworden. Denn mathematisch betrachtet können Zinssätze nur bis zu einem bestimmten Niveau fallen; sobald sie dieses Niveau erreicht haben, wird beim Haarewaschen des Finanzmarkts deutlich weniger Schaum erzeugt und auch nach dem Fönen bleibt wesentlich weniger Volumen zurück.

Vor der Torlinie abgeblockt

An der Grenze zu Null haben die Renditen nicht nur die Möglichkeit verloren, das Kurs-Gewinn-Verhältnis zu erhöhen und die Zinsobergrenzen der Hypotheken zu senken; sie beginnen darüber hinaus damit, den Finanzbrunnen zu vergiften. Anstatt die Kapitalgewinne der Anleger mithilfe der Zauberkunst der Abdiskontierung und niedrigeren Zinsspreads zu erhöhen, führen niedrige Renditen zu einer zunehmenden Reduzierung der Haushaltseinkommen, verkleinern die Gewinnmargen der Unternehmen und bringen verheerende Folgen für die historischen Geschäftsmodelle der Banken, Geldmarktfonds und Pensionskassen mit sich.

Die offensiv ausgerichtete Welt der Investitionen, an die wir uns während der letzten drei Jahrzehnte so sehr gewöhnt haben, wird durch die Nahe-Null-Abwehr vor der Torlinie abgeblockt. Die Abwehr gewinnt an Bedeutung.

Fähigkeiten eingeschränkt

Dieser Wandel ist vielen nicht bewusst, obwohl er sich sowohl statistisch als auch anhand des gesunden Menschenverstands relativ leicht bestätigen lässt. Nehmen wir mal die recht seltsame Vorstellung, dass niedrigere Renditen zu einer gleichen Anzahl von Gewinnern und Verlierern führen müssen, da es zu jedem Gläubiger einen entsprechenden Schuldner gibt und der Tausch daher keinen Einfluss auf die Realwirtschaft oder die Finanzmärkte hat.

Offensichtlich ist es den «Main Street»-Investoren nicht gelungen, im Rennen um den grösseren Nutzen aus den niedrigeren Renditen mit der Wall Street Schritt zu halten. Durch die für das Privateinkommen allmählich an Bedeutung verlierende Zinskomponente wird die Fähigkeit der privaten Haushalte eingeschränkt, ihre Ausgaben auf dem bislang sehr hohen Niveau aufrechtzuerhalten.

Krämpfe in den Waden

Beim Super Bowl käme dies metaphorisch betrachtet einem 2-minütigen Angriff in der letzten Halbzeit gleich, bei dem die Spieler der verteidigenden Mannschaft jedoch nicht mit ausreichend Wasser versorgt wurden. Sie sind etwas langsamer und haben Krämpfe in den Waden, was man ihnen deutlich ansieht. Niedrigere Zinssätze haben negative Auswirkungen auf die privaten Haushalte, da ihre Wasserflaschen anstelle von Gatorade mit bei 50 Basispunkten rentierenden Unternehmensanleihen gefüllt sind.

Während es der Wall Street und den Investoren mit hohem Fremdkapitalanteil zwar besser erging als ihren Pendants der Main Street, befinden auch sie sich nicht gerade in der Verfassung eines defensiven Football-Stars wie «Primetime» Deion Sanders. Wer sich das historische Geschäftsmodell eines beliebigen Unternehmens aus der Finanzbranche während der letzten 30 Jahre einmal genauer ansieht, wird verstehen, worauf ich mich beziehe.

Von der Offensive zur Defensive

Versicherungsunternehmen etwa haben ihre langfristigen Rentabilitätskonzepte auf der Annahme generell langfristig realer Anlageerträge begründet, unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Lebensversicherer mit langfristigen Verbindlichkeiten oder um Schaden- bzw. Unfallversicherer mit unmittelbareren potenziellen Auszahlungsverpflichtungen handelt. So haben die US-Versicherer AFLAC, GEICO, Prudential oder MetLife allesamt zahlreiche Geschäftsräume angemietet, Personal eingestellt, Werbekampagnen durchgeführt, Preise festgesetzt und Ausgaben getätigt – basierend auf der Annahme, dass sie anhand ihrer Cashflows einen positiven realen Anlageertrag erwirtschaften können.

Fallen die Renditen jedoch von +7 Prozent auf etwa -1 Prozent, so beginnen diese Annahmen – und auch die damit verbundenen Realitäten – sich zu verändern. Kann ein Unternehmen die Inflation nicht mit historischen realen Erträgen aus seinem Float decken, muss es Kosten sparen, um seine wirtschaftliche Rentabilität aufrechtzuerhalten. Eine solche Unternehmensverschlankung stellt ein weiteres Beispiel für einen Übergang von der Offensive zur Defensive dar – im Kontext einer Welt, in der sich die Zinssätze nahe der Nullgrenze aufhalten und nahezu jegliches Inflationsniveau zu negativen realen Renditen führt.

Anekdotische Betrachtungen

Doch es trifft nicht nur Versicherungsgesellschaften; auch Banken leiden unter der Unfähigkeit, ihre Margen bei einem Zinsniveau nahe Null aufrechtzuerhalten. Infolgedessen werden zahlreiche Kundenfilialen geschlossen, die einst als goldener Schlüssel zu erfolgreichem Bankgeschäft galten. Abwehr!

Widmen wir uns noch einer der interessanteren anekdotischen Beobachtungen in unserem derzeitigen Zinsumfeld nahe Null , einer Beobachtung, der Warren Buffett – mein absolutes Vorbild in der Investment-Welt – wahrscheinlich sofort zustimmen würde. Sein Geschäftsmodell – und das des von ihm aufgebauten Investmentunternehmens Berkshire Hathaway – konnte lange Zeit von dem profitieren, was er als «Free Float» bezeichnete.

Zahlreiche Nachahmer

Diese jährlichen Prämienzahlungen, unabhängig davon, ob sie für eine Hurrikan-, Lebens- oder Autoversicherung geleistet wurden, räumten ihm über einen langen Zeitraum hinweg einen finanziellen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderer Geschäftsmodelle ein, im Rahmen derer eine «kostenlose» Kreditaufnahme nicht möglich war. Heutzutage gelangen jedoch nahezu alle Grossunternehmen und wohlhabenden Privatpersonen zu sehr günstigen Konditionen an Kredite.

Dank der Geldpolitik der Zentralbanken, die den Schwerpunkt zunehmend auf die Auswahl von Aktien und anderer Anlageformen rücken, statt der Finanzierung von Geschäftsmodellen, findet die Offensive von Buffett derzeit zahlreiche Nachahmer auf globaler Ebene. Buffetts Erfolg beruht auf seinem nach wie vor entschiedenen Aufruf zum offensiven Spiel, doch die Spielregeln sind im Begriff sich zu ändern.

Neue Epoche

In diesem neuen Zeitalter, das durch Zinsen an der Nullgrenze geprägt wird, spiegelt die Lage Buffetts sicherlich in gewisser Hinsicht auch die Lage PIMCOs wider, sowie die jedes anderen Unternehmens der Finanzbranche. Bei PIMCO sind wir der Ansicht, dass in einem durch Schuldenabbau und niedrige Zinssätze geprägten Umfeld sowohl offensive als auch defensive Fähigkeiten für die Entwicklung erfolgreicher Anlagestrategien erforderlich sind.

Doch was bedeutet das konkret? Erlauben Sie mir, PIMCOs historische Investment-Offensive während der letzten 30 Jahre kurz zu umreissen und sie anschliessend einem defensiven Ansatz gegenüberzustellen:

PIMCOs offensive Strategie 1981 – 2011

1. Erkennen rückläufiger Zinstrends und entsprechende Skalierung der Duration.

  • A. Fokus auf Anlage- und Kapitalerträge. PIMCO Total Return Strategie.
  • B. Einsatz von sicheren derivativen Strukturen, die von systemischem Leveraging profitieren – Financial Futures, Swaps (jedoch keine Subprimes!)
  • C. Kombination von A und B, einhergehend mit einer sorgfältigen Bottom-up-Einzeltitelauswahl zur Generierung von konsistentem Alpha.

PIMCOs defensive Strategie 2012 – ?

1. Erkennen der an der Nulllinie bestehenden Grenzen und systemischen Risiken an den globalen Finanzmärkten. Erkennen der finanziellen Repression bei gleichzeitiger Vermeidung der damit verbundenen negativen Auswirkungen, sofern möglich.

  • A. Fokus auf unserer Einschätzung nach stabilen / sicheren Erträgen.
  • B. Reduzierung von derivativen Strukturen, die angemessen bewertet und wahrscheinlich volatiler sind.
  • C. Kombination von A und B, bei sorgfältiger Einzeltitelauswahl zur Generierung von konsistentem Alpha und nominalen Renditen, die jedoch unterhalb der historischen der Branche liegen.

Da ist es also, das Drehbuch von PIMCO. Sollte ich über etwas gesunden Menschenverstand verfügen, so müsste ich mir wahrscheinlich ein Klemmbrett vor den Mund halten, wie es die Trainer an der Seitenlinie des Spielfelds während bedeutender Spiele tun. Schliesslich wollen wir doch vermeiden, dass uns die Wettbewerber von den Lippen lesen können und somit vor PIMCOs nächstem offensiven Spielzug vorgewarnt sind.

Offensive Helden

Allerdings war das noch nie der Stil von mir oder Mohamed, denn schliesslich ist es von grosser Bedeutung, Sie als unsere Kunden über unsere Gedanken bei der Anlage Ihres hart verdienten Kapitals auf dem Laufenden zu halten. Sollen die Wettbewerber uns doch von den Lippen lesen, wir werden den Ball ohnehin quer über das Feld schiessen. Der Schwerpunkt sollte in unserem heutigen Umfeld, wie ich bereits angedeutet habe, ohnehin eher auf dem defensiven Trainer liegen.

Wir haben uns von einer Welt, die durch die zunehmende Verschuldung geprägt war, in ein Umfeld des Schuldenabbaus begeben. Renditen von 15 Prozent haben sich in 0 Prozent Geld verwandelt. Zwar wird es bei den Super Bowls der Zukunft auch weiterhin offensive Helden wie Manning oder Brady geben, wahrscheinlich werden die Abwehrspieler jedoch wesentlich mehr Bälle abfangen und häufiger in den Schlagzeilen erscheinen, als je zuvor.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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