Wenn das Investmentbanking unter Druck kommt, spürt das auch der Schweizer Kunsthandel: Das sagt der Kunstexperte Christian von Faber-Castell.

Christian_Faber_Castell

«Rekordpreise für Munch, Miro, Warhol & Co. täuschen eine überraschende Gesundheit des Kunstmarktes vor. Doch der Handel mit gängiger Kunst leidet weltweit unter der Zurückhaltung verunsicherter Käufer.

Rein zahlenmässig wirkt der weltweite Kunstmarkt erstaunlich robust und krisenfest. Das Versteigerungs- und Direktverkaufsvolumen des Kunstmarktduopols Christie's und Sotheby's ist mit 6,5 Milliarden Dollar im 1. Halbjahr 2012 jedenfalls fast genauso gross, wie vor Jahresfrist. Doch der Schein trügt.

Grosskunst-Käuferelite ist minimal

Gestützt wird dieses Marktvolumen derzeit nämlich zur Hauptsache durch eine winzige Zahl astronomisch teurer Kunsttrophäen in der Preis-Grössenordnung von zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen und durch eine entsprechend dünne internationale Grosskunst-Käuferelite.

Diesem Spitzensegment des Marktes steht die grosse Masse bescheidenerer Kunst- und Sammelgegenstände gegenüber, die einst das wirtschaftliche Fundament des Marktes bildeten, die aber heute immer schwerer verkäuflich sind. Ein Kunstwerk für 20 Millionen Dollar findet heute erstaunlicherweise leichter einen Käufer als eines für 20'000 Franken.

Spaltung in Trophäenkunst und Routineware

Diese Spaltung des Kunstmarktes spiegelt sich darin, das mehr als ein Zehntel, nämlich 728 Millionen Dollar des Halbjahreskunstumsatzes von Christie's und Sotheby's auf nur zwanzig Kunstwerke entfallen.

Der weltweit vernetzte Kunstmarkt-, Messe- und Auktionsplatz Schweiz kann sich dieser Spaltung nicht entziehen. Spitzenwerke zu Preisen über 20 Millionen Franken werden hierzulande allerdings kaum je öffentlich versteigert, sondern diskret von einigen wenigen Tophändlern verkauft oder von den grossen Auktionshäusern für ihre Glamourversteigerungen in New York oder London akquiriert.

So kam beispielsweise das zu Beginn dieses Jahres angeblich für 250 Millionen Dollar an das Emirat Qatar verkaufte Kartenspielergemälde von Paul Cézanne aus der Schweiz aus dem Nachlass des griechischen Reeders George Embiricos.

Der «normale» Kunstmarkt im Preisgefüge zwischen 2'000 Franken und 2 Millionen Franken tut sich jedoch auch hierzulande schon länger schwer, wobei der Handel mit älteren Möbeln und Antiquitäten modebedingt sogar mit einer doppelten Absatzschwäche zu kämpfen hat.

Die Boni werden dem Kunsthandel fehlen

Die Nachricht, dass Schweizer Banken ihr Investmentbanking kräftig verkleinern wollen, überrascht die umsatzschwächegeplagten Kunsthändler, Galeristen und Auktionatoren zwar kaum, aber sie trifft sie besonders hart. Schliesslich sind es vor allem unverhoffte, nicht längst verplante Sondereinnahmen wie Spekulationsgewinne und Bonuszahlungen, die für Kunstkäufe und verwandte Luxusanschaffungen eingesetzt wurden und werden. Und zumindest diese Boni dürften in nächster Zukunft kräftig schrumpfen.

Die komfortable Stellung der Schweiz als hochleistungsfähiger Kunstumschlagplatz im Herzen Europas ohne ärgerliche europäische Marktbelastungen wie hohe Mehrwertsteuern und steuerähnliche Folgerechtsabgaben auf moderne und zeitgenössische Kunst ist hiervon kaum beeinträchtigt. Die meisten hiesigen Auktionshäuser und Galerien dürften Schweizer Banker derzeit aber eher als Kunsteinlieferer und allenfalls Vernissagengäste sehen denn als Käufer.

Kunstmarkt reagiert träger

Wer vor diesem Hintergrund auf generell sinkende Kunstpreise und günstige Einkaufs- und Kunstspekulationsgelegenheiten hofft, sei allerdings gewarnt: Der Kunstmarkt reagiert viel träger auf Nachfrageschwankungen als die Börse und die meisten anderen Märkte. Dazu kommt, dass - wenn überhaupt - zuerst stets die schwächeren Qualitäten billiger abgegeben werden.

Für mittelfristige Kunstspekulation eignen sich jedoch nur die allerbesten Qualitäten eines Sammelgebiets. Diese aber werden von ihren Eigentümern derzeit nur zögernd auf den Markt gebracht, und wenn, dann erzielen solche Raritäten bisher immer noch hohe Preise.

Es braucht auch Zeit und Musse

Dennoch sind die Chancen für emotional und finanziell gewinnträchtige Kunstkäufe durchaus intakt und in einzelnen Sammelgebieten sogar so gut, wie schon lange nicht mehr. Nur braucht man zu deren Wahrnehmung neben Kapitalkraft und Kennerschaft vor allem viel Zeit und Musse — und wer hat von diesem ultimativen Luxusgut schon genug?


Christian_Faber_Castell_qDer 62-jährige Christian von Faber-Castell ist freier Journalist. Er berichtet seit 1975 in der «Finanz und Wirtschaft» über den internationalen Kunstmarkt. Daneben arbeitet er als Kunstmarktkorrespondent für weitere Medien in Deutschland und den USA und hält Vorträge über aktuelle Kunstmarktthemen.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.57%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.98%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.03%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.53%
pixel